Wieso sollte ich gegen die Kündigung klagen?
Sie wollen die Kündigung abwehren, oder eine höhere Abfindung erhalten. Dann sollte zunächst geprüft werden, ob ein Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) besteht. Wie sinnvoll eine Kündigungsschutzklage ist, hänge auch davon ab, „ob es sich um eine ordentliche oder fristlose Kündigung handelt“, sagt Rechtsanwalt Jakob Lange, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Bei jeder Kündigung ginge es immer um die Betrachtung des Einzelfalls, bei einer fristlosen Kündigung muss ein wichtiger Grund vorliegen. Das ist eine hohe Hürde, die nicht ohne weiteres genommen werden kann. Auch bei der ordentlichen Kündigung mache es Sinn, Klage zu erheben. Denn viele Arbeitnehmer erhielten zwar die Kündigung, würden aber nicht über die Gründe informiert. Kündigt der Arbeitgeber ohne Begründung, könne eine Klage bereits wegen formalen Ungenauigkeiten Aussicht auf Erfolg haben. „Wer gar nicht erst klagt, hat auch keine Chance, zu seinem Recht zu kommen“, so Anwalt Lange. Eine anwaltliche Beratung im Vorfeld gibt Auskunft über die Erfolgsaussichten einer Kündigung und klärt über etwaige Prozessrisiken auf.
Genaue Begründung der Kündigung – sonst unwirksam
Der Arbeitgeber muss genau begründen, warum er den Arbeitnehmer kündigt. Erfolgt die Kündigung beispielsweise aufgrund des Verhaltens, muss dargelegt werde, wie der Gekündigte gegen welche Pflichten verstoßen hat. Zudem muss vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung das missbilligende Verhalten schon einmal abgemahnt worden sein. Die Kündigung ist ansonsten rechtswidrig und daher unwirksam. Pauschale Vorwürfe zum Fehlverhalten reichen nicht aus, urteilte das Arbeitsgericht Düsseldorf am 23. Juni 2016 (AZ: Ca 1255/16).
Welche Frist ist für die Kündigungsschutzklage zu beachten?
Sobald der Arbeitnehmer die schriftliche Kündigung erhalten hat, bleiben ihm drei Wochen Zeit, um die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht zu erheben. Ausnahmen von dieser Regel bestehen zum Beispiel, wenn eine Behörde der Kündigung zustimmen muss. Nach Ablauf der Frist ist die Kündigung wirksam. Also: keine Zeit verlieren, sobald die unliebsame Post im Briefkasten landet!
Der Arbeitgeber muss außerdem das Kündigungsschreiben korrekt zustellen. Es muss in den „Herrschaftsbereich des Empfängers“ gelangen, so die Entscheidung des Landesarbeitsgericht Mainz vom 5. Februar 2019 (AZ: 8 Sa 251/18). Es genüge nicht, dem Mitarbeiter das Dokument „vor die Nase zu halten".
„Gleichwohl empfiehlt es sich auch in solchen Fällen Klage zu erheben und die Frist von drei Wochen zu beachten“, informiert Rechtsanwalt Jürgen Markowski, Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).
Brauche ich einen Anwalt um zu klagen?
In erster Instanz nicht. Die Klage kann ohne Rechtsanwalt erhoben werden. Geht der Rechtsstreit in die zweite Instanz, muss ein Anwalt den Kläger vertreten.
Unser Tipp: Rechtsbeistand ist trotzdem sinnvoll. Anwältinnen und Anwälte für Arbeitsrecht können die Erfolgsaussichten einer Klage einschätzen, und dem Kläger im Zweifel viel Leid ersparen. Eine Kündigung ist immer auch mit einem emotionalen Aspekt verbunden. Ein Rechtsanwalt kann möglichst unvoreingenommen aus der Distanz agieren.
Bestimmte Fälle sind komplizierter als andere – etwa, weil ein besonderer Kündigungsschutz Anwendung findet. Ist die gekündigte Person beispielsweise als schwerbehinderter Mensch im Sinne des SGB IX anerkannt oder befindet sich in Elternzeit, sollte ein Rechtsanwalt hinzugezogen werden, um die Erfolgschancen der Klage zu erhöhen.
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Kosten einer Kündigungsschutzklage
Natürlich spielt die Kostenfrage eine Rolle dabei, ob man sich vor Gericht durch einen Anwalt vertreten lassen möchte. Besteht keine Rechtschutzversicherung, muss der Kläger für die Anwaltskosten aufkommen -sogar dann, wenn das Verfahren zu seinen Gunsten ausgeht.
Es ist jedoch möglich, zunächst ohne Rechtsanwalt zu klagen. Erfolgt in diesem Zuge keine Einigung, kann für den weiteren Verfahrensverlauf ein Anwalt genommen werden.
Eine weitere Möglichkeit bieten sogenannte Legal-Tech-Dienstleister, die eine kostenfreie Prüfung des Abfindungsanspruchs des Gekündigten versprechen. Wann ein Online-Portal eine gute erste Anlaufstelle sein und was eine Anwältin oder ein Anwalt darüber hinaus für gekündigte Beschäftigte erreichen kann, erfahren Sie in unserem Video am Ende des Artikels.
Wie geht es nach der Klage weiter? Kommt es immer zu einem Urteil?
Bevor das Arbeitsgericht abschließend über die Kündigungsschutzklage verhandelt, lädt es die streitenden Parteien zu einem so genannten Gütetermin. Dabei geht es nicht um eine gerichtliche Entscheidung, sondern eine mögliche „gütliche“ Einigung der Beteiligten. In vielen Fällen reicht eine solche Gesprächsrunde aus, um sich über die Rechtslage und wechselseitigen Interessen auszutauschen und den Konflikt beizulegen. Lohnenswert kann ein solcher Termin sein, wenn der Gekündigte bereit ist, die Firma zu verlassen – in der Hälfte der Fälle einigen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf eine höhere Abfindung. Ebenso möglich ist eine bezahlte Freistellung – das Arbeitsverhältnis bleibt zunächst bestehen und der Arbeitnehmer erhält Lohnfortzahlung, ohne arbeiten zu müssen. Oft werden auch noch andere Themen abschließend geklärt, wie etwa das Arbeitszeugnis, das wichtig ist für den anstehenden Bewerbungsprozess.
Rechtsanwalt J. Lange erläutert: „Die Vergleichsquote ist bei Kündigungsschutzklagen sehr hoch.“ Schließlich belaste ein Gerichtsverfahren das Arbeitsverhältnis. Es hätten deshalb regelmäßig beide Seiten ein Interesse daran, sich gütlich zu einigen.
In manchen Fällen beschließen Arbeitnehmer und Chef, es doch noch einmal miteinander zu versuchen. Eine verhaltensbedingte Kündigung wird dann unter Umständen in eine Abmahnung umgewandelt oder einfach zurückgenommen.
Klage gegen Kündigung möglich, wenn selbst gekündigt wurde?
Eine Kündigungsschutzklage kann auch sinnvoll und erfolgreich sein, wenn der Mitarbeiter bereits selbst gekündigt hat. Einen solchen Fall hatte das Arbeitsgericht Siegburg auf dem Tisch, wie die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des DAV mitteilt. Der Beschäftigte kündigte im Januar zum 15. April desselben Jahres. Sein Arbeitgeber kündigte ihm daraufhin seinerseits das Arbeitsverhältnis bereits zum 28. Februar wegen des Abkehrwillens des Mitarbeiters. Außerdem wollte er die Stelle schnell mit einer Kollegin des Mannes besetzen.
Der Mann klagte gegen die Kündigung und machte Entgeltfortzahlungsansprüche geltend. Das Gericht gab ihm Recht: Die Kündigung sei unwirksam. Der Arbeitgeber sei nämlich nicht darauf angewiesen, die Stelle des Mitarbeiters durch Suche eines schwierig zu findenden Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt neu zu besetzen, sondern habe auf eine Mitarbeiterin zurückgreifen können (Urteil vom 17. Juli 2019, AZ: 3 Ca 500/19).
Wissenswert: Klage gegen Kündigungsfrist
Möchte ein Arbeitnehmer nicht gegen die Kündigung selbst, sondern nur gegen die Kündigungsfrist klagen, empfiehlt es sich, dabei auch die Drei-Wochen-Frist zu beachten. Nur wenn sich aus der Kündigung ergibt, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in jedem Falle – ggf. auch erst zu dem späteren Termin – beabsichtigt ist, kann auch später Klage erhoben werden. In einem solchen Fall klagte die Arbeitnehmerin im März eines Jahres gegen die Kündigung im September des Vorjahres. Die Kündigung der Arbeitnehmerin war in der Probezeit mit Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Wochen erfolgt. Allerdings war der Zeitpunkt, bei dem die Kündigung wirksam wurde, falsch berechnet.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab der Frau recht (Urteil vom 15. September 2016, AZ: 5 Sa 1199/16). Hier war die Frist tatsächlich falsch. Die Kündigung der Arbeitnehmerin wurde nicht – wie vom Arbeitgeber angegeben – zum 30. September, sondern zum 6. Oktober wirksam.
Eine Kündigung stellt viele Menschen vor neue Herausforderungen – gut, dass Anwältinnen und Anwälte dabei helfen, Ihre Rechte durchzusetzen, um bestmöglich nach vorne zu blicken.
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- Datum
- Aktualisiert am
- 01.11.2022
- Autor
- red/dav