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- Seite 1 – Widerrufsrecht bei Verträgen am Telefon: Was gilt?
- Seite 2 – Im Streitfall: Beweislast liegt beim Verkäufer
- Seite 3 – So sollten sich Verbraucher bei Verträgen am Telefon verhalten
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Verträge schließt jeder Mensch permanent ab: beim Kauf von Lebensmitteln oder beim Entwerten eines Bus-Fahrscheins etwa. Dafür müssen die Vertragsgegenstände weder schriftlich aufgeführt, noch eine Unterschrift darunter gesetzt werden. Auch wer eine nichtunterschriebene Rechnung erhält, kann dagegen nichts tun: Sie ist gültig.
Für einen gültigen Vertrag ist entscheidend, dass sich die zwei Vertragspartner darüber einig sind, welche Leistung für welche Gegenleistung erbracht werden soll. Demnach ist ein mündlich und am Telefon geschlossener Vertrag, etwa über einen Mobilfunkvertrag, genau so gültig wie ein im Handy-Shop unterschriebener. Es herrscht Vertragsfreiheit.
Doch gelten besondere Regeln für den Verkauf am Telefon bzw. für Verbraucherverträge, wie Jürgen Widder erklärt. Der Rechtsanwalt ist Vorsitzender im Landesverband Nordrhein-Westfahlen des Deutschen Anwaltvereins (DAV) und erklärt: „Das Widerrufsrecht bei am Telefon abgeschlossenen Verträgen beträgt 14 Tage.“ Diese Frist gelte ab dem Moment, wo die Belehrung schriftlich beim Verbrauchen eingeht – und sie müsse eingehen, andernfalls ist die mündlich geschlossene Vereinbarung nicht gültig. „Der Kunde ist also in einer entspannten Situation: ohne ordnungsgemäße Belehrung keine Ingangsetzung der Frist“, sagt Rechtsanwalt Jürgen Widder.
Sollte der Kunde die Frist aber verstreichen lassen, wird es schwierig, sich aus dem mündlich vereinbarten Vertrag herauszuwinden. So genannte Wiedereinsetzungsmöglichkeiten sind bei Fristversäumnissen grundsätzlich nur in den gesetzlich geregelten Fällen möglich. Solche Regeln gibt es u.a. im Zivilprozess oder in der Abgabenordnung. In Widerrufsfällen eines mündlich geschlossenen Vertrags ist eine Wiedereinsetzung nicht vorgesehen. Allerdings hat der Kunde ja hier auch den Vorteil, dass er etwas bestellt hat. Er kann also selber steuern. Das ist der Unterschied zu einer Klage oder einem behördlichem Bescheid.
Im Falle eines (Rechts-)Streits um die vereinbarten Vertragsinhalte, ist die Beweisführung kompliziert. Zwar können Gespräche aufgezeichnet werden, dies aber nur mit Einverständnis des Angerufenen – „und wenn er diese nicht erteilt hat, ist ein solcher unrechtmäßiger Mitschnitt als Beweismittel auch nicht verwendbar“, sagt Rechtsanwalt Widder. Und auch wenn ein Mithörer ohne Kenntnis des Vertragspartners das Telefongespräch belausche, komme er als Zeuge nicht in Betracht, so Widder. „Unzulässige Methoden können nicht zulässige Beweismittel schaffen.“
Sollte Aussage gegen Aussage stehen und es keinerlei Beweise für das Zustandekommen des Vertrags geben (wie eben eines genehmigten Mitschnitts oder einer Widerrufsbelehrung, der die Vertragsinhalte zusammenfasst und dem nicht widersprochen wurde), hat der Verbraucher gute Aussichten, dass er einen möglichen Rechtsstreit gewinnt. Denn die Beweislast liegt in solchen Fällen beim Verkäufer.
Noch immer kommt es zu unaufgeforderten Anrufen in Deutschland. So genannte „Kalte Werbeanrufe“ sind seit 2009 verboten und können nach einem damals verabschiedeten Gesetz mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Sie sind nur dann erlaubt, wenn der Angerufene zuvor ausdrücklich erklärt hat, dass er Anrufe dieser Art erhalten möchte.
Ansonsten aber sind sie verboten, doch kommen unerlaubte Werbeanrufe noch immer vor. Was passiert aber, wenn man bei einem solchen eigentlich unerlaubten Anruf einen Vertrag eingeht? „Gegen diese ‚cold calls’ gibt es viele Möglichkeiten der Gegenwehr“, sagt Jürgen Widder. Der Verbraucher könne sich mit Unterlassungsansprüchen ebenso wehren, wie er sich an die Bundesnetzagentur wenden könne. „Trotzdem ist ein so zustande gekommener Vertrag nicht automatisch nichtig. Hier hilft im Zweifel nur der Widerruf“, so Rechtsanwalt Widder.
Die Vertragsfreiheit gilt gleichwohl nicht in jeder Angelegenheit. Sehr wohl braucht es bei bestimmten Geschäften ein schriftliches und unterschriebenes Dokument. Hierzu zählen Mietverträge von Wohnungen, die länger als ein Jahr laufen sollen. Und auch bei Bürgschaftserklärungen, Abzahlungsgeschäften, Testamenten oder Schuldanerkenntnissen müssen beide Parteien ein Papier unterzeichnen.
Wurde ein Vertrag telefonisch zwischen Unternehmen und Verbraucher geschlossen, müssen Unternehmen den Vertrag zusätzlich in Textform an den Verbraucher übermitteln.
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