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Strafprozess

Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht: Was ist das und wer kann es nutzen?

© www.istockphoto.com/Semen Salivanchuk

Wir leben in Deutschland in einem Rechtsstaat: Niemand muss dabei mithelfen, dass ein Gericht ihn selbst oder einen nahen Angehörigen wegen einer Straftat verurteilt. Das regelt das Strafrecht mit dem sogenannten Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht und dem Aussage­ver­wei­ge­rungsrecht. Das Rechts­portal anwalt­auskunft.de erklärt, was das genau bedeutet und für wen es gilt.

Zeugen in einem Strafprozess müssen die Wahrheit sagen. Andernfalls droht ihnen selbst eine Strafe. In manchen Fällen kommen sie allerdings um eine Aussage herum – manche wegen ihres Berufs, andere wegen ihrer Famili­en­ver­hältnisse.

Was ist ein Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht?

Vereinfacht gesagt ist es das Recht, in einer Gerichts­ver­handlung keine Zeugen­aussage zu machen, obwohl man eigentlich eine machen müsste. „Wer eine Straftat beobachtet hat oder etwas darüber weiß, muss normalerweise vor Gericht aussagen“, erklärt Rechts­anwalt Dr. Dirk Lammer. Der Strafver­teidiger ist Vorsit­zender des Geschäfts­füh­renden Ausschusses der Arbeits­ge­mein­schaft Strafrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV).

Diese Pflicht regelt § 48 des Strafge­setzbuchs (StGB). Sie besteht demnach, solange das Gesetz keine Ausnahme erlaubt. Das Recht zur Zeugnis­ver­wei­gerung ist eine solche Ausnahme. Es ist in der Strafpro­zess­ordnung (StPO) beschrieben. Wer es hat, muss während des ganzen Prozesses nicht aussagen und braucht dies nicht zu begründen. Fragt der Richter bei der Vernehmung, ob man eine Aussage machen will, muss man lediglich mit Nein antworten.

Ein Beschul­digter kann immer, ohne Ausnahme, die Aussage verweigern. Er oder sie muss sich nicht selbst belasten.

Übrigens: Ein Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht hat nichts mit einem Schulzeugnis zu tun. Egal, wie die Noten sind – am Ende eines Halb- oder Schuljahres dürfen Schüler dieses Zeugnis nicht verweigern.

Wer darf die Aussage verweigern?

Es gibt zwei Arten des Zeugnis­ver­wei­ge­rungs­rechts: aus persön­lichen Gründen und aus beruflichen Gründen. Man spricht dann auch von einem beruflichen oder persön­lichen Nähever­hältnis.

52 StGB beschäftigt sich mit den persön­lichen Gründen. Demnach müssen jene Personen nicht aussagen, die mit dem Angeklagten verlobt oder verheiratet sind oder waren, mit ihm in einer eingetragenen Lebens­part­ner­schaft leben, mit ihm oder ihr verschwägert oder verwandt sind. Verwandte müssen allerdings in gerader Linie verwandt sein, damit sie um eine Aussage herumkommen. Das bedeutet: Es muss niemand gegen seine Eltern, Großeltern, Kinder, Enkelkinder, Geschwister, seinen Onkel oder seine Tante aussagen.

„Vom Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht aus beruflichen Gründen können Anwältinnen und Anwälte, Ärzte, Steuer­berater und Geistliche Gebrauch machen“, sagt der Berliner Strafver­teidiger. Manche spreche zum Beispiel vom Beicht­ge­heimnis, dem Anwalts­ge­heimnis oder der ärztlichen Schwei­ge­pflicht. Sie müssen nicht aussagen, wenn es um Mandanten, Patienten oder „Schäfchen“ von ihnen geht. Auch Mitarbeiter einer Schwan­ger­schafts­be­ra­tungs­stelle und Journa­listen haben ein Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht.

Wann müssen diese Personen trotzdem aussagen?

Ein Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht aus persön­lichen Gründen bleibt lebenslang bestehen: Wer eines hat, hat es immer. Man muss beispielsweise auch nicht gegen seine Ex-Frau oder seinen Ex-Mann aussagen. Rechts­anwälte, Geistliche oder Ärzte können allerdings von ihrer Schwei­ge­pflicht entbunden werden. Dann müssen sie vor Gericht eine Zeugen­aussage machen.

Was ist ein Auskunfts­ver­wei­ge­rungsrecht?

Beim Auskunfts­ver­wei­ge­rungsrecht nach § 55 StPO muss man bei der Vernehmung vor Gericht nur auf bestimmte Fragen nicht antworten. Und zwar dann, wenn man sich selbst oder einen Angehörigen, bei dem man auch komplett die Aussage verweigern dürfte, mit der Antwort belasten würde. Sind praktisch keine Fragen denkbar, bei deren Beantwortung nicht die Gefahr der Selbst­be­lastung oder der Belastung eines Angehörigen besteht, zum Beispiel wenn gegen den Zeugen in einem anderen Verfahren selbst wegen der Tat ermittelt wird, kann aus einem Auskunfts­ver­wei­ge­rungsrecht ein umfassendes Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht werden.

Können auch Kinder ein Recht zur Zeugnis­ver­wei­gerung haben?

Rechts­anwalt Lammer sagt: „Auch Kinder haben, wenn sie Angehörige sind, ein Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht.“ Bei ihnen müssten die Eltern beziehungsweise die Erziehungs­be­rech­tigten entscheiden, ob die Kinder aussagen oder nicht. Es kann allerdings vorkommen, dass die Eltern befangen sind, etwa wenn es um Missbrauch in der Familie geht. „Dann bekommen die Kinder einen Verfah­rens­beistand, der nur für diesen Fall mit den und für die Kinder entscheidet“, sagt der Strafver­teidiger. Selbst Kinder unter drei Jahren können als Zeugen gehört werden. Allerdings sind deren Aussagen wegen der noch unzureichend ausgebildeten Fähigkeit, Sachverhalte zutreffend zu erfassen und wieder­zugeben, äußerst zurück­haltend zu bewerten. Hier gehe man davon aus, so Lammer, dass sie zum Verfahren noch nichts beitragen können.

Wann habe ich ein Zeugnis- oder Auskunfts­ver­wei­ge­rungsrecht?

Wer ein Zeugnis- oder Aussage­ver­wei­ge­rungsrecht hat, kann es nicht nur während des Prozesses nutzen. Bei der Polizei muss man zum Beispiel auch keine Aussage machen, wenn man sich selbst belasten würde. Man muss hier nur Angaben zu seiner Person machen, also den Namen und die Adresse nennen.

Aussage verweigern: So haben die Gerichte entschieden

Wer bei einem Gerichts­ver­fahren die Aussage verweigern kann, ist immer wieder Gegenstand eigener Verfahren. Wir zeigen wichtige Urteile im Überblick.

Ist das Testament gültig? Arzt muss zu Gesund­heits­zustand aussagen

Das Oberlan­des­gericht Köln hatte im Mai 2018 einen Erbschafts­streit auf dem Tisch. Die Frage war, ob die Verstorbene noch testierfähig war, als sie das Testament aufsetzte. Wäre sie das nicht gewesen, wäre das Testament nicht gültig. Die Richter fragten den Arzt der Frau. Dieser berief sich auf seine Schwei­ge­pflicht und verweigerte die Aussage. Die Richter hoben die Schwei­ge­pflicht jedoch auf: Die Verstorbene habe den Arzt zwar nicht von der Schwei­ge­pflicht entbunden. Es sei jedoch in ihrem Interesse, ihre Testier­fä­higkeit und damit die Wirksamkeit des Testamentes zu klären (Beschluss vom 15.05.2018, AZ: 2 Wx 202/18).

Ehefrau sagt nicht gegen Ehegatten aus: Aussage aus anderem Prozess kann verwendet werden

Über das Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht aus persön­lichen Gründen entschied das Oberlan­des­gericht Hamburg. Der Beschuldigte in dem Fall soll versucht haben, seine Frau umzubringen. Die Frau deutete an, dass sie bei der Vernehmung im Prozess die Aussage verweigern wolle. Da sie die einzige Zeugin war, wollte das Landgericht kein Verfahren eröffnen. Die Staats­an­walt­schaft legte dagegen Beschwerde ein. Denn die Frau hatte vor dem Famili­en­gericht bereits ausgesagt, dass ihr Ehegatte sie angegriffen habe. Sie hatte die Aussage gemacht, um Schutz nach dem Gewalt­schutz­gesetz zu erhalten. Demnach kann etwa eine Frau in einem Frauenhaus unterge­bracht oder ein Platzverweis gegen den Mann ausgesprochen werden.

Das Oberlan­des­gericht gab der Staats­an­walt­schaft recht: Die Aussage der Frau könne im Verfahren verwendet werden (Beschluss vom 08.03.2018, AZ: 1 Ws 114/17).

Tochter verweigert Aussage: DNA-Material kann trotzdem beschlagnahmt werden

Dass eine Person ein Recht zur Zeugnis­ver­wei­gerung hat und davon auch Gebrauch macht, bedeutet nicht, dass die Polizei in ihrer Wohnung kein DNA-Material sicher­stellen darf. Das hat der Bundes­ge­richtshof am 1. August 2018 in einem Beschluss entschieden (AZ: 1 BGs 324/18, 2 BJs 631/18-7). Denn ein Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht bedeutet nur, dass man nicht aktiv an der Überführung eines Angehörigen teilnehmen muss. In dem Fall ging es um die Tochter beziehungsweise Stieftochter von zwei Beschul­digten. Ihnen wurde vorgeworfen, eine staats­ge­fährdende Straftat vorbereitet zu haben.

Zeugnis- und Aussage­ver­wei­ge­rungsrecht: Anwältinnen und Anwälte beraten

Sie sind als Zeugin oder Zeuge vorgeladen und nicht sicher, ob sie ihr Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht nutzen sollen? Oder wird Ihnen eine Straftat vorgeworfen und Sie brauchen anwaltliche Vertretung? Wenden Sie sich an Rechts­an­wäl­tinnen und Rechts­anwälte für Strafrecht. Sie können Sie dazu beraten, welche in Ihren persön­lichen Fall die beste Lösung ist.

Datum
Aktualisiert am
27.03.2020
Autor
vhe
Bewertungen
13797
Themen
Anwalt Familie Gericht Straftat Zeugen

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