Auch wenn die auf den Schutz von Arbeitnehmern abgestellten Gesetze nicht immer mit der Berufspraxis in Einklang zu bringen sind: Das Arbeitszeitgesetz und der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst schreiben maximale Arbeitsstunden oder etwa die Ruhezeiten für Arbeitnehmer genau vor. Wer den Eindruck hat, dass sein Arbeitgeber diese Schranken überschreitet, kann sich darauf beziehen:
Was unter Rufbereitschaft zu verstehen ist
Vom Gesetzgeber ist festgelegt, dass ein Arbeitnehmer in seiner Freizeit eigentlich nicht erreichbar sein muss. Lässt sich ein Arbeitnehmer nun freiwillig auf die Rufbereitschaft ein, verpflichtet er sich, trotz rechtlichem Anspruch außerhalb seiner Arbeitszeit auf Abruf verfügbar zu sein.
Maximale Arbeitszeit innerhalb der Rufbereitschaft
Per definitionem und laut Gesetz dürfen Arbeitnehmer in Deutschland grundsätzlich nicht länger als 8 Stunden pro Werktag arbeiten. Arbeitszeiten bis zu 10 Stunden am Tag können aber gestattet sein, wenn der Arbeitgeber im Anschluss für einen Ausgleich sorgt – und zwar innerhalb des kommenden Kalendermonats. Mit einer Genehmigung des jeweiligen Landesgesundheitsamts sind in der ambulanten Pflege zum Beispiel aber auch Arbeitszeiten bis zu 12 Stunden zulässig.
Spezialfall Rufbereitschaft: Nun wird die Rufbereitschaft arbeitsrechtlich solange als Ruhezeit gewertet, bis es zu einem Einsatz kommt. Insofern kann die Rufbereitschaft auch unmittelbar an den Arbeitstag anknüpfen und trotzdem insgesamt nicht die zulässige, maximale Arbeitszeit überschreiten. Als Arbeitszeit würde die Rufbereitschaft nur gewertet, wenn es zu einem Einsatz käme. Die Unterbrechung von der Ruhezeit wäre in einem solchen Fall dann zulässig, wenn sie maximal die Hälfte der Ruhezeit beträgt und der Arbeitgeber für einen Ausgleich des Einsatzes (inklusive Fahrtzeit) sorgen würde.
Ruhezeiten für Arbeitnehmer in der Rufbereitschaft
Nach einem Arbeitstag schreibt der Gesetzgeber in der Regel eine Ruhepause von mindestens 11 Stunden zwischen den Arbeitseinsätzen vor. In Pflegeberufen oder Krankenhäusern ist eine Verkürzung auf 10 Stunden Ruhepause zulässig. Allerdings gilt hier auch wieder das Prinzip: Ausgleich muss sein. Wer in der einen Ruhepause nur 10 Stunden aussetzen durfte, darf die verlorene Stunde bei einer Ruhezeit der darauf folgenden vier Woche draufschlagen und dann 12 Stunden ruhen.
Wer wiederum in der Rufbereitschaft seine Ruhezeit für einen Einsatz unterbricht, hat im Anschluss einen Anspruch darauf, die volle Ruhezeit von 11 Stunden anzuhängen.
Vergütungsregeln für die Rufbereitschaft
Rufbereitschaft ohne Einsatz: Der Arbeitgeber muss die Rufbereitschaft gesondert zur eigentlichen Arbeitszeit vergüten. Denkbar ist zum Beispiel eine Pauschale für die Rufbereitschaft.
Rufbereitschaft mit Einsatz: Wird als Arbeitszeit entgolten. Wer Mehr- oder Nachtarbeit leistet oder an Sonn- und Feiertagen eingesetzt wird, hat darüber hinaus Anspruch auf Zuschläge. Den Lohn für einen Einsatz in der Rufbereitschaft muss der Arbeitgeber übrigens zusätzlich zur Pauschale zahlen.
Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, sich auf eine Rufbereitschaft einzulassen
Die Rufbereitschaft ist grundsätzlich freiwillig. Arbeitnehmer sind nur dann dazu verpflichtet, wenn Sie sich vertraglich an diese Option gebunden haben. Arbeitgeber dürfen im Umkehrschluss frei entscheiden, wen sie unter den Freiwilligen zur Rufbereitschaft heranziehen – solange die Auswahl nicht willkürlich oder diskriminierend geschieht.
Rufbereitschaft, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst – was ist der Unterschied?
Wer Bereitschaftsdienst hat, muss nicht unbedingt am Arbeitsplatz aufhalten, allerdings an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort. Das ist in der Regel direkt am Arbeitsplatz oder in der Nähe. Arbeitnehmer in Bereitschaftsdienst müssen nur arbeiten, wenn sie dazu aufgefordert werden. Andernfalls dürfen sie zum Beispiel auch schlafen. Das betrifft Ärzte, die nachts im Krankenhaus schlafen und sich bei Bedarf um Patienten kümmern. Bereitschaftsdienst gilt als Arbeitszeit.
Im Gegensatz dazu müssen Arbeitnehmer in Arbeitsbereitschaft aufmerksam und wach sein, um bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen. Sie müssen am Arbeitsplatz anwesend sein und auch ohne Aufforderung tätig werden. In Arbeitsbereitschaft ist zum Beispiel ein Rettungssanitäter zwischen zwei Einsätzen oder ein Fernfahrer beim Be- und Entladen des Lkw.
Nur acht Minuten bis zum Einsatz: EuGH geht von Arbeitszeit aus
Müssen die Arbeitnehmer dabei innerhalb kürzester Zeit für die Arbeit zur Verfügung stehen, zählt die Zeit als Arbeitszeit. Das hat der Europäische Gerichtshof kürzlich entschieden (Urteil vom 21. Februar 2018, AZ: C-518/15). Geklagt hatte ein Reservefeuerwehrmann aus Belgien. Er hatte jeden Monat eine Woche lang Bereitschaft. Während dieser Zeit musste er sich bereithalten, um im Notfall innerhalb von acht Minuten auf der Feuerwache erscheinen zu können. Er wohnte in der Nähe der Feuerwache und musste sich in seinen Bereitschaftszeiten dort aufhalten. Bezahlt wurde er allerdings nur für tatsächliche Einsätze. Dagegen klagte er.
Der EuGH entschied zu seinen Gunsten. Dass er in so kurzer Zeit einsatzbereit sein und sich während der Bereitschaft in der Nähe der Woche aufhalten musste, schränke seine Freizeitgestaltung erheblich ein. Die sogenannte passive Rufbereitschaft, für die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vorgibt, wo er sich aufhalten muss und wie schnell er am Arbeitsplatz sein muss, gelte als Arbeitszeit im Sinne der EU-Arbeitszeit-Richtlinie, zumindest in diesem Fall. Ob und wie viel Geld der Feuerwehrmann nun erhält, hat der EuGH allerdings nicht geklärt. Das ist Sache des Mitgliedsstaats, in diesem Fall Belgien.
Urteil in NRW: Feuerwehrmann erhält keinen Freizeitausgleich für Rufbereitschaft
Ein Feuerwehrmann aus Rheine berief sich auf das obige Urteil des EuGH. Er wollte erstreiten, dass sein Bereitschaftszeit als volle Arbeitszeit angerechnet wird. Er forderte von der Stadt Rheine ca. 5.600 Stunden Freizeitausgleich oder eine alternative Zahlung von 10.000 Euro. Seine Klage scheiterte allerdings vor dem Verwaltungsgericht Münster.
Die Entscheidung begründete das Gericht folgendermaßen: Dem Beamten sei während seiner Bereitschaftszeit nicht vorgeschrieben worden war, wo er sich aufzuhalten habe. Außerdem habe er seinen Dienstwagen auch privat nutzen dürfen.
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- Datum
- Aktualisiert am
- 08.06.2018
- Autor
- kgl