Schon vor der Covid-19-Pandemie arbeiteten viele Arbeitnehmer in Deutschland teilweise oder komplett am Schreibtisch daheim. Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge waren es rund 12 Prozent aller Erwerbstätigen. Mit Beginn der Pandemie schnellte diese Zahl schlagartig in die Höhe. Viele Beschäftigte zogen von einem Tag auf den anderen ins Heimbüro und arbeiten dort vielfach mit ihrer privaten Technik.
Homeoffice versus mobiles Arbeiten: Was ist der Unterschied?
Wichtig ist zunächst: Man muss zwischen Homeoffice und mobilem Arbeiten unterscheiden. „Bei einem echten Homeoffice richtet der Arbeitgeber das Büro zuhause mit ein“, erklärt Rechtanwältin Dr. Doris-Maria Schuster vom Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Wenn Beschäftigte ihren Laptop mit nachhause nehmen oder vorübergehend vom heimischen Computer aus arbeiten, gelte das als mobiles Arbeiten.
Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Homeoffice?
„Einen Anspruch auf Homeoffice hat ein Arbeitnehmer nicht“, erklärt der Rechtsanwalt Michael Eckert von der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV. Solange sie nicht offiziell unter Quarantäne stehen, müssen Beschäftigte am Arbeitsplatz erscheinen. Ob dieser Arbeitsplatz das Büro sein muss, hängt davon ab, was mit dem Chef ausgemacht ist.
Grundsätzlich gilt: Wer seine Aufgaben lieber zu Hause statt im Unternehmen erledigen möchte, muss er das mit seinem Chef aushandeln. Stimmt der Chef dem Homeoffice zu, sollten der Arbeitnehmer und sein Arbeitgeber alle wichtigen Fragen entweder im Arbeitsvertrag oder in einer Homeoffice-Vereinbarung regeln. Dabei legen die beiden Parteien zum Beispiel fest, welche Aufgaben der Mitarbeiter zu Hause erledigt, in welchem Stundenumfang er dies tut oder wann sie oder er in die Firma kommen muss, um etwa an Meetings teilzunehmen.
Bei einer Quarantäne, die vom Gesundheitsamt angeordnet ist, ist das natürlich etwas anderes. Beschäftigte müssen dann nur arbeiten, wenn es von zuhause aus möglich ist und sie ihre Arbeitsmaterialien dabei haben. Wer krank ist, muss sich krank melden und braucht dann selbstverständlich nicht zu arbeiten.
Pandemie-Zeiten: Kann der Arbeitgeber seine Mitarbeiter zum mobilen Arbeiten zwingen?
In der Regel ist das nicht so einfach möglich – der Arbeitgeber muss sich auch daran halten, ob Heimarbeit vereinbart ist. In Pandemie-Zeiten kann das aber anders sein. Rechtsanwältin Schuster: „Der Arbeitgeber kann anordnen, dass Mitarbeiter von zuhause aus arbeiten.“ Das gelte aber nur, wenn die Beschäftigten problemlos am heimischen Schreibtisch tätig werden können. Heimarbeit anzuordnen kann beispielsweise sinnvoll sein, wenn ein Mitarbeiter von einer Reise in ein Risikogebiet zurückkommt, aber nicht krank ist. Um die Kollegen zu schützen kann der Arbeitgeber anordnen, dass der Mitarbeiter vorübergehend von zuhause aus arbeitet.
Dass ein Arbeitgeber in „gesunden Zeiten“ seinen Mitarbeitern nicht einfach an den Heimschreibtisch schicken kann, zeigt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg aus dem Herbst 2018 entscheiden: Dort hatte ein Mann geklagt, der bei seinem Arbeitgeber als Ingenieur beschäftigt war. Regelungen zu einer Änderung des Arbeitsortes enthielt sein Arbeitsvertrag nicht. Nachdem ein Betrieb des Unternehmens geschlossen wurde, bot der Arbeitgeber dem Ingenieur an, seine Arbeit in Zukunft von Zuhause aus zu erledigen. Der Mann war dazu aber nicht bereit. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos und begründete dies mit beharrlicher Arbeitsverweigerung.
Das Gericht urteilte: Die Kündigung ist unwirksam. Der Ingenieur sei arbeitsvertraglich nicht dazu verpflichtet, die ihm angebotene Heimarbeit auszuführen. Die Umstände im Homeoffice unterscheiden sich erheblich von denen in der Betriebsstätte, so das LAG. Auch wenn viele Arbeitnehmer am Arbeiten im Homeoffice interessiert seien, bedeute das nicht, dass Arbeitgeber dies auch anordnen dürfen (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Az. 17 Sa 562/18).
Beteiligt sich Chef an Kosten des Homeoffice?
Wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Homeoffice-Situation festlegen, regeln sie auch, ob der Mitarbeiter zum Beispiel seinen eigenen Schreibtisch und Rechner für die Heimarbeit nutzt oder die Ausstattung von der Firma gestellt bekommt. Darüber hinaus sollten die Parteien vereinbaren, in welcher Höhe sich der Chef an den Kosten für das heimische Büro beteiligt, zum Beispiel an den Mietkosten. „Meistens zahlt der Chef dem Arbeitnehmer eine monatliche Pauschale, die alle Kosten abdeckt“, sagt der Arbeitsrechtsexperte Michael Eckert. „Dabei handelt es sich in der Regel um einen Auslagenersatz.“
Improvisiertes Homeoffice: Muss der Chef für Strom und Laptop zahlen?
Mit Ausbruch der Pandemie blieb vielfach keine Zeit für Regelungen. Viele Beschäftigte arbeiten zuhause an ihrem privaten Computer und telefonieren mit ihrem eigenen Smartphone. „Arbeitnehmer haben Anspruch auf Ersatz derjenigen Aufwendungen, die sie im Interesse des Arbeitgebers erbracht haben“, erklärt Rechtsanwältin Dr. Nathalie Oberthür vom Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht. Darunter fielen etwa Stromkosten und Arbeitsmaterial.
Dabei ist entscheidend, dass Arbeitnehmer die höheren Kosten belegen können. Ein gesteigerter Stromverbrauch wird sich vermutlich leichter nachweisen lassen als etwa ein erhöhter Verschleiß von Geräten. „Der Arbeitgeber muss hingegen nicht für Kosten aufkommen, die den Arbeitnehmern ohnehin entstanden wären, etwa für eine WLAN-Flatrate“, fügt Rechtsanwältin Oberthür hinzu.
Homeoffice: Ist ein Unfall beim Arbeiten zuhause ein Arbeitsunfall?
Wer sich im Homeoffice vor einer Ansteckung mit dem Virus schützen möchte, ist vor einem Unfall natürlich nicht gefeit. Wenn man am Arbeitsplatz, auf dem Weg dorthin oder von dort nachhause verunglückt, gilt das als Arbeits- oder Wegeunfall. Dann springt die Berufsgenossenschaft ein.
„Ein Unfall im Homeoffice oder während des mobilen Arbeitens gilt in der Regel auch als Arbeitsunfall, wenn er bei der Erledigung der geschuldeten Arbeit passiert“, sagt Rechtsanwältin Schuster. Od das im Einzelfall so ist, darüber entscheiden die Gerichte. So wie das Bundessozialgericht im Juli 2016: Eine Frau, die im Homeoffice arbeitete, wollte sich Wasser holen und stürzte unterwegs auf der Treppe. Den Richtern nach handelte es sich hierbei nicht um einen Arbeitsunfall (Urteil vom 5. Juli 2016, AZ: B 2 U 5/15 R), wie die Nahrungsaufnahme nicht zur vertraglich geschuldeten Arbeit gehörte.
Ein echtes Homeoffice muss der Arbeitgeber zwar mit einrichten und dabei auch auf Arbeitssicherheit achten. Wie das Büro letztlich aussieht, darf er aber nicht kontrollieren. Schließlich dürfen eine Chefin oder ein Chef die Wohnungen ihrer Mitarbeiter nicht ohne weiteres betreten. „Zu Hause hat der Arbeitgeber überhaupt keine Einflussmöglichkeit. Deshalb muss der Arbeitnehmer zum Beispiel selbst dafür sorgen, seinen Monitor so aufzustellen, dass die Sonne ihn nicht anstrahlt und den Augen schadet“, erklärt Eckert.
Wie muss ich meine Arbeitszeit erfassen, wenn ich von zuhause aus arbeite?
Im Homeoffice gelten die gleichen Arbeitszeiten wie im Büro. Die Arbeitszeit muss auch erfasst werden, soweit das möglich ist. Technische Möglichkeiten sind dazu aber nicht immer vorhanden. „In solchen Fällen kann der Arbeitgeber zum Beispiel sagen: Melden Sie sich, wenn Sie am Schreibtisch sitzen“, erklärt Rechtsanwältin Schuster.
Ist es nicht möglich, die Arbeitszeit im Homeoffice zu erfassen, muss der Arbeitgeber seinen Angestellten schlicht vertrauen.
Der Mitarbeiter wiederum muss darauf achten, seine Arbeit in der besprochenen Zeit zu schaffen. „Er ist dafür verantwortlich, das Arbeitszeitgesetz einzuhalten“, betont Rechtsanwalt Eckert. Deshalb muss ein Arbeitnehmer, der gern in Heimarbeit tätig sein will, auch über besondere Fähigkeiten verfügen. Eine gute Selbstorganisation gehört unbedingt dazu.
- Datum
- Aktualisiert am
- 02.04.2020
- Autor
- ime/vhe