Die Kündigung eines Arbeitnehmers ohne Abmahnung ist auch nach langjähriger Beschäftigung möglich, auch fristlos. Es kommt darauf an, ob es dem Arbeitgeber noch zumutbar ist, den Mitarbeiter weiter zu beschäftigten.
Beleidigt ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber als „soziales Arschloch“, kann er auch nach 23 Jahren Zugehörigkeit zum Betrieb ohne vorherige Abmahnung außerordentlich gekündigt werden. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 24. Januar 2017 (AZ: 3 Sa 244/16). In dem Fall kam hinzu, dass es sich um einen kleinen Familienbetrieb handelte. Hier sind die Grenzen der Zumutbarkeit geringer, so die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Kleinbetrieb: außerordentliche Kündigung nach grober Beleidigung des Arbeitgebers
Der 62 Jahre alte Mann war bei einem kleinen Handwerksbetrieb für Gas- und Wasserinstallationen beschäftigt. Neben den Geschäftsführern sind dort noch deren Mutter im Büro sowie drei Gesellen tätig.
Im Februar 2016 kam es zu einem Wortwechsel zwischen dem Mann und dem Vater der Geschäftsführer. Dieser hatte den Betrieb früher geführt. Ob dieser auf eine Frage etwas sarkastisch reagiert hatte, blieb unklar. Der Arbeitnehmer verließ grußlos den Raum. Dabei hörte er, wie ein Geschäftsführer das sinngemäß mit den Worten kommentierte: "Kinderkram/Sind wir hier im Kindergarten?"
Am nächsten Morgen kehrte der Arbeitnehmer ins Büro zurück. Er äußerte in einem gereizten Wortwechsel mit den Geschäftsführern, dass einer der Geschäftsführer gerne den Chef raushängen lasse. Auch habe sich dessen Vater ihm gegenüber wie ein „Arsch“ benommen. Und er sei auf dem besten Wege, seinem Vater den Rang abzulaufen. Auf die Worte des Klägers: „Dann kündigt mich doch", erwiderte der Geschäftsführer: „Damit wir dann als soziale Arschlöcher dastehen." Der Kläger gab zur Antwort, dass die Firma das sowieso schon sei.
An dem Tag arbeitete der Mann zunächst noch weiter, wurde aber abends für drei Tage von der Arbeit freigestellt. Als er sich auch dann noch nicht entschuldigt hatte, kündigte der Arbeitgeber fristlos, hilfsweise ordentlich. Der Kläger wandte sich mit seiner Kündigungsschutzklage gegen diese Kündigung. Er berief sich auf seine Meinungsfreiheit. Auch habe er aus einem Affekt heraus und auf Provokation des Geschäftsführers sowie dessen Vater gehandelt.
Gericht: Arbeitgeber darf bei Beleidigung ohne Abmahnung kündigen
Die Klage scheiterte in zwei Instanzen. Der Familienbetrieb muss den Arbeitnehmer nicht weiter beschäftigen. In einem Kündigungsschutzprozess kommt es auch für Arbeitgeber darauf an, sich mit anwaltlicher Hilfe gegen unberechtigte Klagen erfolgreich zu wehren.
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Arbeitsrecht finden auch Arbeitgeber in der Anwaltssuche auf dieser Website. Die gegen das Urteil des Arbeitsgerichts eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht in Kiel zurück.
Bei groben Beleidigungen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, könne sich ein Arbeitnehmer nicht auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung berufen. Auch seien die Äußerungen des Geschäftsführers und des Vaters keine Provokationen, die die Beleidigung rechtfertigten. Von besonderem Gewicht sei die 16-stündige Zeitspanne zwischen den beiden Gesprächen. Diese schließe nicht nur eine Affekthandlung aus, sondern lasse auch genug Raum für eine Entschuldigung.
Beleidigung des Arbeitgebers: Muss Chef vor der Kündigung abmahnen?
Eine vorherige Abmahnung sei gerade wegen der fehlenden Entschuldigung nicht notwendig gewesen. Selbst in der Berufungsverhandlung habe es dem Mann an der Einsicht gefehlt, dass er sich gegenüber dem Arbeitgeber falsch verhalten habe. Auch sei es einem kleinen Familienbetrieb nicht zuzumuten, das über 23 Jahre andauernde Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (30. September 2016) fortzusetzen.
- Datum
- Aktualisiert am
- 01.09.2017
- Autor
- red