
Fristlose Kündigung nur aus wichtigen Gründen erlaubt
Eine fristlose Kündigung ist für Beschäftigte ein Schock: Von einem Tag auf den anderen ist man arbeitslos, bekommt kein Gehalt und ist beim Arbeitsamt gesperrt. Aber auch Beschäftigte können fristlos kündigen.
Ein Arbeitgeber oder Arbeitnehmer darf nur fristlos kündigen, wenn er:
- Einen wichtigen Grund für die Kündigung hat, die objektiv gesehen ein Problem darstellt
- Er nachweisen kann, dass der Chef beziehungsweise Mitarbeiter eine schwere Pflichtverletzung begangen hat
- Wenn er alle Interesse gegeneinander abgewogen hat und es keine Alternative gibt
- Wenn es ihm nicht zumutbar ist, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist mit dem Mitarbeiter beziehungsweise dem Chef zusammen zu arbeiten.
Was ist der Unterschied zwischen einer außerordentlichen und einer fristlosen Kündigung?
Eine außerordentliche Kündigung ist ebenfalls eine Kündigung aus wichtigem Grund. Sie kann fristlos sein, muss aber nicht. Der Arbeitgeber kann dem Beschäftigten eine Frist gewähren, die seiner Kündigungsfrist entspricht. Eine Fristlose Kündigung ist also immer eine außerordentliche Kündigung, aber nicht umgekehrt.
Fristlose Kündigung: Was sagen die Gerichte?
Fristlose Kündigungen beschäftigten immer wieder die Gerichte. Anwaltauskunft.de zeigt Ihnen auf den folgenden Seiten wichtige Urteile für Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Überblick.
Fristlose Kündigung unwirksam – ordentliche Kündigung notwendig?
Immer wieder kommt es vor, dass eine fristlose Kündigung unwirksam ist. Sie kann dann aber unter Umständen in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Kommt in der Kündigung ausreichend zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber sich unbedingt von seinem Mitarbeiter trennen will, muss er keine zusätzliche ordentliche Kündigung aussprechen. Das hat das Arbeitsgericht Siegburg am 14. April 2016 entschieden (AZ: 5 Ca 2595/15).
In dem Fall erhielt ein Arbeitnehmer eine Kündigung „mit sofortiger Wirkung“. Das Gericht hielt sie für unwirksam, weil der Arbeitgeber keine ausreichenden Gründe dafür hatte. Allerdings hat es die fristlose in eine sogenannte ordentliche Kündigung, also mit Frist, umgedeutet.
Wegen der Formulierung in der Kündigung „mit sofortiger Wirkung“ kam es zu dem Schluss: „Ein Arbeitnehmer kann dann nicht ernsthaft annehmen, dass sein Arbeitgeber ihn nicht auch ordentlich kündigen möchte, wenn die ausgesprochene fristlose Kündigung unwirksam sein sollte.“
Arbeitnehmer plant Sprengstoffattentat: Keine fristlose Kündigung
Eine fristlose Kündigung kann selbst dann unwirksam sein, wenn der Arbeitnehmer sich strafbar gemacht hat. In dem von der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des DAV mitgeteilten Fall war der Arbeitnehmer seit über 20 Jahren bei einem Chemieunternehmen tätig. Seine Aufgabe war die Herstellung und Prüfung von Silikonprüfplatten. Im August 2016 fand die Polizei in seiner Wohnung anderthalb Kilo gefährlicher chemischer Stoffmischungen und ein Kilo eines Betäubungsmittels. Der Arbeitnehmer wurde wegen eines versuchten Sprengstoffvergehens aus dem April 2016 verurteilt.
Als sein Arbeitgeber davon erfuhr, kündigte er dem Mitarbeiter nach einer Anhörung fristlos und nachfolgend ordentlich zum Jahresende 2017. Gegen die fristlose Kündigung wehrte sich der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage. Diese hatte in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf Erfolg (Entscheidung vom 12. April 2018; AZ: 11 Sa 319/17).
Das Gericht wies darauf hin, dass auch außerdienstliches Verhalten unter Umständen eine fristlose Kündigung rechtfertigen könne. Dabei seien unter anderem Kriterien wie Art und Schwere des Delikts und die Stellung im Betrieb heranzuziehen. Im vorliegenden Fall seien jedoch die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung des Arbeitnehmers nicht gegeben.
Die Richter führten aus, dass dem Arbeitnehmer aufgrund seiner
- Arbeitsaufgabe, bei der er keine gefährlichen Chemikalien benutzt habe,
- seiner Stellung im Betrieb
- und seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit
nicht fristlos gekündigt werden könne.
Über die fristgerechte Kündigung hatten die Richter nicht zu entscheiden.
Krankes Kind zur Arbeit mitgenommen – kein Grund zur fristlosen Kündigung
Eine Altenpflegefachkraft befand sich noch in der Probezeit bei ihrem Arbeitgeber. Während der Arbeit erkrankten ihre Kinder, der Kinderarzt stellte fest: die Kinder müssen betreut werden. Die Pflegerin ging daraufhin weiter zur Arbeit und nahm ihre Kinder zeitweise mit zur Arbeit. Der Mitarbeiterin wurde daraufhin fristlos gekündigt. Zur Begründung verwies der Arbeitgeber unter anderem darauf, es sei ihr verboten gewesen sei, ihre Kinder mit zur Arbeit zu nehmen.
Die Frau erhob Kündigungsschutzklage gegen die fristlose Kündigung. Sie wollte erreichen, dass der Arbeitgeber die gesetzliche Kündigungsfrist von zwei Wochen während der Probezeit einhalten muss.
Das Arbeitsgericht Siegburg entschied: die fristlose Kündigung war nicht gerechtfertigt. Zwar hat die Arbeitnehmerin ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, weil sie ihre kranken und betreuungsbedürftigen Kinder mit zur Arbeit brachte. Damit hat sie gegen das ausdrückliche Verbot verstoßen. Die Pflichtverletzung ist auch aus versicherungsrechtlichen Gründen relevant. Außerdem hätte sie durch ihr Verhalten die Ansteckungsgefahr für die älteren Patienten erhöht, mit denen sie in Kontakt kam. Aber keiner dieser Gründe rechtfertigt eine fristlose Kündigung. Grundsätzlich sei in einem solchen Fall eine Abmahnung ausreichend. Das Arbeitsverhältnis der Frau endet nicht fristlos, sondern erst mit Ablauf der zweiwöchigen Kündigungsfrist in der Probezeit (Arbeitsgericht Siegburg, AZ. 3 Ca 642/1).
Arzthelferin verstößt gegen Schweigepflicht – fristlose Kündigung
Gibt eine Arzthelferin vertrauliche Daten von Patienten unbefugt nach außen, ist das ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 11. November 2016 (AZ: 12 Sa 22/16).
Datenblatt abfotografiert und per Whatsapp verschickt
Die Arzthelferin arbeitete in einer radiologischen Praxis. Im Arbeitsvertrag war geregelt, dass die Arbeitnehmer verpflichtet sind, alle Vorgänge und die Namen aller Patienten geheim zu halten. Im Oktober 2015 sagte eine Patientin einen vereinbarten Untersuchungstermin ab. Die Frau kennt sowohl die Arzthelferin als auch ihre Tochter. Die Arzthelferin fotografierte das elektronisch gespeicherte Terminblatt der Patientin vom Bildschirm und schickte es als WhatsApp-Nachricht an ihre Tochter. Dazu schrieb sie den Kommentar „Mal sehen, was die schon wieder hat“.
Schweigepflicht verletzt: Weiterbeschäftigung nicht zumutbar
Der Vater der Patientin rief in der Praxis an. Er beschwerte sich darüber, dass die Tochter der Arzthelferin im Sportverein diese WhatsApp-Nachricht herumgezeigt habe. Der Arzthelferin wurde fristlos gekündigt. Sie klage dagegen - ohne Erfolg.
Die Beachtung der ärztlichen Schweigepflicht sei grundlegend für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, so das Gericht. Es könne der Arztpraxis nicht zugemutet werden, die Frau noch bis zum Ende einer Kündigungsfrist zu beschäftigen.
Beleidigung des Chefs als „Dusselkopf“ – keine fristlose Kündigung
Wer den Chef beleidigt, muss mit Konsequenzen rechnen. Aber nicht jede Beleidigung wiegt schwer genug für eine fristlose Kündigung. Je nach Einzelfall kann auch nur eine Abmahnung angemessen sein.
In dem Fall arbeitete eine Frau seit fast 20 Jahren anstandslos für ihren Arbeitgeber. Aufgrund unrichtiger Angaben im Rahmen einer Fortbildung und der Einreichung der Unterlagen wurde ihr ordentlich gekündigt. Der Arbeitgeber erhielt daraufhin per WhatsApp eine Nachricht, in dem der Freund der Frau seinen Unmut über die Kündigung äußerte. Er bezeichnete den Arbeitgeber unter anderem als „Dusselkopf“. Der Arbeitgeber rechnete diese Nachricht der Mitarbeiterin zu und kündigte ihr nun fristlos.
Keine fristlose Kündigung, wenn Abmahnung ausreichend
Die Arbeitnehmerin setzte sich erfolgreich gegen die Fristlosigkeit der Kündigung zur Wehr. Das Arbeitsgericht Köln entschied aber, dass es bei einer ordentlichen Kündigung mit Kündigungsfrist blieb (Urteil vom 21.09.2016, AZ: 13 Ca 247/16).
Dem Gericht kam es nicht darauf an, ob der Freund ohne ihr Wissen die Nachricht verschickt habe. Mit der Bezeichnung „Dusselkopf“ vergreife man sich zwar in der Wortwahl. „Eine besonders schwerwiegende, grobe Beleidigung ist hierin jedoch nicht zu sehen“, erläuterte das Gericht.
Arbeitnehmer Gesellschafter bei Konkurrenzunternehmen – fristlose Kündigung
Arbeitnehmer wissen in der Regel, dass sie keine Tätigkeit für die Konkurrenz ihres Arbeitgebers ausführen dürfen. Dazu zählt es auch, Gesellschafter bei einem Konkurrenzunternehmen zu sein. Eine fristlose Kündigung ist in diesem Fall erlaubt, wie das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein am 12. April 2017 entschied (Entscheidung, AZ: 3 Sa 202/16).
Der Arbeitnehmer war in leitender Funktion für ein Unternehmen tätig, daneben war er zur Hälfte an einem Unternehmen mit ähnlichen Dienstleistungen beteiligt. Er hatte seinen Arbeitgeber nicht darüber informiert. Als dieser davon erfuhr, kündigte er dem Arbeitnehmer fristlos, obwohl das Arbeitsverhältnis ohnehin zum Monatsende enden sollte.
Arbeit bei der Konkurrenz: Verstoß gegen Wettbewerbsverbot
Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers blieb erfolglos. Das Gericht fand, dass er gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot und damit gegen seinen Arbeitsvertrag verstoßen habe.
Sein Fehlverhalten sei so gravierend, so das Gericht weiter, dass dem Arbeitgeber nicht zuzumuten sei, den Arbeitnehmer noch bis zum Monatsende zu beschäftigen. Der Arbeitnehmer wurde außerdem zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von rund 26.500 Euro verurteilt.
Versteckte Kamera in Umkleide: Fristlose Kündigung gerechtfertigt
Wenn ein Arbeitnehmer einen schwerwiegenden Verstoß gegen seine beruflichen Pflichten begeht, kann der Arbeitgeber ihm fristlos kündigen. Sobald er von dem Pflichtverstoß erfährt, hat er dafür gemäß § 626 Abs. 2 BGB eine Frist von zwei Wochen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. November 2017 (AZ: 24 Ca 4261/17).
Der Mann war Trainer für Radsport am Olympiastützpunkt Berlin und installierte in der Damenumkleide eine versteckte Kamera. Damit filmte er die Sportlerinnen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen den Mann. Der Arbeitgeber begehrte Akteneinsicht in die Ermittlungen. Nach Einsicht kündigte der Arbeitgeber dem Trainer innerhalb von zwei Wochen.
Dieser klagte dagegen – allerdings ohne Erfolg. Die Kündigung ist wirksam, so das Arbeitsgericht. Die Installation der versteckten Kamera stelle schwerwiegende Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers dar, die eine fristlose Kündigung rechtfertigten. Erst durch die Akteneinsicht habe er Informationen über die Pflichtverletzung seines Mitarbeiters bekommen. Daraufhin habe er ihm innerhalb von zwei Wochen gekündigt.
Auch Arbeitnehmer kann fristlos kündigen
Es gibt auch Situationen, in denen es für den Arbeitnehmer unzumutbar ist, weiter für den Arbeitgeber zu arbeiten. Die Voraussetzung für eine fristlose Kündigung durch den Arbeitnehmer – in der Fachsprache als außerordentliche Eigenkündigung bezeichnet – sind ähnlich streng wie bei einer außerordentlichen Kündigung durch einen Arbeitgeber. Der Arbeitgeber muss auch die Zweiwochenfrist einhalten. Ein Grund kann sein, dass der Arbeitgeber den Lohn nicht zahlt. Das geht aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 2. Februar 2016 hervor (AZ: 7 Sa 239/15).
Lohn nicht gezahlt: Vertrauensgrundlage gestört
In dem Fall zahlte der Arbeitgeber über mehrere Monate den Lohn nicht beziehungsweise nicht vollständig. Der Mitarbeiter mahnte den Arbeitgeber auf regelmäßige Lohnzahlung. Als dieser auch weiterhin nicht regelmäßig zahlte, kündigte der Arbeitnehmer fristlos.
Zu Recht, wie das Gericht fand. Die Kündigung muss ihren Grund in einem vertragswidrigen Verhalten des Arbeitgebers haben. Es müsse, so das Gericht, ein wichtiger Grund sein. Dies war hier der Fall. Die Vertrauensgrundlage zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber war nachhaltig zerstört und es bestanden erhebliche Zweifel an der Zahlungswilligkeit des Arbeitgebers.
Allerdings muss auch der Arbeitnehmer die Zwei-Wochen-Frist für die fristlose Kündigung beachten. Entscheidend war im vorliegenden Fall der Zeitpunkt, ab dem der Mitarbeiter Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers hatte.
Azubi kündigt fristlos: Kündigungsgründe müssen genau dargelegt sein
Eine fristlose Kündigung muss bestimmte Anforderungen erfüllen, ansonsten kann sie nichtig sein. Das gilt auch für Auszubildende. Darauf weist die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV hin und berichtet über eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. April 2017 (AZ: 4 Sa 307/16).
In dem Fall kündigte ein Azubi sein Ausbildungsverhältnis fristlos. In seinem Kündigungsschreiben begründete er die Kündigung mit systematisch schlechter Behandlung und ungerechter Kritik. Außerdem sei er oft angeschrien worden. Das belaste ihn psychisch so sehr, dass er die Ausbildung nicht fortführen könne.
Der Arbeitgeber klagte gegen die Kündigung – mit Erfolg. Die Kündigung war nichtig. Das Kündigungsschreiben werde den gesetzlich festgelegten Anforderungen nicht gerecht, so das Gericht. Eine fristlose Kündigung müsse schriftlich und unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen, erläuterte das Gericht. Dabei müssten die für die Kündigung maßgebenden Tatsachen genau angegeben werden.
Die Begründung der Kündigung des Azubis enthalte jedoch lediglich pauschale und schlagwortartige Beschreibungen von Geschehnissen. Konkrete Vorfälle ließen sich dem Schreiben dagegen nicht entnehmen. Außerdem fehle ein wichtiger Grund für die Kündigung, die der Azubi erstellt hatte.
Fristlose Kündigung bekommen oder geplant: Das können Anwälte tun
Sie haben eine fristlose Kündigung bekommen und wollen dagegen vorgehen?
Wie die Gerichtsurteile zeigen, kann es sich auch lohnen, nur gegen einzelne Elemente einer Kündigung vorzugehen – und damit womöglich aus einer fristlosen eine ordentliche zu machen.
Sie möchten einem Mitarbeiter fristlos kündigen und sind nicht sicher, ob das rechtlich zulässig ist? Prüfen Sie mit anwaltlicher Hilfe, ob die Voraussetzungen für eine fristlose oder eine ordentliche Kündigung überhaupt gegeben sind. Im Zweifel sollte Sie hilfsweise ordentlich kündigen. Auch dabei unterstützen die DAV-Arbeitsrechtsexperten.
Sie sind Arbeitnehmer und möchten Ihren Arbeitsplatz fristlos kündigen? Wenden Sie sich vorab an einen Anwalt für Arbeitsrecht.
Anwältinnen und Anwälte für Arbeitsrecht unterstützen Sie in allen Belangen rund um die Kündigung. Ansprechpartner in ganz Deutschland finden Sie über unsere Anwaltssuche oben auf der Seite.
- Datum
- Aktualisiert am
- 12.03.2019
- Autor
- red/dpa,DAV