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Arbeitsrecht

Erkrankter Arbeit­nehmer nicht zum Personal­ge­spräch verpflichtet

Kranke Arbeitnehmer müssen nicht zum Personalgespräch erscheinen. © Quelle: Westend61/gettyimages.de

Das Direkti­onsrecht erlaubt es einem Arbeitgeber grundsätzlich, zu Personal­ge­sprächen einzuladen. Aber nur, insoweit es sich um die Arbeits­leistung des Arbeit­nehmers dreht. Ist auch ein erkrankter Arbeit­nehmer verpflichtet, an einem solchen Personal­ge­spräch teilzu­nehmen?

Das ist er nicht. Ist ein Arbeit­nehmer arbeits­unfähig erkrankt, ist er für die gesamte Dauer von jeglichen Verpflich­tungen, die im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeits­leistung stehen, befreit. Er kann also weder abgemahnt noch gekündigt werden, wenn er an anberaumten Personal­ge­sprächen während seiner Krankheit nicht teilnimmt. Diese klare Rechts­auf­fassung hat das Landes­ar­beits­gericht Nürnberg am 1. September 2015 (Az: 7 Sa 592/14) vertreten. Man kann fest davon ausgehen, dass sich auch das Bundes­ar­beits­gericht (Az: 2 AZR 855/15) dieser Rechts­auf­fassung anschließen wird. Es gibt nämlich auch schon jetzt nach den Grundsätzen des Bundes­ar­beits­ge­richts (BAG) keine „teilweise Arbeits­un­fä­higkeit“. Das bedeutet, es geht nicht darum, ob man trotz Krankheit immerhin noch an einem Personal­ge­spräch teilnehmen kann, auch wenn man nicht mehr arbeiten kann.

BAG: Kein Personal­ge­spräch bei Krankheit (dpa)

In einem ähnlichen Fall hat das BAG bereits entschieden. Demnach können erkrankte Beschäftigte in aller Regel nicht zu Personal­ge­sprächen ins Unternehmen zitiert werden (AZ: 10 AZR 596/15). Krankge­schriebene Arbeit­nehmer seien im Grundsatz nicht dazu verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen, um dort an einem Personal­ge­spräch mit dem Arbeitgeber teilzu­nehmen, urteilte der zehnte Senat.

Es könne aber Fälle geben, in denen ausnahmsweise eine solche Pflicht bestehe, sagte der Vorsitzende Richter. Das Erscheinen des erkrankten Arbeit­nehmers in der Firma müsse dann aber aus betrieb­lichen Gründen unverzichtbar und der Arbeit­nehmer gesund­heitlich dazu in der Lage sein. Auch sei es dem Arbeitgeber nicht von vornherein untersagt, mit seinem kranken Mitarbeiter in einem angemessenen Rahmen schriftlich oder telefonisch Kontakt aufzunehmen.

Damit hatte die Klage eines Kranken­pflegers aus Berlin teilweise Erfolg. Dieser war abgemahnt worden, weil er mit Verweis auf seine Krankschreibung nicht zu drei terminierten Personal­ge­sprächen erschienen war. Sein Arbeitgeber wollte mit ihm nach einer erneuten längeren Ausfallzeit über künftige Beschäf­ti­gungs­mög­lich­keiten sprechen.

Die Abmahnung erklärte das Bundes­ar­beits­gericht nun für unwirksam. Den Antrag auf Feststellung, dass der Kläger generell während seiner Arbeits­un­fä­higkeit nicht zur Teilnahme an Personal­ge­sprächen verpflichtet sei, lehnten die Erfurter Richter aber ab.

Personal­ge­spräch während Krankheit?

Es ging um die Wirksamkeit einer Kündigung. Die Arbeit­nehmerin war vom 20. März 2013 bis 30. Juli 2013 arbeits­unfähig krankge­schrieben. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeits­ver­hältnis am 20. März ordentlich zum 31. Mai 2013. In der Folgezeit lud er die Mitarbeiterin zwei Mal zu einem Personal­ge­spräch ein. Über den Inhalt des Gesprächs machte er bei den „Einladungen“ jedoch keine Angaben.

Nachdem die Arbeit­nehmerin diesen beiden Terminen fernge­blieben war, wurde sie abgemahnt. Der Arbeitgeber lud sie während ihrer Krankschreibung noch einmal zu einem Personal­ge­spräch ein. In der Einladung hieß es wörtlich: „Im Rahmen des Personal­ge­sprächs verlangen wir von Ihnen ja auch keine Arbeits­leistung, sondern lediglich die Teilnahme an einem Gespräch, zu dem sie arbeits­rechtlich auch verpflichtet sind.“

Auch diesem Personal­ge­spräch blieb die Mitarbeiterin fern. Darauf erklärte der Arbeitgeber unter Einhaltung der Kündigungsfrist nochmals die ordentliche Kündigung, nun bis zum 31. Juli 2013.

Abmahnung und Kündigung rechts­widrig

Schon das Arbeits­gericht Nürnberg hatte der Klage der Frau stattgegeben. Hiergegen legte der Arbeitgeber erfolglos Berufung ein. Er war der Meinung, dass die Mitarbeiterin verpflichtet sei, an den Personal­ge­sprächen teilzu­nehmen. Auch ein arbeits­unfähig erkrankter Arbeit­nehmer habe Nebenpflichten aus seinem Arbeits­ver­hältnis. Im Übrigen seien auch sonst Gespräche während einer Erkrankung über ein betrieb­liches Einglie­de­rungs­ma­nagement möglich. Die Einladung zu den Personal­ge­sprächen sei vom Weisungsrecht umfasst.

Auch das Landes­ar­beits­gericht in Nürnberg ist dieser Rechts­auf­fassung nicht gefolgt. Die Arbeit­nehmerin sei nicht verpflichtet gewesen, an den Personal­ge­sprächen teilzu­nehmen. Daher liege auch kein Verstoß gegen ihre Pflichten vor. 

Das Weisungsrecht ermögliche es dem Chef grundsätzlich, den Mitarbeiter zu Personal­ge­sprächen zu verpflichten. Aber nur insoweit wie Inhalte der zu erbrin­genden Arbeits­leistung besprochen werden sollten. Bei einem kranken Arbeit­nehmer gehe das nicht, da er ja seine Arbeits­leistung nicht erbringen könne. Er sei von seiner Arbeits­leistung komplett befreit. Diese Befreiung erstrecke sich auf seine Arbeits­pflicht und auf seine Nebenpflichten. Also umfasse das auch Personal­ge­spräche.

Bisher gibt es noch keine höchst­rich­terliche Rechtsprechung für die Frage, ob ein Arbeit­nehmer während der Krankschreibung an einem vom Arbeitgeber angeordneten Personal­ge­spräch teilnehmen muss. Das BAG hat aber bereits am 9. April 2014 (Az: 10 AZR 637/13) entschieden, dass es keine teilweise Arbeits­un­fä­higkeit gibt. Die Auffassung der Nürnberger Richter ist daher konsequent: Eine Verpflichtung zur Gesprächs­teilnahme kann nicht damit begründet werden, dass die Arbeit­nehmerin körperlich dazu in der Lage ist. 

Dieser Fall zeigt, dass man sich erfolgreich gegen Kündigungen wehren kann. Im Falle einer Kündigungs­schutzklage sollte man sich unbedingt anwaltlich beraten und vertreten lassen.

Datum
Aktualisiert am
02.11.2016
Autor
DAV/dpa
Bewertungen
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Themen
Arbeit Arbeit­nehmer Krankheit

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