Wann hat man als Unfallopfer Anspruch auf einen Mietwagen?
Ein Mietwagen wird immer so lange gestellt, so lange er erforderlich ist. Bezahlen muss ihn die Versicherung des Unfallgegners. Dass Versicherungen nicht gerne zahlen, ist allgemein bekannt, sodass einige Vorgehensweisen beachtet werden sollten. So muss die Versicherung beispielsweise nur dann ein Mietwagen zahlen, wenn das Auto des Geschädigten nach einem Unfall auch wirklich fahruntüchtig ist.
Wie läuft das Prozedere nach einem Unfall mit anschließend fahruntüchtigem Fahrzeug ab?
Einen Mietwagenanspruch haben Unfallgeschädigte nicht erst dann, wenn das eigene Auto in der Werkstatt repariert wird.
Schadensermittlungszeitraum: Unfallgeschädigte können zunächst ein Sachverständigengutachten einholen. Auch für diese Zeit steht ihm ein Mietwagen zu, wobei Christian Janeczek von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) sagt, dass dieser Prozess nicht länger als eine Woche dauern sollte: „Andernfalls sollten Geschädigte sich bei dem Sachverständigen melden und nachfragen.“
Überlegungszeitraum: Anschließend können Geschädigte sich ein bis zwei Tage Zeit nehmen, um zu überlegen, was mit dem Auto passieren soll, ob es etwa eine Neuanschaffung bedarf, oder aber eine Reparatur sinnvoller erscheint. Auch in dieser Zeit darf man einen Mietwagen fahren.
Wiederbeschaffungszeitraum/Reparaturzeit: Anschließend beginnt die Reparaturzeit. „Wie lang es dauert ein Auto wieder in Stand zu setzen, hängt natürlich vom Einzelfall ab“, sagt Verkehrsrechtsexperte Janeczek. So könne sich beispielsweise durch Lieferschwierigkeiten von Ersatzteilen der Zeitraum verlängern. In der gesamten Zeit des Reparaturvorgangs haben Unfallgeschädigte einen Anspruch auf einen Ersatz- also Mietwagen (Einschränkungen: siehe unten).
Muss ich als Unfallgeschädigter die Kosten des Mietwagens zunächst selber übernehmen?
Im Normalfall nicht. Der Vermieter des temporären Wagens kontaktiert die Versicherung des Unfallverursachers, um die Kosten für den Mietwagen von dieser einzuholen. „Der Händler meldet sich erst dann wieder beim Geschädigten, wenn die Versicherung nicht zahlungsbereit ist“, erklärt Rechtsanwalt Christian Janeczek.“
Und wer zahlt die Kosten für die Reparatur?
Wer keine Schuld am Unfall trägt, muss auch die Reparatur des eigenen Wagens nicht bezahlen. Allerdings kann es sein, dass Geschädigte hier in Vorleistung treten müssen, da es oftmals einige Wochen dauert, ehe die Versicherung der Übernahme der Reparaturkosten zustimmt. Das ist vor allem dann ein Problem, wenn mal als Geschädigter nicht über ausreichend viel Geld verfügt. Janeczek: „Das ist ein häufiges und großes Streitthema. Geschädigte sollten sich in diesen Fällen frühzeitig mit einem Anwalt oder einer Anwältin in Verbindung setzen.“
Wie teuer darf der Mietwagen sein?
Diese Frage war Gegenstand hunderter Gerichtsentscheidungen und zusammenfassend lässt sich sagen: es lässt sich nichts zusammenfassen. Einen Tipp hat Christian Janeczek aber: „Betroffene sollten nach normalem Menschenverstand entscheiden.“ Man sollte die Kosten im Blick haben und immer abwägen, ob der angebotene Mietpreis noch verhältnismäßig sein kann, so der Dresdner Rechtsanwalt.
Am besten vergleicht man die Preise bei verschiedenen Mietwagenanbietern, zumindest dann, wenn man in einer Großstadt mit ausreichender Angebotslage wohnt und ausreichend Zeit verbleibt. So entschied das Amtsgericht München beispielsweise zugunsten der beklagten Versicherung, die nur einen Bruchteil der geforderten Mietsumme zahlen wollte, da es vergleichbare Angebote gab, die deutlich preiswerter waren (Urteil vom 3. Juli 2013; Az.: 343 C 8764/13).
Welches Modell darf als Mietwagen gewählt werden?
Verschlechtern muss man sich beim Fahrkomfort allerding nicht. „Es darf immer ein vergleichbares Fahrzeug zu jenem gewählt werden, das in die Reparatur muss“, sagt Christian Janeczek. So gab etwa das Oberlandesgericht Dresden einem Unfallgeschädigten recht, der sich entsprechend seines beschädigten privaten Autos ein Mietfahrzeug der Luxusklasse anmietete, woraufhin sich die Versicherung weigerte, die Kosten zu übernehmen (Urteil vom 31. Juli 2013; Az.: 7 U 1952/12).
Wichtig ist bei der Auswahl des Autos neben der Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots auch die jeweilige Situation des Geschädigten. Wer unter der Woche an einem freien Tag in einer Großstadt in einen Unfall gerät, hat andere Möglichkeiten zur Wahl des Mietwagens als ein unter Zeitdruck stehender Versicherungsvertreter in einer dörflichen Gegend, der sich in einer Eil- oder Notsituation befindet, wie es im Rechtsdeutschen heißt. Diesen Aspekt beziehen Gerichte bei ihren Entscheidungen mit ein.
In welchen Fällen sollten Geschädigte auf einen Mietwagen verzichten?
Wer sein Auto sehr wenig nutzt, sollte abwägen, inwiefern ein Mietwagen Sinn ergibt. Zwar gibt es auch anderslautende Entscheidungen, Janeczek rät aber zur Orientierung, dass man schon 20 Kilometer pro Tag fahren sollte: „Andererseits ist ein Taxi im Zweifelsfall preiswerter und dann könnte es zum Streit mit der Versicherung kommen.“
Etwas anderes gilt natürlich, wenn man aufgrund von Bereitschaftsdiensten, Krankheiten etc. auf die ständige Verfügbarkeit eines Fahrzeuges angewiesen ist.
Darüber hinaus haben Geschädigte, die ihr Auto wenig nutzen und statt dem Taxi auch mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen können, Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung. Je nach Modell des fahruntüchtigen Autos liegt die Summe hier zwischen etwa 23 und 169 Euro pro Tag.
Haben auch Unfallgeschädigte mit einem gewerblich genutzten Autos Anspruch auf einen Mietwagen?
Werden Fahrzeuge gewerblich genutzt, gibt es keine pauschale Nutzungsausfallentschädigung. Auch fiktive Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs können nicht verlangt werden. Auf die Entscheidung des Amtsgerichts Berlin Mitte vom 10. Oktober 2016 (AZ: 109 C 3189/15) macht die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV aufmerksam.
Autounfall mit Taxi – kein pauschaler Nutzungsausfall
In dem Fall ging es um ein Taxi, unverschuldet in einen Unfall verwickelt war. Der Schaden wurde im Wesentlichen auch ersetzt. Darüber hinaus verlangte der Taxiunternehmer Nutzungsausfall für den Zeitraum von 14 Tagen zu je 187 Euro, insgesamt rund 2.600 Euro, oder alternativ die fiktiven Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges.
Die Klage war erfolglos: Bei gewerblich genutzten Fahrzeugen gibt es keine pauschale Nutzungsausfallentschädigung und auch keine Möglichkeit, Schadensersatz in Form fiktiver Leihtaxikosten geltend zu machen.
Taxiunternehmer und andere Gewerbetreibende haben natürlich die Möglichkeit, Schadensersatz für entgangene Gewinne oder angefallene Kosten zu verlangen. Hierzu müssen sie aber nachweisen, welcher Gewinn ihnen entgangen ist, welche Kosten für die generelle Vorhaltung eines Ersatzfahrzeuges angefallen sind oder sie müssen die konkreten Kosten für ein Mietfahrzeug einreichen. Pauschale oder fiktive Abrechnungen sind hier nicht möglich.
Wie sollten sich Geschädigte im Falle eines Streits mit der Versicherung verhalten?
Verkehrsrechtsexperte Christian Janeczek hat berufsbedingt häufig mit Fällen dieser Art zu tun. Er rät Betroffenen, sich bereits unmittelbar nach einem Unfall mit einem Anwalt kurzzuschließen, da man selber meist nicht in der Lage sei, die Situation umfassend zu überblicken. „Wenn ein Sachbearbeiter bei der Versicherung sich erst einmal querstellt, kann eine Lösung schwierig werden.“ Häufig bewege sich eine Versicherung aber spätestens dann, wenn der Rechtsvertreter des Unfallgeschädigten mit einer Klage drohe.
Zusammenfassung
- Ein Unfallgeschädigter, dessen Auto fahruntüchtig ist, hat während der gesamten Dauer der Wiederbeschaffung Anspruch auf einen Mietwagen.
- Die Wahl des Wagens sollte Verhältnismäßig ausfallen und das Modell vergleichbar mit jenem in der Reparatur sein.
- Wer selten sein Auto nutzt, sollte statt eines Mietwagens auf ein Taxi zurückgreifen bzw. eine Nutzungsausfallentschädigung erwirken.
- Von vornherein sollte anwaltlicher Rat hinzugezogen werden, um Streitigkeiten mit der gegnerischen Versicherung zu umgehen.
- Datum
- Aktualisiert am
- 11.01.2019
- Autor
- ndm/red/dpa