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Häusliche Gewalt: Was Betroffene tun können

Mann ballt Faust, Frau sitzt mit Armen vor Gesicht auf Bett
Häusliche Gewalt ist weit verbreitet. © Canva

Gewalt unter Partnern oder Ex-Partnern kommt in allen sozialen Schichten vor. Frauen sind sehr viel häufiger betroffen als Männer. Statistiken zufolge wird eine von vier Frauen mindestens einmal in ihrem Leben von ihrem aktuellen oder ehemaligen Partner angegriffen. Das Rechts­portal anwalt­auskunft.de beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema. Es zeigt, was Betroffene tun können und welche Strafen den Gewalt­tätern drohen.

Schläge, Beschimp­fungen, Drohungen und manchmal Schlimmeres – häusliche Gewalt kann viele Formen annehmen. Betroffenen stehen unterschiedliche Möglich­keiten offen, sich zu schützen. Doch die Strafver­folgung ist oft schwierig. Und die Täter wandern nur in seltenen Fällen hinter Gitter.

Was ist häusliche Gewalt?

Unter häuslicher Gewalt versteht man körperliche und psychische Gewalt innerhalb einer Beziehung oder häuslichen Gemein­schaft. Das bedeutet nicht unbedingt, dass Täter und Opfer zusammen wohnen. Gewalt durch den Ex-Partner oder die Ex-Partnerin zählt ebenfalls dazu. Häusliche Gewalt kann auch in sexuellen Übergriffen, Beschimp­fungen und Beleidi­gungen oder Einsperren bestehen.

Am weitesten verbreitet ist der Fall, dass der Mann die Frau angreift. Der Artikel geht deshalb von dieser Konstel­lation aus. Die Rechtslage ist aber natürlich auf andere Konstel­la­tionen übertragbar. Männer können ebenfalls von häuslicher Gewalt betroffen sein. Auch pflege­be­dürftige Personen können Opfer häuslicher Gewalt werden. Gleiches gilt für Kinder, entweder weil die Eltern direkt ihnen gegenüber handgreiflich werden oder weil sie bei einem Streit der Eltern zwischen die Fronten geraten.

Was tun, wenn man Zeuge häuslicher Gewalt wird, zum Beispiel in der Nachbar­wohnung?

Wer mitbekommt, wie jemand gegen eine andere Person gewalttätig wird – zum Beispiel in der Nachbar­wohnung – ruft am besten die Polizei. Es kann auch hilfreich sein, unter einem Vorwand in der Nachbar­wohnung vorbei­zu­schauen. Vorsicht: Im Zweifel sollten Nachbarn das zu mehreren tun, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen.

Gerade Nachbarn spielen beim Thema Gewalt im häuslichen Umfeld eine wichtige Rolle. Aufmerksam zu sein, im Zweifel nachzu­fragen und Hilfe anzubieten kann Leben retten. Wer befürchtet, dass eine Nachbarin, Freundin oder Bekannte betroffen ist, kann die Person in einer ruhigen Situation alleine ansprechen und Hilfe anbieten.

Was kann ich tun, wenn mein Partner gewalttätig wird?

„Das wichtigste ist: Rufen Sie die Polizei“, rät Rechts­an­wältin Michaela Landgraf, Mitglied der Arbeits­ge­mein­schaft Strafrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) und Mitglied im Vorstand des Münchner Anwalt­vereins.

Initiativen und Beratungs­stellen bieten ebenfalls Hilfe und informieren darüber, welche Angebote und Schutz­mög­lich­keiten es gibt. Der Frauen­notruf beispielsweise berät anonym, der Weiße Ring unterstützt ebenfalls. Daneben gibt es weitere nationale und regionale Angebote wie Frauen­häuser.

Was macht die Polizei?

Die Beamten befragen zunächst das vermeintliche Opfer und den vermeint­lichen Täter. Bestätigt sich die Verdachtslage eines Falles von häuslicher Gewalt, nehmen die Polizisten die Ermitt­lungen auf. Ist die Frau bereit, auszusagen, organi­sieren die Beamten nach Rücksprache mit der Staats­an­walt­schaft möglichst schnell eine Zeugen­ver­nehmung der Frau durch den Ermitt­lungs­richter.

Das ist deshalb so wichtig für die Ermittler, weil sehr viele Opfer häuslicher Gewalt, nachdem sich der erste Schock über das Erlebte gelegt hat, die Aussage verweigern. Dies ist rechtlich möglich, wenn die Frau mit dem Mann verheiratet oder mit ihm verlobt ist.

Auch die Beiordnung eines Rechts­anwalts für das Opfer kann nach Erfahrung der Strafrechtlerin helfen, die notwendige Unterstützung zu leisten, sodass die Aussage­be­reit­schaft erhalten bleibt. Das ist aber längst keine Garantie, so Rechts­an­wältin Landgraf: „Häufig haben die Frauen Angst, dass ihr Partner erneut gewalttätig wird. Oder sie sind wirtschaftlich abhängig von ihm, es sind noch gemeinsame Kinder im Spiel und sie scheuen deshalb eine Aussage. Auch Scham lässt viele Frauen so einiges unter den Teppich kehren und vorschieben, der Mann habe sich geändert und ihm tue es ja auch leid.“ Habe das Opfer allerdings vor dem Ermitt­lungs­richter ausgesagt, könne diese Aussage vor Gericht verwendet werden. Eine Aussage vor der Polizei habe diese Wirkung nicht, wenn sich die Frau später auf ein bestehendes Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht beruft.

Häusliche Gewalt: Wer muss gehen?

„Die Polizei kann ein Kontakt­verbot und einen Platzverweis aussprechen“, erklärt Rechts­an­wältin Landgraf. Das Kontakt­verbot gelte meist zunächst für drei Tage. Der Mann muss dann die gemeinsame Wohnung verlassen. Unter Aufsicht der Polizisten darf er ein paar Sachen zusammen­packen. Die Beamten nehmen ihm den Schlüssel zur Wohnung ab.

Auch der Aufenthalt in einem Frauenhaus kann dem Opfer helfen: „In dieser Zeit hat die Frau dann Zeit und Ruhe, um sich zu überlegen, was sie weiter unternimmt“, sagt die Münchner Strafver­tei­digerin. Sie könne vor dem Zivilgericht einen Antrag auf Erlass eines Gewalt­schutz­be­schlusses stellen. „Der Täter muss dann Abstand halten und hat ein striktes Kontakt­verbot“, fügt die Anwältin hinzu. Dieses sei meist auf sechs Monate befristet, könne aber verlängert werden.

Verstößt er gegen das Kontakt­verbot, ist das eine Straftat. Nach §2 Gewalt­schutz­gesetz droht bis zu ein Jahr Haft. Diesen Gewalt­schutz­antrag können Betroffene beim zuständigen Amtsgericht stellen.

Der Gewalt­schutz­be­schluss hat auch eine wichtige Beweis­funktion, wenn es zu einer Scheidung kommen sollte und es um das Sorge- und Umgangsrecht geht. „Manchmal rüttelt der Gewalt­schutz­be­schluss den Mann auch schon auf und er fängt eine Therapie an“, sagt Rechts­an­wältin Landgraf. Ihrer Erfahrung nach ist eine Trennung aber meist die einzige langfristige Lösung für die Frau bei übergriffigen Männern, um in Frieden leben zu können.

Wenn die Frau bei ihrer Aussage bleibt, kommt es irgendwann zu einem Gerichts­ver­fahren.

Welche Strafen drohen?

„Strafrechtlich geht es bei häuslicher Gewalt meist um einfache Körper­ver­letzung, in manchen Fällen auch gefährliche Körper­ver­letzung (wenn der Täter beispielsweise mit einem Gegenstand zuschlägt), Beleidigung, Freiheits­be­raubung, Nötigung und Bedrohung“, erklärt die Rechts­an­wältin. Mehr passiere ihrer Erfahrung nach in den meisten Fällen nicht, auch wenn durchaus katastrophale Eskala­ti­ons­stufen immer wieder in die Medien geraten, wenn über Tötungs­delikte im häuslichen Bereich berichtet wird.

Für die meisten Straftaten im Rahmen häuslicher Gewalt sind Geldstrafen und theoretisch auch Haftstrafen möglich. „Zu einer Gefäng­nis­strafe kommt es aber meist nur, wenn noch andere Straftaten hinzukommen“, erklärt sie weiter. Menschen, die gegen ihren Partner oder ihre Partnerin gewalttätig werden, seien oft auch in anderen Bereichen straffällig geworden. „Häusliche Gewalt ist oft eine Begleit­erscheinung von Alkohol- und Drogen­ab­hän­gigkeit“, fügt Landgraf hinzu.

Hinzu kommt: Häusliche Gewalt umfasst Straftaten im sogenannten Nähebereich. Da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Hemmschwelle zur Gewalt gegenüber naheste­henden Personen niedriger ist als bei fremden Personen, drohen hier auch geringere Strafen.

Dafür, dass es selten zu Haftstrafen kommt, sorgt auch die Tatsache, dass die Täter häufig Männer und die Hauptver­diener der Familie sind oder für diese Unterhalt zahlen. Wenn sie ins Gefängnis gehen, fällt das Famili­en­ein­kommen weg und die ganze Familie leidet. Die Täter bekommen meist eine Geldstrafe und im Wieder­ho­lungsfall eine Bewährungs­strafe.

Gewalt­schutz­gesetz: Was ist das?

Die Maßnahmen, die die Polizei anordnen kann, fallen unter das Gewalt­schutz­gesetz. Es soll erwachsene Opfer häuslicher Gewalt schützen und ihnen die Möglichkeit geben, in ihrer eigenen Wohnung sicher zu sein. Das Gesetz regelt weiter, dass der Täter sich während des Platzver­weises eine andere Unterkunft suchen muss.

Wann verjährt häusliche Gewalt?

Einfache Körper­ver­letzung verjährt nach drei Jahren. Allerdings ist zu beachten, dass das Opfer innerhalb von drei Monaten nach der Tat einen Strafantrag stellen sollte. Denn wenn die Staats­an­walt­schaft nicht von einem besonderen öffent­lichen Interesse an der Tat ausgeht – was bei häuslicher Gewalt, die sich gerade nicht im öffent­lichen Raum abspielt, auch nicht ohne Weiteres passiert – und von Amts wegen einschreitet, kann die Tat ohne rechtzeitig gestellten Strafantrag auch nicht mehr verfolgt werden.

Gelten die Verlet­zungen als Beweise?

Körperliche Gewalt hinterlässt oft sichtbare Verlet­zungen. „Das Opfer ist nicht nur Zeugin, der Körper des Opfers ist auch Beweis­mittel“, sagt Rechtan­wältin Landgraf.

Viele der betroffenen Frauen verstecken ihre Verlet­zungen unter der Kleidung. Immer wieder erklären die Opfer ihre Verlet­zungen auch mit erfundenen Unfällen oder Missge­schicken.

Wenn das Opfer sich ärztlich behandeln lässt, sind die Verlet­zungen natürlich für den Arzt sichtbar. Wie die Mediziner damit umgehen, hängt auch davon ab, wo man sich befindet, sagt Rechts­an­wältin Landgraf. In Berlin beispielsweise könne man Verlet­zungen anonym dokumen­tieren lassen – und die Unterlagen womöglich bei einem späteren Verfahren als Beweis einsetzen. Sind (minder­jährige) Kinder betroffen und weisen Verlet­zungen auf, die einen Verdacht auf häusliche Gewalt durch einen oder beide Elternteile begründen, schalten die Ärzte meist die Ermitt­lungs­be­hörden ein.

Häusliche Gewalt: Was passiert, wenn Kinder betroffen sind?

Auch wenn häuslich Gewalt per se Gewalt zwischen erwachsenen Partnern meint, lässt sie sich von Gewalt gegen Kinder nicht immer trennen. „Sobald Kinder betroffen sind, ist auch das Jugendamt zuständig“, erklärt Rechts­an­wältin Landgraf. Bei Gewalt in der Familie könne es die Kinder aus der Familie „in Obhut“ nehmen. Häufig müssten sich die Frauen dann entscheiden: Trennen sie sich nicht von ihrem Mann, verlieren sie gegebe­nenfalls die Kinder und diese werden in einer Pflege­familie unterge­bracht.

Bei Gewalt gegen Kinder sind die strafrecht­lichen Konsequenzen gravie­render. Das gilt vor allem bei sexueller Gewalt. Die Haftstrafen sind in gravie­renden Fällen erhöht und beginnen beispielsweise bei zwei Jahren. Beim Verdacht auf sexuellen Missbrauch oder Misshandlung Schutz­be­fohlener wird der vermeintliche Täter meist sofort verhaftet und kommt in Untersu­chungshaft.

Was macht der Anwalt?

Täter können sich an Anwälte für Strafrecht wenden, die Opfer an einen Anwalt für Famili­enrecht oder Opferrecht. Anwältinnen und Anwälte für Strafrecht übernehmen in der Regel auch opferrechtliche Mandate. Ansprech­partner in ganz Deutschland finden Sie über unsere Anwaltssuche oben auf der Seite.

Lässt sich der Täter anwaltlich vertreten, muss der Anwalt erst einmal einen Gesamt­überblick über die Situation gewinnen und beantragt Akteneinsicht. Auch wird der Anwalt die Persön­lichkeit des Mandanten unter die Lupe nehmen. Ist diesem beispielsweise bewusst, dass er ein Suchtproblem hat, kann ein stationärer Entzug eine Lösung sein – wenn hinter der Gewalt Alkohol der Drogen stecken. Manchmal kann auch eine Famili­en­me­diation oder die Aufnahme einer Therapie helfen, Konflikte aufzulösen. Der Anwalt kann diese vermitteln.

Die Betroffenen kann eine Anwältin oder ein Anwalt beraten und bei den rechtlichen Schritten gegen die Täter unterstützen. Kommt es zu einem Prozess, kann das Opfer als Nebenkläger auftreten sich dabei von einem Rechts­anwalt vertreten lassen. Betroffene können mit Unterstützung eines Anwalts unter Umständen zudem Schmer­zensgeld und Schadens­ersatz geltend machen.

Häusliche Gewalt: Bundes­la­gebild 2022

Aus dem im Juli 2023 veröffent­lichten Bericht über Häusliche Gewalt geht hervor, dass die Anzahl an Opfern im Vergleich zu 2021 um 8,5% angestiegen ist. Die Anzahl der Fälle liegt bei 240.574. Besonders auffällig sei die Verlagerung analoger häuslicher Gewalt in den virtuellen Raum, z.B. beim Stalking. Hier ist ein Anstieg um 57% zu beobachten, von 912 Fällen 2018 zu 1432 in 2022. Dabei muss erwähnt werden, dass die Dunkel­ziffer wahrscheinlich deutlich höher liegt. Das ganze Bundes­la­gebild 2022 gibt es hier nachzulesen.

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Datum
Aktualisiert am
20.11.2023
Autor
vhe
Bewertungen
12397
Themen
Drogen­miss­brauch Ehe Familie Straftat

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