(DAV). Manchmal bleibt Betroffenen keine andere Wahl: Wenn das Jugendamt nicht rechtzeitig hilft, stehen Familien vor der Herausforderung, die notwendigen Maßnahmen selbst zu organisieren. Besonders häufig betrifft dies die Verwandtenpflege, bei der Großeltern für ihre Enkel einspringen.
Ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts München (Urteil vom 17.07.2024, M 18 K 22.1929) klärt nun, welche Rechte betroffene Familien haben, wenn sie selbst aktiv werden müssen.
Was war passiert? Der Fall im Einzelnen
Ein minderjähriges Mädchen lebte bei der Großmutter, nachdem die Mutter die elterliche Sorge verloren hatte. Nach einer vorübergehenden Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung kehrte das Kind auf eigenen Wunsch zu seiner Großmutter zurück. Das Jugendamt stimmte dieser Form der Verwandtenpflege zunächst zu, änderte aber später seine Einschätzung. Es hielt die Großmutter für ungeeignet und lehnte weitere Hilfen ab.
Wenn Familien selbst aktiv werden müssen
Trotz der ablehnenden Bescheide des Jugendamtes organisierte die Vormundin weiterhin die Unterbringung bei der Großmutter. Sie argumentierte, dass diese Entscheidung dem Wohl des Kindes diene und die Großmutter kooperationsbereit sei. Erst Monate später wurde eine stationäre Unterbringung bewilligt, was zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung führte.
Urteil: Selbstbestimmungsrecht gestärkt
Das Verwaltungsgericht München gab der Vormundin Recht. Es sah ein „Systemversagen“ beim Jugendamt, das nicht rechtzeitig und ausreichend entschieden habe. Nach § 36a Abs. 3 SGB VIII durfte die Vormundin selbst eine geeignete Maßnahme auswählen. Wichtig dabei: Das Gericht betonte, dass die Einschätzung der Vormünderin fachlich vertretbar war, auch wenn das Jugendamt andere Hilfen bevorzugt hätte.
Die Entscheidung stärkt die Position der Betroffenen, die bei Versäumnissen des Jugendamtes selbst tätig werden müssen. Sie haben in solchen Fällen Anspruch auf Kostenerstattung, soweit die Maßnahme den Bedarf angemessen deckt.
Rechte und Pflichten bei der Selbstbeschaffung von Jugendhilfeleistungen
Wann darf selbst beschafft werden?
Wenn das Jugendamt nicht rechtzeitig entscheidet oder keine geeignete Hilfe anbietet, dürfen Betroffene selbst tätig werden (§ 36a Abs. 3 SGB VIII).
Welche Maßnahmen sind erstattungsfähig?
Die Hilfe muss geeignet und erforderlich sein. Es genügt, wenn die Entscheidung fachlich vertretbar ist.
Welche Rolle hat das Jugendamt?
Das Jugendamt hat auch bei der Selbstbeschaffung die Pflicht zur Prüfung und zur Prüfung von Alternativen.
Das Urteil zeigt: Betroffene sollten sich nicht scheuen, ihre Rechte einzufordern. Wer selbst aktiv wird, um einem Kind ein sicheres Umfeld zu bieten, kann auch finanziell abgesichert sein - wenn das Jugendamt seinen Pflichten nicht nachkommt.
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- red/dav