Immer den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, hat als Lebensstrategie keinen guten Ruf. Sinnvoll scheint das Prinzip allerdings bei Fußwegen. Hier gilt: je kürzer, desto besser. Rote Fußgängerampeln sind da ein Hindernis. Überquert man die Straße trotzdem, kann das teuer werden. Dürfen Fußgänger dann einfach ein paar Meter neben der Fußgängerampel über die Straße gehen?
Fußgänger müssen Fußgängerampeln und Zebrastreifen nutzen
Nein – eine rote Fußgängerampel zu umgehen, ist nicht rechtens. Rechtsanwalt Dr. Michael Burmann erklärt: „Der Straßenverkehrsordnung (StVO) zufolge müssen Fußgänger die nächstgelegenen Fußgängerüberwege nutzen, um über die Straße zu gehen.“ Der Rechtsanwalt aus Erfurt ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Überquerte man als Fußgänger an anderer Stelle die Fahrbahn, so der Experte weiter, verlören sie ihren Versicherungsschutz. Zeige die Ampel rot, müssten sie auf Grün warten.
Ampel umgehen: bei Unfall Mitverschulden
Überquert ein Fußgänger neben der Ampel die Fahrbahn, muss er mit einem Verwarn- oder einer Bußgeld rechnen. Kritisch wird es, wenn es zu einem Unfall kommt. Denn dann wird dem Fußgänger in der Regel ein großes Mitverschulden am Unfall zugerechnet, wenn er einfach so über die Straße läuft. Das besagt §25 Absatz 3 der StVO.
„Autofahrer rechnen ja außerhalb von Fußgängerüberwegen nicht damit, dass jemand die Straße überquert“, fügt Rechtsanwalt Burmann hinzu.
Urteil: Bei grob verkehrswidrigen Verhalten haften Fußgänger komplett
Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg macht in einem Urteil klar: Lässt ein Fußgänger jegliche Sorgfalt vermissen, kann die Haftung für den Autofahrer sogar vollständig entfallen.
Der Fall: Eine Frau parkte neben einer siebenspurigen Fahrbahn im Fürther Stadtgebiet und lud am Fahrbahnrad ein mannshohes Plakat aus ihrem Fahrzeug. Das Plakat wollte sie auf dem die Fahrtrichtungen trennenden Grünstreifen aufstellen. Beim Versuch, die Straße mit dem sperrigen Plakat zu überqueren, wurde die Frau von einem Pkw erfasst und erlitt schwere Verletzungen. Nur 15 Meter von der Stelle hätte die Frau die Fahrbahn gefahrenlos an einer Ampel überqueren können.
Die Krankenkasse der verletzten Fußgängerin verlangte vom Fahrzeughalter, der seinen Wagen selbst fuhr, Schadensersatz für die Heilbehandlungskosten. Das zuständige Landgericht hatte zuvor der Klage mit einer Haftungsquote von einem Drittel zulasten des Halters stattgegeben.
Das OLG strich dies allerdings und ging stattdessen von einer Alleinhaftung der Geschädigten aus. Der Autofahrer habe nicht damit rechnen müssen, dass "jemand mit einer mannshohen Plakatwand nicht den 15 Meter entfernten ampelgeregelten Fußgängerüberweg nehmen würde, sondern versuchen könnte, die vier Fahrbahnen zu dem bewachsenen Trennstreifen in einem Zug zu überqueren", heißt es in der Mitteilung des Gerichts (Urt. v. 31.01.2018, Az. 4 U 1386/17).
Die geschädigte Fußgängerin habe sich grob verkehrswidrig verhalten, als sie die mehrspurige Straße nicht an der Ampel überquerte. Zudem habe sie sich auch beim Überqueren der Straße abseits der Ampel nicht richtig verhalten, weil sie das annähernde Fahrzeug hätte sehen und deshalb stehen bleiben müssen, was ihr aber durch das sperrige Plakat erschwert worden sei.
Der Fall zeigt: Es ist keineswegs so, dass Autofahrer bei einem Unfall immer automatisch zumindest teilweise haften.
Fazit: Fußgänger dürfen Fußgängerampeln oder Zebrastreifen nicht umgehen. Egal, wie sehr man in Eile ist: Man sollte sich immer die Zeit nehmen, an der Ampel auf Grün zu warten.
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- vhe