Dass der deutsche Festivalsommer für die eine oder andere Gewittereinlage sorgen kann, ist bekannt. Doch was am vergangenen Wochenende bei „Rock am Ring“, ausgetragen in der Gemeinde Mendig in Rheinland Pfalz, von Himmel kam, ging weit über den üblichen Sommerregen hinaus. Bereits am Freitagabend wurden 71 Menschen durch Blitzeinschläge verletzt. Am Samstag wurde das Festival wegen weiterer Unwetterwarnungen erst einmal unterbrochen. Nachdem aber keine Besserung der Wetterlage in Sicht war, brachen die Verantwortlichen schließlich am späten Samstagabend die Großveranstaltung endgültig ab.
Die Reißleine zog letztlich nicht der Veranstalter von „Rock am Ring“, sondern die Behörde der Gemeinde Mendig. Veranstalter Marek Lieberberg kritisiert diese Entscheidung öffentlich. Auf die Frage, ob Festivalbesucher nun ihr Geld zurückverlangen können, wird er folgendermaßen zitiert: „Im Moment sehe ich das nicht.“ Eine Einschätzung, die unsere Rechtsexperten nicht teilen.
„Rock am Ring“-AGB: Anspruch auf Rückzahlung besteht
Rechtsanwalt Dr. Jörn Zons von der Arbeitsgemeinschaft Internationales Wirtschaftsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) widerspricht klar: „Entgegen der Auffassung des Veranstalters dürften die „Rock am Ring“-Besucher wegen des vorzeitigen Abbruchs der Veranstaltung Anspruch auf anteilige Rückzahlung der Ticketpreise haben.“ Dieser Anspruch ergebe sich aus §§ 326(1)(4) und 346(1) BGB.
Die allgemeinen Geschäftsbedingungen des Veranstalters würden dies unterstützen. Dort ist unter Ziffer 3 ausdrücklich zu lesen: „Wird die Durchführung der Veranstaltung insgesamt aus Gründen unmöglich, die der Veranstalter nicht zu vertreten hat, so werden dem Besucher gegen Vorlage der erworbenen Eintrittskarte und der Kaufquittung bei der jeweiligen Vorverkaufsstelle der Kartenpreis sowie die Vorverkaufsgebühr zurückerstattet.“
Zwar bestimmen die AGBs an späterer Stelle (Ziffer 15), dass der Veranstalter einzelne Park- und Campingplatzbereiche oder sonstige Bereiche des Festivalgeländes vorübergehend oder vollständig räumen und absperren dürfe. Und zwar, hierauf wird ausdrücklich hingewiesen, ohne dass sich daraus ein Anspruch auf teilweise Rückerstattung des Kartenpreises ergäbe.
Für Vertragsrechts-Experten Dr. Zons steht das dem Rückzahlungsanspruch der Festivalbesucher aber nicht entgegen: „Abgesehen davon, dass es hier nicht um die Räumung „einzelner Bereiche“ des Geländes geht, sondern um den Komplettabbruch der Veranstaltung, dürfte Ziff.15 der RoR-AGB ohnehin aus einer Reihe von Gründen gemäß §§ 305 ff. BGB unanwendbar sein.“
Ticketkaufpreis wird teils erstattet
Unmittelbar nach dem vorzeitigen Ende des Festivals „Rock am Ring“ war unklar, ob und in welcher Höhe die Besucher entschädigt werden. Über die Webseite von „Rock am Ring“ hat der Festivalveranstalter Marek Lieberberg nun aber verkündet, dass jedem Besucher des Festivals eine Teilerstattung in Höhe von 40 Prozent des Ticketverkaufs-Preises zusteht. Besucher sollten ihr Originalticket bis zum 31. Juli 2016 postalisch an den Kundendienst von Eventim senden. Auf der Grundlage des Kaufpreises wird dann die jeweile Entschädigung von 40 Prozent berechnet. Weitere Informationen finden sich auf der Webseite von „Rock am Ring“.
Teilzahlungsanspruch beschränkt sich nicht auf abgesagten Zeitanteil
Wirtschaftsrechtler Zons weist außerdem darauf hin, dass sich der Teilzahlungsanspruch der Besucher nicht unbedingt auf den Anteil des Ticketpreises beschränke, der dem Zeitanteil des abgesagten Teils des Festivals entspricht.
Anders ausgedrückt: Dass zeitlich nur ein Drittel des Festivals ausfiel, bedeutet nicht, dass man nur ein Drittel des Preises zurückverlangen kann. Vielmehr sei dabei auch zu berücksichtigen, dass durch den Abbruch auch einige der Hauptattraktionen ausgefallen sein, etwa Headliner wie Black Sabbath oder Fettes Brot. Für viele Besucher dürften gerade diese Auftritte ein Grund gewesen sein, das Festival überhaupt zu besuchen.
Festival-Besucher sollten sich schriftlich mit einer Kopie ihrer Festivalkarte an den Veranstalter wenden und ihre Forderung deutlich machen. Sollten diese Versuche nicht gehört werden, lohnt sich ein Besuch beim Anwalt. Ein wenig Geduld beim Warten auf eine Reaktion sollten „Rock am Ring“-Besucher allerdings besitzen. Etwa 90.000 Besucher besuchten das Festival in diesem Jahr, die Veranstalter müssen sich also auf einiges an Post einstellen.
Höhere Gewalt: Kein Anspruch auf Mehrkostenersatz
Eine Ticketrückerstattung ist also im Fall „Rock am Ring 2016“ sehr gut möglich. Auf weiteren Schadensersatz müssen eventuell durch das Unwetter geschädigte Besucher aber wohl verzichten. Da es sich bei einem Unwetter um eine Form höherer Gewalt handelt, hätten Betroffene keinen Anspruch auf den Ersatz von Mehrkosten. Dazu würden zum Beispiel stornierte Zugtickets, Miet-Campingwägen oder durch das Gewitter beschädigte Zeltausrüstung zählen. Bedenkt man allerdings, das alleine das Standardticket für „Rock am Ring“ mit rund 200 Euro zu Buche schlägt, dürften viele Besucher ein Interesse an der Rückerstattung des Ticketpreises besitzen. Die Anwaltauskunft kann an dieser Stelle nur dazu aufrufen, diesen Anspruch durchzusetzen. Allgemeine Tipps zu Rechtsfragen rund um Musikfestivals können Sie außerdem hier lesen.
- Datum
- Aktualisiert am
- 30.06.2016
- Autor
- psu