Ist Deutschland ein Einwanderungsland? Diese Frage war hierzulande lange umstritten. Erst seit Kurzem und erst angesichts der hierher kommenden Asylsuchenden und Flüchtlinge beginnen viele Menschen, die Bundesrepublik als Einwanderungsland zu betrachten. Diese späte Einsicht erstaunt, denn immerhin leben hierzulande rund 16 Millionen Menschen mit einem Migrationshintergrund. Diese Menschen sind in den letzten Jahrzehnten entweder selbst eingewandert oder stammen von Migranten ab (siehe Info-Box).
In der aktuellen Diskussion um hierher kommende Flüchtlinge wird oft nicht klar unterschieden zwischen Asylsuchenden, Flüchtlingen und Arbeitsmigranten. Für jede dieser Gruppen gelten aber andere rechtliche Regeln, für Arbeitsmigranten etwa das Zuwanderungsgesetz (siehe Info-Box).
Migration in der Nachkriegszeit
Seit dem Ende des 2. Weltkrieges lassen sich zwei große Einwanderungsschübe nach Deutschland ausmachen: Kurz nach Kriegsende wanderten viele Spätaussiedler aus Osteuropa und Russland ein. Ab den 50er Jahren kamen Arbeitsmigranten aus Südeuropa, aus Italien, Spanien oder Griechenland etwa. Über Anwerbeabkommen der Heimatländer mit der Bundesrepublik kamen außerdem Arbeitskräfte aus der Türkei nach Deutschland. Und mit den Migranten reisten oft auch deren Angehörige im Zuge des Familiennachzugs ein. Die Arbeitsmigration aus Südeuropa endete mit der Ölkrise 1973. Danach gab es kaum noch legale Wege, um als Migrant nach Deutschland einzureisen und sich hier niederzulassen. Legale Möglichkeiten ergaben sich erst wieder im Jahr 2000, als die damalige rot-grüne Bundesregierung die Green Card für Computerfachleute ins Leben rief, und danach im Jahr 2005 mit dem Zuwanderungsgesetz (siehe nebenstehenden Text).
Einwandern nach Deutschland: Was regelt das Zuwanderungsgesetz?
Obwohl das Zuwanderungsgesetz bereits im Jahr 2005 in Kraft getreten ist, kennen es nur wenige Menschen. Dabei definiert das Zuwanderungsgesetz zentrale Regeln, über die Migranten nach Deutschland einwandern und hier arbeiten können. Zumindest können darüber hochqualifizierte Migranten einwandern, deren Qualifikationen auf dem deutschen Arbeitsmarkt gefragt sind.
Zentrale Teile des Zuwanderungsgesetzes sind das Aufenthaltsgesetz und die Beschäftigungsverordnung.
Einwanderung nach Deutschland: andere Regeln für EU-Bürger und Bürger aus Drittstaaten?
Die Möglichkeiten, als Arbeitsmigrant einzuwandern und hier zu arbeiten, unterscheiden sich je nach der Herkunft der Migranten: Für EU-Bürger gelten andere gesetzliche Regeln als für Menschen aus Drittstaaten, also aus Ländern, die außerhalb der EU liegen.
Wie kann man als EU-Bürger nach Deutschland einwandern?
EU-Bürger und ihre Familien brauchen für die Einreise nach Deutschland weder ein Visum noch müssen sie einen Aufenthaltstitel oder eine Arbeitserlaubnis beantragen.
Das gilt auch für Bürgerinnen und Bürger der Schweiz und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Zum EWR gehören Liechtenstein, Norwegen oder Island.
Das EU-Freizügigkeitsrecht erlaubt es jedem Angehörigen eines Mitgliedstaates der EU, sich mit seiner Familie bis zu drei Monate in Deutschland aufzuhalten.
„Wenn Unionsbürger länger als drei Monate in Deutschland bleiben, müssen sie bestimmte Kriterien erfüllen: Sie müssen beispielsweise arbeiten, als Selbstständige tätig sein oder zumindest einen Arbeitsplatz suchen“, sagt Rechtsanwalt Thomas Oberhäuser, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).
Wenn EU-Bürger eine Arbeitsstelle suchen, aber noch keine gefunden haben, dürfen sie bis zu sechs Monate im Land bleiben.
EU-Bürger, die nicht erwerbstätig sind, dürfen sich auch längere Zeit in Deutschland aufhalten, müssen sich dann aber selbst krankenversichern und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Das gilt auch für Studenten und Rentner.
EU-Bürger: Welche Regeln gelten bei der Arbeitssuche?
EU-Bürgern steht der deutsche Arbeitsmarkt uneingeschränkt offen. Allerdings müssen sie je nach dem Beruf, den sie ausüben, eine Qualifikationsprüfung durchlaufen. Das bedeutet: Deutsche Behörden überprüfen die beruflichen Qualifikationen der EU-Bürgerin oder des EU-Bürgers, vergleichen diese mit deutschen Abschlüssen und erkennen sie im besten Falle als gleichwertig an. Die Anerkennung als gleichwertig mit deutschen Abschlüssen ist die Voraussetzung dafür, dass EU-Bürger hierzulande im gelernten Beruf tätig sein dürfen.
EU-Bürger und Anerkennung beruflicher Abschlüsse: Muss man jeden beruflichen Abschluss anerkennen lassen?
Nein. EU-Bürger müssen dieses Verfahren zur Überprüfung und Anerkennung ihrer beruflichen Abschlüssen nur für bestimmte berufliche Abschlüsse durchlaufen. Von diesem Verfahren ausgenommen sind Berufe wie etwa Hebamme, Krankenpfleger oder Architekt, denn solche Berufsabschlüsse erkennt jeder Mitgliedsstaat der EU automatisch an.
Erhalten EU-Bürger Sozialleistungen in Deutschland?
Wer nicht in Deutschland arbeitet, selbstständig tätig ist oder einen Leistungsanspruch auf Grundsicherung oder Hartz IV hat, weil er zuvor hier gearbeitet hat, der erhält in den ersten fünf Jahren seines Aufenthaltes keine Sozialleistungen. Darunter fallen Hartz-IV-Leistungen oder Sozialhilfe. Die Betroffenen können aber für maximal einen Monat sogenannte Überbrückungsleistungen bis zu ihrer Ausreise bekommen.
Einwandern aus Drittstaaten: Braucht man ein Visum?
Wer aus folgenden Ländern nach Deutschland einreisen will, braucht kein Visum: Australien, Israel, Japan, Kanada, Neuseeland, Republik Korea, USA.
Alle anderen Bürgerinnen und Bürger aus Ländern, die außerhalb der EU liegen, brauchen für die Einreise eine Erlaubnis, also ein Visum. Das Visum müssen Migranten in ihrem Herkunftsland in einer der deutschen Botschaften oder Generalkonsulate beantragen.
Mit dem Visum dürfen Migranten bis zu drei Monate in Deutschland bleiben.
Akademiker können ein Visum zur Arbeitsplatzsuche beantragen, dieses gilt für sechs Monate. Akademiker müssen in der Zeit für sich aufkommen und dürfen nicht arbeiten. Wenn sie in der Zeit eine Stelle finden, müssen sie einen Aufenthaltstitel beantragen.
Einwanderung aus Ländern außerhalb der EU: Braucht man einen Aufenthaltstitel?
Wer länger in Deutschland bleiben will, muss zusätzlich zum Visum einen Aufenthaltstitel beantragen. Meist wird der Aufenthaltstitel zunächst befristet und für einen bestimmten Aufenthaltszweck ausgestellt, etwa eine Erwerbstätigkeit, ein Studium oder eine Ausbildung. Wer einen Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit bekommt, braucht keine Arbeitserlaubnis.
Einwanderung aus Drittstaaten: Welche Aufenthaltstitel gibt es?
Das Aufenthaltsgesetz kennt zwei Titel: die Aufenthaltserlaubnis (befristet) und die Niederlassungserlaubnis (unbefristet). Daneben sehen EU-Richtlinien eine Blue Card EU (befristet) vor und eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU (unbefristet).
Einwanderung aus Drittstaaten: Wann erhält man einen Aufenthaltstitel?
Wer einen Aufenthaltstitel erhalten will, muss einige Kriterien erfüllen; „Man muss einen Pass und ein Visum zu einem bestimmten Zweck besitzen“, sagt Oberhäuser. „Auch muss man seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten können und darf nicht straffällig geworden sein.“
Aufenthaltstitel für eine Ausbildung, ein Studium oder zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit erteilen die Behörden nur, wenn Studien- oder Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen oder die berufliche Qualifikation des Migranten auf dem deutschen Arbeitsmarkt gefragt ist.
Fachkräfte müssen ein Jobangebot vorweisen und die Bundesagentur für Arbeit muss ihnen erlauben, zu arbeiten. Das ist immer dann der Fall, wenn Fachkräfte in einem „Engpassberuf" arbeiten, also einem Beruf, in dem Fachkräfte fehlen.
Eine Blue Card EU können Akademiker bekommen, wenn sie ein Jobangebot haben und jährlich mindestens 48.400 Euro verdienen. Bei Naturwissenschaftlern, Mathematikern, Ingenieuren oder Ärzten liegt das Jahresgehalt etwas niedriger. Daneben gibt es weitere Aufenthaltstitel, je nach den beruflichen Fähigkeiten der Migranten.
Zuwanderungsgesetz: Gilt es auch für gering qualifizierte Migranten?
Diese Beispiele machen deutlich: Gut qualifizierte Ausländer können schon jetzt problemlos nach Deutschland einwandern. „Ganz anders sieht es aber mit gering qualifizierten Arbeitnehmern aus“, sagt Rechtsanwalt Oberhäuser. „Für diese Gruppe bietet das Zuwanderungsgesetz zu wenige Regeln, nach denen sie sich hier niederlassen dürfen.“
Problematisch ist auch, dass Migranten kaum einen Aufenthaltstitel erhalten können, wenn sie sich bereits im Land befinden, aber mit einem „falschen“ oder gar ohne Visum eingereist sind. Das deutsche Aufenthaltsrecht lässt einen solchen Statuswechsel kaum zu. Ein Beispiel: „Wer einen Asylantrag gestellt hat, muss in aller Regel das Land verlassen, bevor er einen Aufenthaltstitel für einen anderen Aufenthaltszweck beanspruchen kann“, sagt Thomas Oberhäuser. „Man hat beispielsweise keinen Anspruch darauf, einen Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu bekommen.“
- Datum
- Aktualisiert am
- 29.05.2018
- Autor
- ime