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Tourismus

Zweckent­frem­dungs­verbot: Vermietung von Ferien­woh­nungen vor Gericht

Vermieter kämpfen vor Gericht gegen das Verbot, Ferienwohnungen an Touristen zu vermieten. © Quelle: Westend61/gettyimages.de

Berlin ist eine Reise wert. Doch viele Touristen übernachten lieber in der Ferien­wohnung als im Hotel. Weil die Hauptstadt das verbietet, ziehen Vermieter vor Gericht - und scheitern in erster Instanz.

Eigentlich dürfte es sie gar nicht mehr geben. Diese schicke Ferien­wohnung gleich um die Ecke vom Kudamm. Rote Wände, dunkle Sofas, großfor­matige Kunst an der Wand. Vermieter Olaf Bölter wirbt mit Südbalkon und offener Küche. Dafür drohen ihm hohe Bußgelder. Denn in Wohnhäusern kommerziell Ferien­woh­nungen anzubieten, ist seit Mai in Berlin endgültig verboten. Bölter jedoch will das nicht akzeptieren - und zog mit anderen Ferien­wohnungs-Vermietern vor Gericht.

Es ist wohl der erste Prozess, der sich in Deutschland so grundsätzlich um ein Ferien­woh­nungs­verbot dreht. Unterstützung bekommen die Kläger vom Vermitt­lungs­portal Wimdu, bei dem sie ihre Wohnungen anbieten. Das Urteil könnte Folgen nicht nur für Berlin haben. Denn auch in Städten wie Hamburg, München, Freiburg oder Köln dürfen Wohnungen nicht mehr einfach an Touristen vermietet werden.

In erster Instanz sind die Berliner Vermieter vor dem Verwal­tungs­gericht gescheitert. Die Behauptung der Vermieter, das Zweckent­frem­dungs­verbot schränke sie in ihrer Berufs­freiheit ein und benach­teilige sie gegenüber Ärzten und Rechts­an­wälten, wiesen die Richter als unbegründet ab.

Wogegen wehren sich die Ferien­wohnungs-Anbieter?

Gegen das Berliner Zweckent­frem­dungs­ver­bots­gesetz. Das verbietet spekulativen Wohnungs­leerstand, Abriss, die Umwandlung von Wohnungen in Büro- oder Gewerberäume und eben die Nutzung als Ferien­wohnung. Ein Zimmer der selbst bewohnten Wohnung an Touristen zu vermieten, ist erlaubt - dauerhaft die ganze Wohnung anzubieten aber nicht.

Zweitwoh­nungen als Ferien­woh­nungen erlaubt

Zweitwoh­nungen in Berlin dürfen zeitweise an Touristen vermietet werden. Das entschied das Verwal­tungs­gericht am 9. August 2016. Die zuständigen Bezirksämter müssen dann eine Ausnah­me­ge­neh­migung erteilen. Das Gericht gab damit drei Wohnungs­ei­gen­tümern Recht. Diese hatten geklagt, weil ihnen die Bezirksämter die Genehmigung verweigert hatten, ihre Wohnungen vorüber­gehend an Touristen zu vermieten.

Die Bezirksämter von Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow hatten argumentiert, auch Zweitwoh­nungen unterlägen dem Zweckent­frem­dungs­verbot. Mit dieser Auffassung scheiterten sie nun vor Gericht. Die Eigentümer aus Rostock, Dänemark und Italien nutzen ihre Wohnungen zum Teil selbst. In der Zeit, in der sie nicht da sind, wollten sie Feriengäste beherbergen.

Warum macht Berlin das?

In der Hauptstadt sind bezahlbare Wohnungen knapp. Da soll der wenige Platz nicht auch noch von Touristen blockiert werden. Der Senat geht davon aus, dass bis zu 10 000 Wohnungen bei Portalen wie Wimdu, Airbnb und 9flats registriert sind. Das wären fast so viele wie in ganz Berlin pro Jahr gebaut werden - Wohnraum für 20 000 Menschen.

Schadet Berlin durch das Verbot nicht dem Tourismus?

Das sehen Senat und Vermieter unterschiedlich. Die Landes­re­gierung verweist auf die Kapazitäten der zahlreichen Hotels und Hostels, wo auch die Ferien­wohnungs-Touristen noch unterkommen könnten. Vermieter dagegen berichten von Familien, die ihren Urlaub absagten, weil sie statt der Ferien­wohnung nur Hotelzimmer bekommen konnten. In Umfragen hätten 40 Prozent der Gäste angegeben, ohne Ferien­wohnung wären sie erst gar nicht nach Berlin gereist, sagt Wimdu-Anwalt Peter Vida.

Welche Argumente haben die Vermieter noch gegen das Verbot?

Sie halten es für verfas­sungs­widrig. Es verstoße gegen das Eigentumsrecht der Immobi­li­en­be­sitzer und beschränke bei gewerb­lichen Anbietern die Berufs­freiheit, argumentiert Vida. Viele Anbieter sehen ihre Erwerbs­grundlage gefährdet. Sie haben für die Ferien­wohnung Kredite aufgenommen, die sie nun kaum abbezahlen können. Auch dadurch seien essenzielle Grundrechte verletzt.

Kann das Gesetz den Wohnungs-Engpass überhaupt lösen?

Allein sicher nicht. Denn die Ferien­woh­nungen machen nicht einmal ein Prozent des Berliner Mietwoh­nungs­markts aus. Das ist auch ein Hauptar­gument der Kläger. Der ehemalige Präsident des Berliner Verfas­sungs­ge­richtshofs, Helge Sodan, bezeichnet das Verbot in einem Gutachten als unverhält­nismäßig. Die Belastungen der Vermieter stünden „in keinem vernünftigen Verhältnis“ zu den Vorteilen, die die frei gewordenen Wohnungen der Allgemeinheit bringen.

Was passiert, wenn sich ein Vermieter nicht an das Gesetz hält?

Er muss Bußgelder bis zu 100 000 Euro pro Wohnung befürchten - je nachdem, wie viel er mit der Ferien­wohnung einnimmt. Allerdings kommen die Bezirke mit den Kontrollen bislang überhaupt nicht hinterher. Sie hätten noch zu viele Anträge auf Ausnah­me­ge­neh­mi­gungen abzuar­beiten, berichtet Stephan von Dassel (Grüne), Bezirks­stadtrat von Berlin-Mitte. Später im Sommer sollten sich die Anbieter aber auf deutlich mehr spontane Hausbesuche gefasst machen. Aufgespürt werden die illegalen Ferien­woh­nungen unter anderem über eine Art Spitzel- Internetseite, auf der Nachbarn sie anonym anschwärzen können.

Fallen auch Büros und andere Gewerberäume unter das Zweckent­frem­dungs­verbot?

Zumindest in Berlin erlaubt es das Zweckent­frem­dungs­verbot nur noch in Ausnah­me­fällen, dass Wohnungen in Büros umgewandelt werden. Unabhängig davon hat der Bundes­ge­richtshof mit einem Grundsatz­urteil die Praxis gestoppt, den Bedarf des Vermieters an Büro- oder Geschäfts­räumen als legitimen Kündigungsgrund anzuer­kennen (Urteil vom 29. März 2017, AZ: VIII ZR 45/16). Stattdessen müssten sich die Gerichte künftig immer den Einzelfall anschauen und genau prüfen, ob die Interessen des Eigentümers wirklich so gewichtig sind, dass sie vorgehen.

Im konkreten Fall verhin­derten die Richter, dass ein Berliner Mieter nach 40 Jahren ausziehen muss, weil der Ehemann der Vermieterin seine Beratungsfirma erweitern möchte. Wegen der grundsätz­lichen Bedenken spielte das Berliner Zweckent­frem­dungs­verbot für die Entscheidung am Ende keine Rolle mehr.

Studie zeigt: Zweckent­frem­dungs­verbot wirkt bisher nur teilweise

Die Wirksamkeit der seit Mai 2016 geltenden Regelung lässt noch stark zu wünschen übrig: In keiner anderen deutschen Stadt gibt es so viele Airbnb-Angebote wie in der Hauptstadt. Im Herbst 2016 waren es laut Datenex­perten von Studio Karat rund 12.400, in Hamburg waren es 2015 gerade mal 3000.

Ein wesent­licher Grund für die mangelnde Gesetzestreue: Die schlechte Durchsetz­barkeit des Verbots. So sollen dem Bezirk Mitte lediglich drei Außendienst­mit­ar­beiter zur Verfügung stehen, um Tausende Wohnungen in dem Kiez zu kontrol­lieren.

Eine positive Bilanz gibt es allerdings: Die Zahl kommer­zieller Inserate hat auf der Airbnb-Plattform stark abgenommen und liegt aktuell (Stand: Herbst 2016) nur noch bei 20 Prozent.

Datum
Aktualisiert am
29.03.2017
Autor
dpa/red
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