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Schwerer Pflicht­verstoß rechtfertigt nicht automatisch Kündigung

(red/dpa). Grundsätzlich kann einem Arbeit­nehmer gekündigt werden, wenn er gegen eine seiner Hauptpflichten aus dem Arbeits­ver­hältnis verstößt. Es kann aber auch Fälle geben, in denen trotz eines gravie­renden Verstoßes eine Kündigung nicht gerecht­fertigt ist.

Die Frau arbeitete bei einer Sparkasse. Ihr war die Abteilung Marktservice mit den Bereichen Vertriebs­un­ter­stützung Passiv und Dienst­leis­tungen (VPD), Darlehens­buch­haltung, Zahlungs­verkehr und Depotbuch­haltung übertragen worden. 

Sparkasse: Geschäfte für Dritte nicht über das eigene Konto

Zwischen 2010 und 2012 nahm die Mitarbeiterin insgesamt 33 Verfügungen über das Konto ihrer Mutter vor. Die Verfügungen erfolgten online. Sie buchte Beträge zwischen 500 und 12.000 Euro vom Sparbuch der Mutter auf deren Konto, ihr eigenes Konto und das der Tochter. Die Frau verfügte über eine General­vollmacht ihrer Mutter, die sie auch zu Verfügungen über das Konto ihrer Mutter ermächtigte.

Nach dem Vier-Augen-Prinzip gab ein zweiter Mitarbeiter die Zahlungs­vorgänge frei.

Die Sparkasse hat ihren Mitarbeitern zahlreiche Anweisungen zur Abwicklung des Zahlungs­verkehrs gegeben. Danach dürfen Geschäfte für Dritte nicht über das eigene Konto vorgenommen und abgewickelt werden. Außerdem dürfen Mitarbeiter in eigenen Angele­gen­heiten weder beratend noch entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung ihnen selbst, ihrem Ehegatten, Verwandten bis zum dritten Grad, Verschwä­gerten bis zum zweiten Grad oder einer durch eine Vollmacht vertre­tenden Person einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. 

Als ein Erbe der zwischen­zeitlich verstorbenen Mutter Buchungs­vorgänge auf dem Sparbuch der Mutter hinter­fragte, erfuhr die Sparkasse von den Buchungs­vor­gängen. Sie kündigte der Mitarbeiterin fristlos. 

Schwer­wiegende Verstöße gegen Arbeits­an­wei­sungen

 Die Kündigungs­schutzklage der Frau war in zwei Instanzen erfolgreich. Zwar seien die wieder­holten Verstöße gegen die Arbeits­an­wei­sungen so gravierend, dass sie eine außeror­dentliche Kündigung rechtfertigen könnten, so die Richter des Landes­ar­beits­ge­richts Düsseldorf. Die Mitarbeiterin habe erheblich gegen ihre Hauptpflichten aus dem Arbeits­ver­hältnis verstoßen. Arbeitgeber als auch Arbeit­nehmer seien zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Interessen ihres Vertrags­partners verpflichtet. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiter­be­schäf­tigung des Mitarbeiters trotz einer erheblichen Pflicht­ver­letzung zuzumuten sei, müsse man das Interesse des Arbeit­gebers an der sofortigen Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses gegen das des Arbeit­nehmers an dessen Fortbestand abwägen. Diese Abwägung ergebe im vorlie­genden Fall, dass das Interesse der Frau am Erhalt des Arbeits­platzes überwiege. Einer Kündigung hätte auf jeden Fall eine Abmahnung vorausgehen müssen.

Kein Verzicht auf Abmahnung möglich

Zweck einer Kündigung wegen erheblicher Pflicht­ver­let­zungen sei es, das Risiko weiterer solcher Verlet­zungen zu vermeiden. Daher setze eine solche Kündigung in der Regel eine Abmahnung voraus. Auf eine Abmahnung dürfe der Arbeitgeber nur dann verzichten, wenn eine Verhal­tens­än­derung des Mitarbeiters nach einer Abmahnung nicht zu erwarten sei oder es sich um eine derart schwere Pflicht­ver­letzung handele, dass der Arbeitgeber diese nicht hinnehmen könne. Diese Voraus­set­zungen seien hier nicht erfüllt. 

Die Auswir­kungen des Fehlver­haltens seien nicht so gravierend, dass es nicht möglich sei, die Frau weiter­zu­be­schäftigen. Der Sparkasse sei durch das Verhalten der Mitarbeiterin kein Schaden entstanden. Außerdem handele es sich trotz mehrerer Verfügungen um „einen einheit­lichen Lebens­sach­verhalt“. Es sei um Überwei­sungen vom Sparkonto der Mutter gegangen. Die Tochter habe auch nicht eigenmächtig über das Konto ihrer Mutter verfügt. Sie habe eine General­vollmacht für das Konto, und die Verfügungen seien mit ihrer Mutter und ihren Brüdern abgestimmt gewesen.

Auch sei der Imageschaden für das Unternehmen relativ klein, da lediglich ein Miterbe eine Klärung des Sachverhalts beantragt habe. Dass weitere Personen von dem Vorgang erfahren hätte, sei nicht bekannt. Ebenso wenig sei von einer Wieder­ho­lungs­gefahr auszugehen. Da die Mutter der Frau mittlerweile verstorben sei, sei ein solches Verhalten in Zukunft nicht mehr zu erwarten.

Landes­ar­beits­gericht Düsseldorf am 4. November 2014 (AZ: 17 Sa 637/14)

Rechts­gebiete
Arbeitsrecht Kündigungs­schutzrecht

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