Wer ohne zwingenden Grund stark abbremst, handelt verkehrswidrig. In dem Fall müsste der Auffahrende nicht haften. In einem vom Landgericht Hamburg am 31. Oktober 2016 (AZ: 306 O 141/16) entschiedenen Fall hörte die Vorausfahrende allerdings ein Martinshorn und bremste ab, obwohl die Ampel grün war. Das war erlaubt, wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.
Die als Pastorin angestellte Frau stand mit ihrem Auto an einer Ampel und wollte nach rechts abbiegen. Hinter ihr stand ein weiteres Auto und wollte ebenfalls nach rechts. Als die Ampel auf Grün schaltete, fuhren beide Autofahrer los. Die Frau bremste allerdings ab, da sie ein Martinshorn hörte. Der später beklagte Fahrer fuhr ihr auf. An der Unfallstelle selbst fuhr dann kein Einsatzfahrzeug mit Blaulicht oder Martinshorn vorbei.
Anscheinsbeweis: Auffahrender Fahrer muss vollen Schadensersatz leisten
Die Frau macht den entstandenen Schaden geltend. Die gegnerische Versicherung regulierte aber nur anteilig zu etwa zwei Dritteln. Sie bezog sich auf ein Mitverschulden der Frau. Das Hamburger Gericht entschied allerdings, dass die Versicherung des anderen Autofahrers den Schaden zu 100 Prozent übernehmen müsse. Zunächst einmal spreche der sogenannte Anscheinsbeweis beim Auffahrunfall dafür, dass der auffahrende Autofahrer Schuld habe.
Wer ein Martinshorn hört, muss sich Kenntnis über seine Richtung verschaffen
Das Gericht konnte keinen Verkehrsverstoß der Pastorin feststellen. Schließlich habe sie nicht ohne zwingenden Grund gebremst. Wer ein Martinshorn höre, der muss sich „schnellstmöglich Kenntnis darüber verschaffen, von wo aus sich das mit Sonderrechten fahrende Fahrzeug annähert“, führte das Gericht in seinem Urteil aus. Nach Auffassung des Gerichts komme es dabei auch nicht darauf an, ob tatsächlich ein Einsatzfahrzeug an der Unfallstelle vorbeigefahren sei. Es reiche, dass die Frau das Martinshorn gehört habe.
Das Gericht hatte auch schon Zweifel an der vom Fahrer geäußerten „Vollbremsung“. Beide Fahrzeuge waren gerade erst losgefahren, um abzubiegen. Daher sei eine „starke Bremsung“ eher unwahrscheinlich. Die einfache Betriebsgefahr tritt ebenfalls wegen des Auffahrunfalls und des damit verbundenen Anscheinsbeweises zurück.
Dieser Fall zeigt deutlich, dass man auch gegenüber einer gegnerischen Versicherung nicht klein beigeben muss. Mit anwaltlicher Hilfe konnte hier der volle Anspruch auf Schadensersatz durchgesetzt werden. DAV-Verkehrsrechtsanwälte in der Nähe findet man in der Anwaltssuche auf dieser Website.
Quelle: www.verkehrsrecht.de
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