Das Freiwillige Soziale Jahr stellt einen angemessenen Ausbildungsschritt dar. Daher kann auch dann Anspruch auf Kindesunterhalt bestehen. Dies entschied das Oberlandesgericht Hamm, wie die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert.
Der Fall: Die 1997 geborene junge Frau lebt bei ihrer Mutter. Die Realschule schloss sie im Sommer 2013 ab. Ab Oktober 2013 absolvierte sie ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Krankenhaus. Dort erhielt sie ein Taschen- beziehungsweise Verpflegungsgeld von 370 Euro im Monat.
Von ihrem Vater verlangte sie einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 149 Euro nach Abzug der Einkünfte und des Kindergeldes. Die Ableistung des Freiwilligen Sozialen Jahres diene der Vorbereitung auf ihr Berufsziel Krankenschwester, so die Tochter. Dann erhöhten sich ihre Chancen, im Pflegebereich eine Ausbildungsstelle zu bekommen.
Der Vater wollte keinen Unterhalt zahlen. Er meinte, seine Tochter hätte sich nach dem Schulabschluss direkt um eine Ausbildungsstelle bemühen müssen. Sie habe dies offensichtlich nicht einmal versucht. Für die Absolvierung eines Freiwilligen Sozialen Jahres bestehe kein Anspruch auf Kindesunterhalt. In der ersten Instanz unterlag die Tochter, da das Freiwillige Soziale Jahr keine Voraussetzung für die Ausbildung zur Krankenschwester sei.
Gericht: Anspruch auf Kindesunterhalt auch während Freiwilligendienstes
Das Oberlandesgericht in Hamm dagegen verpflichtete den Vater dazu, den gewünschten Kindesunterhalt an die Tochter zu zahlen. Es sei nicht nur dann Unterhalt während des Freiwilligen Sozialen Jahres zu zahlen, wenn dieses die Voraussetzung für ein späteres Studium oder eine Ausbildung sei.
Die Richter begründeten das mit dem Ziel des Gesetzes zum Jugendfreiwilligendienst. Demnach sollen soziale, kulturelle und interkulturelle Kompetenzen vermittelt und das Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl gestärkt werden. Die Freiwilligen sollen neben beruflicher Orientierung und Arbeitserfahrung auch wichtige personale und soziale Kompetenzen erwerben, die als Schlüsselkompetenzen auch die Arbeitsmarktchancen verbessern können, heißt es in der Gesetzesbegründung.
Daraus schloss das Gericht, dass ein solcher Dienst ein angemessener Ausbildungsschritt sei. Und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildung später tatsächlich in einen sozialen Beruf münde, sich das Freiwillige Soziale Jahr also „konkret auszahlt“.
Das Gericht zeigt die Tendenz, einen solchen Anspruch grundsätzlich zu bejahen. In dem Fall musste es das aber nicht konkret entscheiden, da hier ja das Freiwillige Soziale Jahr in einem Krankenhaus zum Berufswunsch der Krankenschwester passt. Die Frau wird die gesammelten beruflichen Erfahrungen in einer Ausbildung zur Krankenschwester nutzen können.
Im Übrigen führten die Richter aus, dass ein solches Jahr auch die Möglichkeit biete, Klarheit darüber zu erhalten, ob der angestrebte Beruf sich tatsächlich für die Tochter eigne. Auch für eine solche Orientierungsphase bestehe Anspruch auf Kindesunterhalt.
Die Hartnäckigkeit der jungen Frau hat sich also ausgezahlt. Sie hat sich durch die Entscheidung der ersten Instanz nicht abschrecken lassen. Mit anwaltlicher Hilfe konnte sie sich letztlich durchsetzen (Urteil vom 8. Januar 2015, AZ: II-1 WF 296/14).
- Datum
- Aktualisiert am
- 16.02.2016
- Autor
- dpa/red