
In einer mit Spannung erwarteten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 24.9.2015 die Entscheidung verkündet, dass ein Mann, der mit der Mutter eines Kindes nicht verheiratet war und auch nicht der leibliche Vater des Kindes ist, sondern durch künstliche Befruchtung (heterologische Insemination) mit seiner Einwilligung während des Zusammenlebens entstanden ist, Unterhalt bezahlen muss (AZ: XII ZR 99/14).
Hart für den Beklagten: Er muss rückständigen Unterhalt in Höhe von 17.000 Euro an das klagende Kind bezahlen und weiteren Unterhalt bis zur Volljährigkeit und eventuell auch darüber hinaus.
Der Sachverhalt: Die Mutter der Klägerin (Kind) und der Vater (Beklagter) führten mindestens zwischen 2000 und 2007 eine intime Beziehung, ohne in einem gemeinsamen Haushalt gelebt zu haben. Der Beklagte war zeugungsunfähig. Weil sich die Mutter der Klägerin ein Kind wünschte, stimmte der Beklagte einer heterologischen Insemination zu, die der Hausarzt bei der Mutter der Klägerin am 23. Juli 2007 durchführte mit fremden Sperma, das der Beklagte selbst besorgt hatte.
Dieser erste Versuch einer Befruchtung führte allerdings nicht zu einer Schwangerschaft. Der Beklagte hatte am Tag der heterologischen Semination einem vom Hausarzt vorgelegten „Notfall-/Vertretungsschein“ handschriftlich vermerkt: „Hiermit erkläre ich, dass ich für alle Folgen einer eventuell eintretenden Schwangerschaft aufkommen werde und die Verantwortung übernehmen werde!“.
Der Kläger trug vor dem Oberlandesgericht Stuttgart vor, dass es nach dem ersten Versuch der heterologischen Semination zwei weitere Versuche gegeben habe, der vom Januar 2008 habe schließlich zum Erfolg geführt. Die Klägerin wurde am 18. Oktober 2008 geboren. Der Beklagte bestritt, dass er mit den weiteren Versuchen der heterologischen Semination einverstanden gewesen sei. Unstreitig bezahlte der Beklagte aber die Erstlingsausstattung und Kindesunterhalt von Oktober bis Dezember 2008 und ließ sich zur Geburt gratulieren.
Wann steht einem Kind Unterhalt zu?
Die Klägerin machte vor dem Landgericht Stuttgart (AZ: 2 O 86/13) einen vertraglichen Unterhaltsanspruch geltend, der sich der Höhe nach an dem gesetzlichen geschuldeten Unterhalt orientierte. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, dagegen legte die Klägerin Berufung ein.
Das OLG Stuttgart hob das Urteil des LG Stuttgart auf und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von Unterhalt mit der Begründung, er habe – im Gegensatz zur Mutter der Klägerin – nicht glaubhaft dargelegt, dass er von den weiteren Inseminationsversuchen im Dezember 2007 und Januar 2008 nichts gewusst habe und es zu einem Zerwürfnis gekommen sei, zumal er nach der Geburt der Klägerin wie ein Vater aufgetreten sei und die amtliche Geburtsanmeldung eines Kindes im Standesamt unterschrieben habe. Zudem habe er die Erstausstattung bezahlt und dreimal monatlichen Unterhalt.
Das OLG Stuttgart ging davon aus, dass es sich bei der Insemination bei einem nichtehelichen Paar um die Übernahme der Elternschaft durch Willensakt handele und einer Adoption ähnlich sei.
Das Gericht verweist auf die Entscheidung des BGH zur heterologischen Insemination bei Eheleuten (BGHZ 129,297ff). Der BGH hat bereits entschieden, dass ein Ehemann, der sein Einverständnis zur heterologischen Insemination erteilt, regelmäßig zugleich einen von familienrechtlichen Besonderheiten geprägten berechtigten Vertrag zugunsten des Kindes gemäß § 328 BGB schließe und zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet sei. Dies gelte in gleicher Weise für einen nicht verheirateten Mann, der eine Einwilligung erteilt, zumal im vorliegenden Fall außerdem schriftlich erklärt worden war, für die Folgen einer ev. auftretenden Schwangerschaft aufzukommen.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Revision eingelegt mit dem Begehren, die Abweisung der Klage zu erreichen.
Bundesgerichtshof: Vaterschaft „mit Willenakt"
Der BGH hat nunmehr entschieden, dass der Beklagte Unterhalt bezahlen muss. Der BGH hat die Urteilsgründe des OLG Stuttgart bestätigt. Der Beklagte habe die Vaterschaft „mit Willensakt“ übernommen und damit zu erkennen gegeben, dass er wie ein Vater für das Kind sorgen wolle. Er wies auf den geänderten § 1600 Abs. 5 BGB hin, nach dem eine Anfechtung der Vaterschaft weder durch die Mutter noch den Vater möglich ist, wenn ein Kind durch künstliche Befruchtung mit Willen beider Elternteile entstanden ist.
Konsequenz: Nicht nur leibliche oder rechtliche Väter (Kind wird während der Ehe geboren), sondern auch Männer, die einer heterologischen Semination zugestimmt haben, sind unterhaltspflichtig, egal, ob sie mit der Mutter des Kindes verheiratet waren oder nicht.
- Datum
- Aktualisiert am
- 25.09.2015
- Autor
- Viola Lachenmann