Selber Schuld?
In dem vom Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main entschiedenen Fall benutzte der Mitarbeiter eines Baumarkts einen Gabelstapler zum Auffüllen der Waren. An diesem brachte er ein provisorisches Plexiglasdach als Wetterschutz an. Das beanstandete der betriebliche Sicherheitsbeauftragte. Der Mann sollte das Dach wieder abbauen. Darüber geriet er derart in Wut, dass er mit Verpackungsmaterial um sich warf und dann mindestens dreimal mit der Faust auf ein in der Nähe aufgestelltes Verkaufsschild schlug. Dieses war auf einer Holzstrebe montiert, die der Mann mehrfach traf. Dabei brach er sich die Hand. Für die Zeit seiner Krankschreibung verweigerte sein Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung. Der Mitarbeiter sei an seiner Verletzung selbst Schuld, begründete das Unternehmen diese Entscheidung. Spätestens nach dem ersten Schlag habe er die Holzstrebe spüren müssen. Wenn er trotzdem weiter auf das Schild eingeschlagen habe, habe er sich damit die Verletzung vorsätzlich beigebracht.
Verständnisvolle Richter
Mit seiner Klage vor Gericht war der Mitarbeiter erfolgreich. Um seinen Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts zu verlieren, müsse der Betreffende ein besonders leichtfertiges, grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten gegen sich selbst an den Tag legen. Das sahen die Richter bei dem Mann jedoch nicht gegeben. Es sei nicht zu erkennen, dass er sich bewusst habe verletzen wollen. Nach Auffassung der Richter lag daher nur mittlere Fahrlässigkeit vor. Der Kläger hätte bei verständiger Betrachtung allerdings damit rechnen müssen, dass er durch die Schläge auf das Schild eine Verletzung riskiere. Gegen eine grobe Fahrlässigkeit spreche jedoch, dass er sich offensichtlich in einem heftigen Wut- und Erregungszustand befand und sich dementsprechend kurzzeitig nicht unter Kontrolle hatte. Das sei nicht zu billigen, aber menschlich nachvollziehbar. Niemand sei in der Lage, sich jederzeit vollständig im Griff zu haben.
Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main am 23. Juli 2013 (AZ: 4 Sa 617/13)
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