So hat das Oberlandesgericht in Koblenz einen Baustellenleiter haftbar gemacht. Dieser hatte einem Leiharbeiter Tätigkeiten zugewiesen, bei denen mangels berufsgenossenschaftlich vorgeschriebener Schutzmaßnahmen die Gefahr von Gesundheitsschäden bestand. Kommt es zu Unfällen, ist meist die Haftungssumme sehr hoch, warnt die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Die Sozialversicherungsträger können sich ihre Aufwendungen zurückholen.
Dacharbeiten bei Missachtung der Sicherheitsvorschriften
Die Berufsgenossenschaft beanspruchte Ersatz ihrer Kosten, die durch den Arbeitsunfall eines Versicherten entstanden waren. Der Mann war als Leiharbeiter bei einer Firma tätig, die mit der Errichtung eines Kantinendaches beauftragt war. An einem Tag verlor er im Verlauf der Arbeiten das Gleichgewicht und stürzte von einer Mauer über fünf Meter tief auf den darunter befindlichen Betonboden. Er zog sich schwerste Schädel- und Wirbelverletzungen zu und ist seitdem querschnittsgelähmt. Die Unfallstelle war zum Unfallzeitpunkt nur in einzelnen Teilflächen mit Sicherheitsnetzen gegen Abstürze gesichert und entsprach nicht den einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften. Hierauf war der später beklagte Vorgesetzte des Verunglückten kurz vor dem Unfall ausdrücklich hingewiesen worden.
Zwei Instanzen: Vorgesetzter haftet – 942.436,13 Euro
Sowohl das Landgericht Mainz als auch das Oberlandesgericht gaben der Klage statt. Demnach kann die Berufsgenossenschaft den Ersatz der überwiegend für Heilbehandlung und Berufshilfe geleisteten Aufwendungen verlangen. Des Weiteren müsse der Vorgesetze auch für zukünftige Aufwendungen haften. Die Richter verurteilten ihn zur Zahlung von insgesamt 942.436,13 Euro.
Der Mann habe den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt. Er sei als Verantwortlicher in der konkreten Situation verpflichtet gewesen, den ihm unterstellten Arbeitnehmern keine gesundheitsgefährdenden Arbeiten zuzuweisen. Die Verpflichtung bestehe auch gegenüber Arbeitnehmern eines anderen Unternehmens, wenn sie im Rahmen einer vorübergehenden Tätigkeit im Betrieb eingesetzt würden. Seine Sorgfaltspflichten habe der Vorgesetze in ungewöhnlich hohem Maße verletzt. Der verunglückte Leiharbeiter trage auch keine Mitschuld. Er habe lediglich einer Anordnung seines weisungsbefugten Vorgesetzten entsprochen.
Volle Haftung auch für Arbeitnehmer
Die Haftung werde auch nicht durch arbeitsrechtliche Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung relativiert. So gibt es Entscheidungen, die im Einzelfall Haftungserleichterungen in Betracht ziehen. Dies geschieht im Hinblick auf ein mögliches Missverhältnis zwischen dem Verdienst des Arbeitnehmers und dem tatsächlichen Schadensrisiko seiner Tätigkeit sowie einer drohenden wirtschaftlichen Existenzgefährdung.
Dies sei im vorliegenden Fall aber nicht notwendig. Denn der Sozialversicherungsträger könne nach seinem Ermessen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Mannes auf Ersatzansprüche ganz oder teilweise verzichten. Aktuell gebe es für die Berufsgenossenschaft aber auch keinen Anlass für einen derartigen Verzicht, da der Betriebshaftpflichtversicherer des Arbeitgebers des Mannes für den verursachten Schaden aufzukommen habe. Der Mann bleibt somit nicht auf den Kosten sitzen.
Oberlandesgericht Koblenz am 22. Mai 2014 (AZ: 2 U 574/12)
Quelle: www.dav-sozialrecht.de
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