Nicht alle Tätigkeiten im Rahmen der Pflege sind gesetzlich unfallversichert, aber viele. Versichert sind Tätigkeiten in den Bereichen der Ernährung, der Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung. Dazu gehören etwa Maßnahmen zur Körperpflege oder Ernährung. Im Bereich der Mobilität ist es die Unterstützung beim Setzen, Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, beim An- und Auskleiden, Gehen, Stehen oder Treppensteigen.
Laut Landessozialgericht in Baden-Württemberg zählt jedoch nicht die Gabe von Medikamenten dazu. Anders verhält es sich allerdings, wenn erst durch die Verabreichung von Schmerzmitteln eine versicherte Tätigkeit ermöglicht wird. Das Gericht sprach einer Frau den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu, die stürzte, als sie ein Medikament holte, wie die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.
Häusliche Pflege Angehöriger
Die Frau pflegt ihre 1927 geborene Mutter bei sich zu Hause. Die Pflege leistet ein ambulanter Pflegedienst. Hierfür gewährte die Pflegekasse der Mutter unter anderem ein Pflegegeld in Höhe von 685 Euro monatlich. Für die Tochter entrichtet die Pflegekasse Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von zuletzt 305 Euro monatlich. Ein Entgelt oder sonstige Gegenleistung erhält die Tochter nicht.
Ihre Mutter ist im Obergeschoss des Hauses untergebracht. Als sie die Treppe ins Erdgeschoss hinunterging, um Schmerzmittel für die Mutter zu holen, stürzte sie auf der Treppe und brach sich die Schulter und den Oberarm. Sie musste stationär behandelt werden.
Die Tochter meinte, es handele sich um einen Arbeitsunfall. Sie habe das Schmerzmittel für die Mutter holen müssen, um sie wieder ins Bett bringen zu können. Diese habe über Schmerzen geklagt und ins Bett gewollt. Als die Tochter sie anhob, habe sie vor Schmerzen laut aufgeschrien. Ohne sie vom Sessel in den Rollstuhl zu heben, hätte sie sie aber nicht ins Bett bringen zu können. Um die Schmerzen zu lindern, habe sie ihr das Schmerzmittel geben wollen.
Die gesetzliche Unfallversicherung sah jedoch keinen Arbeitsunfall: Die reine Verabreichung von Medikamenten sei nicht gesetzlich unfallversichert. Im Vordergrund habe hier die Linderung der Schmerzen gestanden und nicht eine Maßnahme im Bereich der Mobilität, nämlich das Zu-Bett-Bringen.
Gericht: Arbeitsunfall bei Pflege eines Familienangehörigen
Die Klägerin hatte sowohl in der ersten aus einer zweiten Instanz Erfolg. Nach Auffassung beider Gerichte handelte es sich hier um eine Tätigkeit, die für die Mobilität der Mutter erfolgte. Maßnahmen im Rahmen der Mobilität, so auch das Ins-Bett-Bringen, decke die gesetzliche Unfallversicherung ab. Daher liege hier ein Arbeitsunfall vor. Die Gabe des Schmerzmittels habe allein dem Zweck gedient, die Mutter wieder ins Bett bringen zu können.
Die Verabreichung von Medikamenten ist keine Leistung der Pflegeversicherung. Andererseits ist die Laienpflege durch pflegende Angehörige in der gesetzlichen Krankenversicherung – die die Gabe von Medikamenten eigentlich übernehmen müsste – nicht in den Unfallversicherungsschutz einbezogen. Daher ist im vorliegenden Fall der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Medikamentengabe und dem Zu-Bett-Bringen entscheidend.
Landessozialgericht Baden-Württemberg am 20. November 2014 (AZ: L 6 U 2398/14)
Quelle: www.dav-sozialrecht.de
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