Müssen sie nicht, entschied das Sozialgericht Gießen. So stehen einem Hilfebedürftigen trotz eines bestehenden Sparguthabens Leistungen nach dem SGB II ("Hartz IV") zu. Voraussetzung ist allerdings, dass ihm das Geld nicht zur Verfügung steht, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Sparbuch der Großeltern für minderjährige Enkeltochter
Die 48-jährige Frau lebte mit ihrer minderjährigen Tochter in einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft und erhielt Hartz IV. Leistungen für die Tochter lehnte das Jobcenter ab, weil die Großeltern auf deren Namen Sparbücher mit einem Guthaben von knapp 9.700 Euro angelegt hatten. Die Großeltern verwahrten die Sparbücher und waren nicht bereit, diese zu kündigen und den angelegten Betrag an ihre Enkelin auszuzahlen. Das Jobcenter begründete seine Ablehnung damit, das Sparvermögen liege um gut 4.000 Euro über dem gesetzlichen Freibetrag. Bei einem monatlichen Anspruch der Tochter in Höhe von rund 140 Euro sei deren Lebensunterhalt somit für Monate sichergestellt.
Sparbuch wird nicht angerechnet, wenn Geld nicht zur Verfügung steht
Das Sozialgericht in Gießen konnte sich dieser Sichtweise nicht anschließen. Es verurteilte daher das Jobcenter, auch für die Tochter Leistungen zu erbringen und hob die entgegenstehenden Bescheide des Jobcenters auf. Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit zur Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung sei vorhandenes Sparvermögen demjenigen zuzuordnen, der darüber verfügungsberechtigt ist. Dies sei aber nicht die Enkelin. Das ergebe sich weder aus der Inhaberschaft des Sparbuches noch aus der Verwahrung oder Verwaltung des Sparbuches durch Großmutter bzw. Urgroßmutter. Dabei komme es nicht darauf an, dass die Tochter als Inhaberin eingetragen sei. Die Sparbücher befänden sich im Besitz der Großmutter bzw. der Urgroßmutter. Die beiden Frauen seien nicht bereit, die Sparpläne für die Enkelin bzw. Urenkelin vorzeitig zu kündigen.
Damit könne das Geld dem Mädchen gerade nicht zugerechnet werden.
Grundsätze für Sparguthaben:
Nach Ansicht der DAV-Sozialrechtsanwälte gibt es einige Grundsätze, die generell gelten. Die Gerichte haben folgende Regeln dazu aufgestellt:
- Nur weil jemand als Kontoinhaber eingetragen ist, muss er nicht über das Konto verfügen können. Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts insbesondere für Sparbücher.
- Bei Sparbüchern oder Konten, die Eltern oder nahe Angehörige auf den Namen eines Kindes anlegen und niemals aus der Hand geben, ist in der Regel der Schluss zu ziehen, dass diese sich die Verfügung über das Sparguthaben vorbehalten wollen. Daher kann das Guthaben nicht dem Kind zugerechnet werden.
- Nur dann, wenn die Eltern oder nahen Angehörigen bei Volljährigkeit des Kindes diesem das Sparbuch zur Verfügung gestellt und es somit aus der Hand gegeben haben, ist das entsprechende Sparguthaben Vermögen des Kindes und nicht der Eltern oder nahen Angehörigen.
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Das Arbeitslosengeld II, besser bekannt als ‘Hartz-IV’, gibt es seit fast genau 10 Jahren: Am 1. Januar 2005 trat das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt in Kraft. Auch nach einem Jahrzehnt ist der Bedarf an gerichtlichen Entscheidungen zum Thema Hartz IV noch sehr hoch, wie der Fall hier zeigt.
Sozialgericht Gießen am 15. Juli 2014 (AZ: S 22 AS 341/12)
Quelle: www.dav-sozialrecht.de
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