Vor Gericht steht immer das Kindeswohl im Mittelpunkt, nicht die Interessen der Erwachsenen, informiert die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Die geschiedenen Eltern stritten um das Sorgerecht für die gemeinsame, 2003 geborene Tochter. Das Amtsgericht hatte mit der Ehe zugleich auch das gemeinsame Sorgerecht der Eltern aufgelöst und allein auf die Mutter übertragen. Dagegen legte der Vater Beschwerde ein.
Ohne Erfolg. Das Brandenburgische Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Das habe mit Recht festgestellt, dass die Eltern massiv zerstritten seien und nicht in der Lage, im Interesse ihrer Tochter gemeinsam Elternverantwortung zu übernehmen. Sie redeten entweder überhaupt nicht miteinander oder gerieten sehr schnell in einen heftigen Streit. Die Eltern brächten sich keine Wertschätzung entgegen. Es sei auch nicht abzusehen, dass sich das in absehbarer Zeit ändere. Die Tochter leide inzwischen deutlich unter dem Streit.
Gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung: Kindeswohl entscheidend
Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung im Sinne des Kindeswohls setze jedoch ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und „eine insgesamt tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus“, erklärten die Richter. Diese erfordere Kommunikationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft. Zwar sei es für das Wohl der Kinder grundsätzlich am besten, wenn sich die Eltern auch nach einer Trennung einvernehmlich um sie kümmerten. So könnten die Kinder in dem Gefühl aufwachsen, auch weiterhin zwei verlässliche Eltern zu haben, die nicht um sie konkurrierten oder sie in Loyalitätskonflikte stürzten. Anders verhalte es sich allerdings, wenn die Eltern zerstritten seien und sich nicht einigen könnten. Dann würden die Kinder in ständige, von ihnen nicht zu bewältigende Konfliktsituationen gezwungen. Es könne ihnen jedoch nicht zugemutet werden, massive emotionale Konflikte der Eltern zu ertragen, die ihre eigene seelisch-emotionale Entwicklung nachteilig beeinflussten.
Erziehungseignung angezweifelt
Zum Verhalten des Vaters führten die Richter aus, dass dieser nach der Trennung von seiner Frau zunächst wenig Interesse an einer Einbeziehung in die Kindesangelegenheiten gezeigt habe. Das habe sich erst geändert, als die Frau sich scheiden lassen wollte. Doch auch dann gab es weiterhin Probleme, da der Mann schon aus nichtigem Anlass die Erziehungseignung seiner Ex-Frau angezweifelt und ihr Vorwürfe gemacht habe. Das Gericht verwies auf einen im Jugendamtsbericht geschilderten Vorfall. Eine gute Bekannte der Mutter hatte die Tochter betreut, während die Mutter Zeit mit Freunden verbrachte. Der aufgebrachte Vater reagierte mit Anrufen und persönlichen Nachstellungen in Anwesenheit der Tochter, wobei es sogar zu Rangeleien mit einem weiteren Sohn der Mutter kam. Die Tochter gab später zu Protokoll, dass ihr das Auftreten ihres Vaters Angst gemacht habe.
Der Vater habe außerdem sowohl beim Elterngespräch im Jugendamt als auch vor Gericht „eindrucksvoll unter Beweis gestellt“, dass er eigene Befindlichkeiten nicht zurückstellen könne und nicht in der Lage sei, sachorientiert zu kommunizieren, um zu Kompromisslösungen und einvernehmlichen Regelungen zu gelangen. Er habe andere kaum zu Wort kommen lassen, sie immer wieder unterbrochen und zwischenzeitlich sogar den Sitzungssaal verlassen. Der Vater könne sich offensichtlich nicht auf eine sachliche Auseinandersetzung einlassen. Auch der Hinweis, dass er mit anwaltlicher Beratung besonnener aufgetreten wäre, führe zu keiner günstigeren Entscheidung. Eltern müssten für die Wahrnehmung gemeinsamer elterlicher Verantwortung ohne Inanspruchnahme der Hilfe Dritter sachlich und am Kindeswohl orientiert diskutieren und zu Lösungen gelangen können. Dazu seien die Eltern hier jedoch ganz offensichtlich nicht in der Lage.
Brandenburgisches Oberlandesgericht am 03. April 2014 (AZ: 9 UF 160/13)
Quelle: www.dav-familienrecht.de
- Datum
- Aktualisiert am
- 08.12.2014