Eine damals 16-jährige Kanusportlerin, deren Trainer ihr Dopingmittel verabreicht hatte, hat einen Anspruch nach dem Opferentschädigungsgesetz. Voraussetzung für eine solche Entscheidung ist, dass aus dem Dopinggebrauch gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen resultierten, und die Sportlerin über die wahre Bedeutung der ihr verabreichten Mittel bewusst im Unklaren gelassen wurde.
Gefährliche Leistungssteigerung
In dem von dem Sozialgericht Berlin entschiedenen Fall besuchte die 1968 geborene Frau aus Berlin zwischen 1982 und 1988 in der DDR eine Kinder- und Jugendsportschule, wo sie als Kanutin trainierte. Seit sie 16 Jahre alt war, erhielt sie von ihrem Trainer "blaue Pillen", die wohl den Wirkstoff Oral-Turinabol enthielten, und die Antibabypille. Die Medikamente bewirkten eine Zunahme der Muskelmasse und der körperlichen Leistungsfähigkeit. Zeitweise war die junge Frau sogar Mitglied der DDR-Nationalmannschaft. Mit 32 Jahren erkrankte sie an Brust- und später auch an Hautkrebs. Weitere Krankheiten und Beschwerden, auch psychischer Art, folgten. Im Juni 2003 gewährte ihr das Bundesverwaltungsamt nach dem Dopingopfer-Hilfegesetz eine finanzielle Einmalhilfe von 6.000 Euro. Im Juni 2006 beantragte die Frau beim Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales zusätzlich eine Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz. Sie habe niemals gewusst, dass sie Dopingsubstanzen einnehme. Ihr Trainer habe ihr die blauen Pillen mit dem Hinweis gegeben, es handele sich um Vitamine. Für ihre gesundheitlichen Schäden sei das Doping in der DDR die Ursache. Das Amt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, im konkreten Fall sei davon auszugehen, dass die damals immerhin schon 16-jährige in den Dopinggebrauch eingewilligt habe.
Im Juli 2007 klagte die Frau hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin. Das Gericht stellte umfangreiche Ermittlungen an, unter anderem durch Einholung mehrerer medizinischer Sachverständigengutachten.
Für konkrete Folgen gibt es einen Anspruch
Vor Gericht hatte sie teilweise Erfolg. Von einer Einwilligung der jungen Frau in den Gebrauch von Dopingmitteln könne man nicht ausgehen, so die Richter. Die Verabreichung der Dopingmittel stelle einen vorsätzlichen, tätlichen Angriff dar. Ihr Trainer habe die Sportlerin bewusst im Unklaren gelassen, um was für Substanzen es sich eigentlich handelte. Sie sei zwar bereit gewesen, leistungsfördernde Vitamine einzunehmen, habe aber keine Vorstellung von der eigentlichen Bedeutung der Präparate und deren möglichen Spätfolgen gehabt. Bei dieser Einschätzung sei sowohl das jugendliche Alter zum Zeitpunkt des Dopings zu berücksichtigen als auch die besonderen Umstände der Trainingssituation an einer DDR-Jugendsportschule. Auch sei davon auszugehen, dass die Dopingeinnahme den Brustkrebs verursacht habe. Ein Zusammenhang zwischen dem Doping und weiteren Erkrankungen habe sich allerdings nicht mit der nötigen Sicherheit feststellen lassen.
Die Frau habe daher nur einen Anspruch auf Entschädigungsrente für den Zeitraum, in dem die Schädigungsfolgen einen Grad der Schädigung von 50 (vergleichbar einem Grad der Behinderung) ausgemacht haben. Dieser Zeitraum umfasse ein halbes Jahr. Wegen des darüber hinaus geltend gemachten Anspruchs (also Leistungen für einen längeren Zeitraum aufgrund weiterer Schäden) wurde die Klage abgewiesen.
Sozialgericht Berlin am 27. September 2013 (AZ: S 181 VG 167/07)
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