Das Hessische Landesarbeitsgericht entschied, dass eine Kündigung, weil der Chef den Mitarbeiter am Bahnhof „erwischt hat“, unwirksam ist. Das reicht nicht aus, um die Glaubwürdigkeit einer ärztlichen Krankschreibung zu erschüttern.
Putzmunter zum Zug
Der Mann arbeitete als Facharzt für Radiologie für ein medizinisches Versorgungs- und Diagnostikzentrum. Der Arbeitgeber kündigte ihm, weil er den Verdacht hatte, dass der Mitarbeiter Krankheiten vortäusche. Der Vorgesetzte hatte ihn „putzmunter“ und „quietschfidel“ mit Lektüre und Proviant für eine Bahnreise am Bahnhof getroffen.
Arbeitsunfähig heißt nicht unbedingt bettlägerig
Das reicht nicht, um eine Kündigung zu rechtfertigen, entschied das Gericht. Schließlich habe ein ärztliches Attest vorgelegen. Die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer trotz Krankschreibung nicht den äußerlichen Eindruck erwecke, dass er krank sei und sich zudem mit Lektüre und Proviant für eine Zugreise eindecke, genüge nicht, um den Beweiswert eines ärztlichen Attestes zu erschüttern. „Nicht jede zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung ist mit einer Bettlägerigkeit verbunden“, begründete das Gericht seine Entscheidung. Zudem habe der Mann erklärt, sich bei seinen Eltern auskurieren zu wollen. Er sei nicht in einer körperlich belastenden Situation angetroffen worden. Der Mann sei für den Zeitraum vom 08. August bis 12. August 2011 wegen einer somatoformen Störung, das heißt wegen nicht näher beschriebener körperlicher Beschwerden aufgrund eines seelischen Konflikts, krank geschrieben gewesen. Dies lasse eine Zugreise zu. Insgesamt habe der Arbeitgeber die Glaubwürdigkeit der Krankschreibung nicht erschüttern können.
Hessisches Landesarbeitsgerichts am 28. November 2012 (AZ: 18 Sa 695/12)
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