
Flugverspätung und Flugausfall: Wann bekommen Reisende eine Ausgleichszahlung?
Verspätet sich der Abflug, ärgern sich die Passagiere. Doch für ihren Ärger können Fluggäste einen finanziellen Ausgleich von der Airline verlangen, die sie befördern sollte. Ein Ausgleich steht Passagieren immer dann zu, wenn sich ihr Flug um mehr als drei Stunden verspätet oder ganz ausfällt. Je nach Flugentfernung erhalten Reisende nach der EU-Fluggastrechteverordnung Ausgleichszahlungen von 250 Euro, 400 Euro oder 600 Euro pro Person.
Dieser Ausgleich entfällt aber immer dann, wenn die Airline nicht für die Verspätung oder den kompletten Ausfall verantwortlich ist, sondern „außergewöhnliche Umstände“. Wenn also ein Streik des Flugpersonals, Vulkanasche oder eisige Temperaturen den Abflug verzögern oder verhindern. Greifen solche "außergewöhnlichen Umstände", auch Umstände der „höheren Gewalt“ genannt, muss die Airline den Fluggast nicht entschädigen. Sie muss allerdings alles ihr zumutbare unternommen haben, um die Verspätung oder den Ausfall zu verhindern.
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs von 2014 fallen auch technische Probleme wie ein Radarausfall unter die "außergewöhnlichen Umstände", Fluggäste erhalten dann also keine Ausgleichszahlung.
Demgegenüber hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im September 2015 aber entschieden, dass technische Probleme von Airlines nicht per se ein "außergewöhnlicher Umstand" sind. Fluggäste können dem Urteil nach also auch bei einer unerwarteten technischen Panne ihres Fliegers eine Entschädigung nach der EU-Fluggastrechteverordnung verlangen (AZ: C-257/14).
Was muss die Airline tun, wenn sich mein Flug verspätet?
Airlines sind verpflichtet, sich um ihre Passagiere zu kümmern, wenn sich deren Abflug stark verzögert. Die Fluggesellschaften müssen zum Beispiel dafür sorgen, dass die Wartenden gut verpflegt werden. Außerdem müssen sie den Reisenden unentgeltlich zwei Telefongespräche führen und zwei Faxe oder E-Mails versenden lassen.
Bei sehr langen Verspätungen müssen die Airlines die Passagiere im Hotel unterbringen oder zumindest den Transfer dorthin organisieren. Die Pflicht, sich um wartende Passagiere zu kümmern, haben Airlines aber nicht immer.
Erhalte ich das Geld für mein Ticket zurück, wenn der Flug ausfällt?
Wenn Flüge sich nicht nur verspäten, sondern etwa wegen schlechten Wetters komplett ausfallen, können sich Passagiere das Geld für ihr Ticket von der Fluggesellschaft zurückerstatten lassen. Storno-Gebühren fallen dann nicht an. Reisende, die ihren Flug stornieren, bekommen die Gebühren und Steuern zurück. „Außerdem können sie etwa 95 Prozent des Flugscheinpreises zurückfordern“, erklärt der Hannoveraner Rechtsanwalt Paul Degott vom Deutschen Anwaltverein (DAV).
Dies ist immer möglich - auch wenn die meisten Airlines in ihren Geschäfts- oder Beförderungsbedingungen pauschal ausschließen, dass sie den Flugscheinpreis erstatten. Einen kleinen Teil der Kosten behalten die Airlines aber als Bearbeitungsentgelt ein.
Kann ich meinen Flug bei politischen Konflikten oder Naturkatastrophen im Urlaubsland stornieren?
Passagiere, die in ein Land fliegen wollten, in dem kurz vor dem Abflug etwa politische Unruhen und Konflikte ausbrechen oder Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Stürme wüten, können ihren Flug trotzdem nicht kostenfrei stornieren. „In solchen Fällen stellen sich die Fluggesellschaften oft quer“, erklärt Paul Degott. „Denn sie verweisen darauf, dass sie ja nur den Flug von A nach B schulden, egal, wie die Verhältnisse im Zielland sind.“
(Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes: Wie verbindlich sind sie?)
Welche Rechte haben Reisenden bei Pauschalreisen?
Bei Pauschalreisen sieht die Rechtslage anders aus. Haben Reisende eine Pauschalreise gebucht und es brechen vor ihrem Abflug dorthin zum Beispiel politische Unruhen aus mit nächtlichen Ausgangssperren oder gar einem Ausnahmezustand, dann wirkt dort der Umstand der „höheren Gewalt“. Urlauber können sich darauf berufen und kostenfrei von ihrem Reisevertrag zurücktreten. Gegenüber dem Reiseveranstalter können Reisende dann auch auf die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes und andere Informationen verweisen.
Reisende können dann nicht kostenfrei von ihrem Reisevertrag zurücktreten, wenn die Unruhen nur in bestimmten Regionen eines Landes ausgebrochen sind, ihre Reise aber in vielleicht noch ruhige Landesteile gehen sollte. Bei politischen Auseinandersetzungen in einem Land oder Naturkatastrophen bieten Reiseveranstalter aus Kulanz manchmal kostenfreie Umbuchungen in andere Urlaubsländer an. Reisende haben darauf aber keinen Anspruch.
Wie hoch darf die Anzahlung sein, die ich für eine Pauschalreise leisten muss?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat kürzlich entschieden: Veranstalter dürfen bei der Buchung eine Anzahlung von mehr als den üblichen 20 Prozent des Preises fordern. Sie können sie damit rechtfertigen, dass sie Provisionen an Reisebüros zahlen müssen (Urteil vom 25. Juli 2017, AZ: X ZR 71/16) Der BGH hat damit bereits zum zweiten Mal in einem Rechtsstreit zwischen dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Tui entschieden. Der Veranstalter verlangt für bestimmte Pauschalreisen eine Anzahlung von 40 Prozent. Verbraucherschützer halten das für zu hoch.
Probleme bei Ausstellung des Reisepasses: Höhere Gewalt?
Nicht als "höhere Gewalt" gilt ein Behördenfehler bei der Ausstellung von Reisepässen. Dies hat der Bundesgerichtshof Mitte Mai 2017 entschieden. Konkret wurde dort der Fall einer Nürnberger Familie verhandelt, die eine Reise in die USA gebucht hatte. Am Flughafen wurde ihnen der Abflug verwehrt, weil die Ausweise in der Datenbank als "abhanden gekommen" gekennzeichnet gewesen waren. Dies hatte die Bundesdruckerei für insgesamt 16 an die Gemeinde übersandte Dokumente veranlasst, da das dortige Meldeamt den Empfang nie quittiert hatte - ein Fehler der Behörde, an dem die Reisenden keine Schuld trugen. Der Reiseveranstalter zahlte allerdings nur einen Teil des Gesamtpreises zurück. Die Familie berief sich auf "höhere Gewalt", welche den Veranstalter verpflichten würde, den kompletten Preis zu erstatten.
Doch "höhere Gewalt" lag nach dem Urteil des BGH nicht vor. Darunter fallen äußere Ereignisse, die außerhalb des Einflussbereichs der Beteiligten liegen und alle Reisenden gleichermaßen treffen - etwa Naturkatastrophen oder eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts, so die Richter.
Für gültige Reisepapiere seien aber die Reisenden selbst zuständig. Der Behördenfehler bei der Empfangsbestätigung sei kein Ereignis, das auch andere USA-Reisende getroffen habe. Ob die Familie allerdings Schadenersatz von der Gemeinde verlangen könnte, wurde in dem Prozess nicht entschieden.
Was passiert, wenn ich im Urlaubsland bin und es brechen dort politische Konflikte aus?
Wenn politische Konflikte ausbrechen, während Urlauber im Land sind, können sie sich ebenfalls auf „höhere Gewalt“ berufen und ihren Reisevertrag kündigen. Sie erhalten in dem Fall einen Anteil ihrer Reisekosten zurück. Die schon erbrachten Leistungen des Reiseveranstalters wie Flüge oder Hotelübernachtungen müssen sie nämlich bezahlen. „Reisende haben in solchen Fällen übrigens keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreuden, denn es handelt sich ja um ‚höhere Gewalt‘“, sagt Rechtsanwalt Paul Degott.
Wann greift die Reiserücktrittversicherung?
In Fällen „höherer Gewalt“ greifen Reiserücktrittsversicherungen nicht. Diese Versicherungen springen nur dann ein, wenn Urlauber eine Reise aus persönlichen Gründen nicht antreten können, wenn sie etwa unerwartet schwer krank werden. Allerdings sind nicht alle Krankheiten bei einem Reiserücktritt versichert. Reiserücktrittsversicherungen greifen übrigens auch dann, wenn jemand nach der Reisebuchung seinen Job verloren hat und wegen Arbeitslosigkeit die Reisekosten nicht mehr bezahlen kann.
Was können Urlauber bei Reisemängeln tun?
Urlauber können ihren Reisepreis mindern, wenn ihre Reise mangelhaft ist. So hat etwa das Amtsgericht München im Februar 2013 entschieden (AZ: 244 C 15777/12). In dem verhandelten Fall ging es um eine Familie, deren Urlaub in Korfu sich als überaus enttäuschend herausstellte: Ihr Hotel war überbucht, die versprochene Strandlage 250 Meter entfernt und die einzige Einkaufsmöglichkeit ein Minimarkt.
Allerdings gilt nicht alles als Reisemangel, was einem am Urlaubsort missfällt. Selbst der Umstand, dass Urlauber nicht im Meer baden können, weil dort Haie schwimmen, muss kein Reisemangel sein.
Wie dokumentiert man Reisemängel?
Reisemängel sollten Urlauber genau dokumentieren. „Sie sollten Notizen und Fotos machen“, rät Rechtsanwalt Degott. „Gut ist es auch, Zeugenadressen zu sammeln, wenn man alleine reist. Reist man mit der Familie, müssen die Angehörigen die Mängel bezeugen.“ Urlauber sollten Reisemängel sofort bei der Reiseleitung melden und nach ihrer Rückkehr innerhalb eines Monats finanzielle Ansprüche gegenüber dem Reiseveranstalter anzeigen. Wichtig ist dabei, die Verjährungsfrist für solche Ansprüche zu beachten. Diese beträgt je nach Reiseveranstalter manchmal nur ein Jahr nach dem vertraglichen Ende der Reise.
- Datum
- Aktualisiert am
- 25.07.2023
- Autor
- ime/red/dpa