Wer in einen bewusst herbei geführten Unfall gerät, wird mit der größten Schwierigkeit konfrontiert: Wie erkennt man einen Unfall mit Vorsatz? Denn meist suchen sich die Täter Unfallstellen und –situationen aus, an denen Unfälle als ganz normal erscheinen.
Dennoch sprechen einige Indizien für einen provozierten Unfall. Verkehrsrechtsanwalt Jens Dötsch ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) und erklärt: „Als Autofahrer sollte man stutzig werden, wenn der Unfallgegner äußerst routiniert wirkt, wenn plötzlich Zeugen auftauchen, die zusätzlich Druck ausüben, oder wenn am Unfallauto bereits mehrere ältere Schäden zu erkennen sind.“
Die häufigsten provozierten Unfälle
Unfallbetrüger gehen sehr strukturiert und gut überlegt vor, weiß Rechtsanwalt Dötsch: „Oft haben wir es mit Situationen zu tun, in denen das Gesetz grundsätzlich davon ausgeht, dass ein Unfallbeteiligter allein haftet.“
So würden Auffahrunfälle immer wieder durch gezieltes Abbremsen bewusst verursacht werden. Zudem würden viele provozierte Unfälle an Stellen geschehen, an denen kurz zuvor die Vorfahrt geändert wurde oder auf Parkplätzen: „Hier lauern die Täter ihren Opfern manchmal regelrecht auf“, so Dötsch.
Unfallbetrug: Was muss die Versicherung beweisen?
Nach einem Unfall darf sich eine Versicherung nicht ohne Beweise auf einen Unfallbetrug berufen. Hat der Betroffene einen Versicherungsfall nachgewiesen, muss umgekehrt die Versicherung einen Versicherungsbetrug beweisen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Landgerichts (LG) Dortmund vom 2. März 2017 (AZ: 2 O 155/15), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.
Im zugrundeliegenden Fall hatte der Versicherungsnehmer eine Vollkaskoversicherung. Er meldete der Versicherung einen Schaden an seinem Auto. Es sei großflächig zerkratzt worden. Das Auto selbst hatte einen Vorschaden. Der Versicherungsnehmer wollte nun die fiktiven Kosten für die Reparatur von seiner Vollkaskoversicherung ersetzt bekommen und klagte.
Diese aber meinte, dass der Vandalismus-Schaden nur vorgetäuscht sei. Den Vorschaden hätte er auch nicht der Versicherung gemeldet und wollte nunmehr auf diesem Wege den Schaden ersetzt bekommen. Für einen Versicherungsbetrug spreche auch die Überschreitung der im Versicherungsvertrag vereinbarten Laufleistung um knapp das Dreifache. Der Versicherungsnehmer hingegen meinte, dass der Vorschaden vollständig repariert sei und eben nicht mehr existiere.
Das LG gab dem Autofahrer Recht: Die Versicherung habe nicht bewiesen, dass ein Versicherungsbetrug vorliege. Dazu sei sie aber verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer seinerseits den Versicherungsfall bewiesen habe.
Unfallbetrug: Wie sich Absicht nachweisen lässt
Für die Überführung der Täter gibt es verschiedenen Möglichkeiten. Das Reaktionsverhalten lässt zum Beispiel Rückschlüsse auf den Unfallhergang zu, da Betrüger im Gegensatz zu normalen Fahrern nicht ausweichen. Höhenunterschiede bei Beulen belegen wiederum, dass der Täter entgegen eigener Aussage eine Vollbremsung hingelegt hat. In solchen Fällen hebt sich das Heck. Und bei Streifkollisionen zeigen Kratzer sowie die Position der Autos, dass ein Wagen langsamer fuhr als angegeben, um besser zielen zu können.
Nichtsdestotrotz bleiben viele Täter lange unentdeckt. Das hängt damit zusammen, dass Unfallopfer meiner bei verschiedenen Gesellschaften versichert sind und die Häufung der Schäden lange Zeit nicht auffällt.
Allerdings gibt es sein 2011 die sogenannte HIS-Datei, gegründet von der deutschen Versicherungswirtschaft. Diese sammelt die von den beteiligten Versicherungsunternehmen eingereichten Meldungen zu untypischen Schadenhäufigkeiten und Auffälligkeiten im Schadensfall. „Ist ein Fahrzeug dort aufgeführt und kommen weitere Indizien hinzu, kann der Versicherer das Gericht in der Regel von einem provozierten Unfall überzeugen“, weiß Verkehrsrechtsexperte Dötsch.
Versicherungen kennen allerdings noch andere Methoden, Unfallbetrügern auf die Schliche zu kommen. Das zeigt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Saarbrücken vom 28. April 2016 (AZ: 4 U 96/15), über die die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV informiert.
Der Fall: Unfall auf Parkplatz macht Versicherung stutzig
In einem Fall ging es um einen Autounfall, der sich auf dem belebten Parkplatz eines Einkaufszentrums ereignet hatte. Die Frau fuhr rückwärts aus der Parkbucht und streifte dabei an der Seite des Autos der späteren Klägerin entlang. Die Beteiligten riefen die Polizei. Da beide Frauen übereinstimmende Aussagen machten, traf die Polizei keine weiteren Feststellungen. Die Klägerin sagte aus, sie kenne die andere Frau nicht.
Die Versicherung wurde aber aus folgenden Gründen stutzig:
- Die Frau, die rückwärts aus der Parklücke fuhr, hatte ein sehr altes und geringwertiges Auto,
- sie hatte nur ein rotes Kurzzeitkennzeichen,
- Angaben zur Anschaffung des Autos konnte sie im Prozess nicht machen,
- das Auto der anderen Frau war zwar alt, aber hochwertig,
- es entstand ein hoher Reparaturaufwand im Verhältnis zur Sichtbarkeit des Schadens.
Verdacht auf gestellten Autounfall: Versicherung beauftragt Detektei
Die Versicherung beauftragte daraufhin eine Detektei. Die Detektive fanden heraus, dass die Betroffenen sich kannten. Für die Versicherung und dann auch für zwei Gerichtsinstanzen stand fest: Hier liegt ein fingierter Autounfall und versuchter Versicherungsbetrug vor. Anders als meist üblich wenn ein Autounfall vorgetäuscht wird, hatten die Beteiligten hier die Polizei gerufen. Auch fand der Verkehrsunfall auf einem belebten Parkplatz statt.
Das Gericht widmete sich diesen Punkten sehr intensiv. Die Polizei müsse keine weiteren Feststellungen treffen, wenn beide Unfallgegner vor Ort ein- und dasselbe aussagten. Trotz des belebten Parkplatzes hätten sie auch keine neutralen Zeugen benannt. Für das Gericht sah es deshalb danach aus, dass diese Umstände bewusst gewählt waren, um von Anfang an wichtige Indizien für einen abgesprochenen Autounfall zu vermeiden. Die Versicherung musste nicht zahlen.
Provozierter Unfall: Wie man als Betroffener am Unfallort vorgehen sollte
Was ist nun zu tun, wenn man den Eindruck hat, dass ein Unfall gezielt provoziert wurde? Der Betroffene sollte zunächst versuchen, unbeteiligte Zeugen zu finden, die beispielsweise das grundlose Abbremsen des Vordermanns bestätigen können. Sinnvoll ist auch, die Polizei hinzuzuziehen, damit diese den Unfall aufnimmt – auch wenn das bedeuten kann, dass man zunächst ein Bußgeld zahlen muss, weil es auf den ersten Blick so scheint, als habe man den Unfall verursacht. „Wichtig ist zudem, den eigenen Versicherer auf den Verdacht eines provozierten Unfalls hinzuweisen“, ergänzt Jens Dötsch.
Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht hat zudem Acht Tipps formuliert, wie man sich am Unfallort verhalten sollte.
- Ganz wichtig: Bewahren Sie Ruhe!
- Sichern Sie die Unfallstelle mit einem Warndreieck und schalten Sie den Warnblinker ein.
- Ziehen Sie die Polizei hinzu, um den Unfall aufnehmen zu lassen.
- Suchen Sie Zeugen, die den Unfallhergang gesehen haben.
- Bewegen Sie die Fahrzeuge nicht und machen Sie Fotos von der Kollisionsstellung der Fahrzeuge.
- Melden Sie den Schaden bei eigenen Versicherer.
- Unterschreiben Sie nichts, was über einen reinen Unfallbericht hinausgeht.
- Schalten Sie einen Anwalt ein – sei es wegen eigener Ansprüche oder wegen eines etwaigen Bußgeldverfahrens zur Abwehr von Punkten in Flensburg.
Was eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt in diesem Fall konkret für Sie tun kann
Neben den oben angeführten Gründen, kommen noch weitere, speziell in diesem Fall, hinzu. Denn provozierte Blechschäden können für die Opfer erhebliche Folgen haben. Sie werden von ihrem Kfz-Haftpflichtversicherer in der Schadenfreiheitsklasse zurückgestuft und müssen mit Bußgeld sowie Punkten in Flensburg rechnen. Ein versierter Verkehrsanwalt kann Einsicht in sämtliche Unterlagen nehmen und so den Tathergang genau analysieren. Mit seiner Hilfe lässt sich in vielen Fällen der Betrüger entlarven. Man erhöht somit die Chance, sein Recht zu bekommen und eine ungerechtfertigte Strafe zu vermeiden.
- Datum
- Aktualisiert am
- 11.07.2017
- Autor
- red/Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht