
Was ist der Dieselkandal?
Der Diesel- oder Abgasskandal bezieht sich auf die Manipulation von Abgaswerten bei Diesel-Fahrzeugen, insbesondere bei Fahrzeugen des deutschen Automobilherstellers Volkswagen, die erstmals 2015 bekannt wurde.
Im September 2015 enthüllte die US-Umweltschutzbehörde EPA, dass VW eine Software in seinen Diesel-Fahrzeugen installiert hatte, um die Emissionen von Stickoxiden (NOx) während der offiziellen Emissionstests zu reduzieren. Diese Software erkannte, wann das Fahrzeug auf einem Prüfstand getestet wurde, und aktivierte dann einen speziellen Modus, der die Emissionen reduzierte. Im normalen Fahrbetrieb hingegen betrugen die Emissionen ein Vielfaches der gesetzlichen Grenzwerte. Die Fahrzeuge bekamen die EG-Typgenehmigung (zum Beispiel Schadstoffklasse 6) und wurden entsprechend vermarktet.
Dieselskandal: Was sind die Konsequenzen?
Die Folgen des Skandals waren weitreichend. VW musste milliardenschwere Strafen zahlen und den Rückruf und die Nachbesserung von betroffenen Fahrzeugen vornehmen. Es kam zu zahlreichen Klagen von betroffenen Verbrauchern, die Schadensersatz forderten. Darüber hinaus wurden die regulatorischen Rahmenbedingungen für die Automobilindustrie verschärft, und es wurden Diskussionen über den Umstieg auf alternative Antriebstechnologien wie Elektrofahrzeuge angeregt. Etliche Top-Manager mussten die Unternehmen verlassen.
Abgasskandal: Wie sah die bisherige Rechtslage in Deutschland aus?
Bisher mussten Autobesitzer, in deren Fahrzeugen unzulässige Abgastechnik verbaut war, bei Schadensersatzklagen nachweisen, dass Hersteller bewusst auf sittenwidrige Weise getäuscht und sie damit geschädigt hatten (§ 826 BGB). Im entsprechenden Paragrafen heißt es: „Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.“
Streitpunkt Thermofenster
Der Vorsatz war für deutsche Gerichte erfüllt, wenn es sich bei den manipulierten Schadstoffwerten um eine „Betrugssoftware“ handelte. Diese ermöglichte eine Einhaltung der Grenzwerte, wenn das Auto in der Werkstatt geprüft wurde. Das Problem: eine in vielen Modellen eingebaute Abgaseinrichtung sind sogenannte „Thermofenster“. Auch Thermofenster regeln die Abgasreinigung, wurden aber nicht als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eingestuft. Entsprechende Klagen tausender Dieselfahrer wiesen die Gerichte ab.
Gegen die Urteile legten viele Klägerinnen und Kläger Revision ein. Die Revisionen wurden auf Eis gelegt, weil der Europäische Gerichtshof sich übergeordnet mit der Frage beschäftigte. Der EuGH urteilte im März, dass Autobauer auch dann haften, wenn keine Betrugsabsicht nachgewiesen ist, sondern lediglich fahrlässiges Verhalten. Verbaute Thermofenster begründen nach diesem Maßstab einen Schadensersatzanspruch. Das lässt sich natürlich leichter nachweisen, auch bei Dieselfahrzeugen anderer Hersteller.
BGH-Urteil: Weitreichende Ansprüche auf Schadensersatz
Der Bundesgerichtshof ist der europäischen Vorgabe gefolgt und senkt mit Urteil vom 26. Juni 2023 die Hürden für Schadensersatzklagen von Dieselfahrern. Tausende Revisionsverfahren müssen erneut vor den Berufungsgerichten verhandelt werden, die entsprechend der neuen Leitlinie schneller zum Abschluss gebracht werden könnten. Die Ausweitung des Schadensersatzanspruchs bezieht sich auf alle Dieselfahrzeuge mit Thermofenstern, sodass auch Abnehmer anderer Hersteller ihre Rechte einklagen werden. Anwältinnen und Anwälte helfen dabei.
Abgasskandal: Wieviel Schadensersatz wird geleistet?
Die Höhe der Entschädigung hängt mit dem gerichtlichen Urteil „fahrlässig“ oder „vorsätzlich“ zusammen. Anders als bei einer vorsätzlichen Täuschung wird bei der fahrlässigen Schädigung kein voller Ersatz geleistet, wie etwa die Rückerstattung des Kaufpreises. Der BGH begründet die Festlegung so:
„Der Käufer kann […] im Falle der Enttäuschung seines auf die Richtigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung gestützten Vertrauens – anders als bei einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung durch den Fahrzeughersteller […] – nicht verlangen, dass der Fahrzeughersteller das Fahrzeug übernimmt und den Kaufpreis abzüglich vom Käufer erlangter Vorteile erstattet.“
Allerdings, so der BGH, müsse der Schadensersatz nach der Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs eine „effektive“ Sanktion für die Verletzung des EU-Rechts durch die Fahrzeughersteller sein. „Andererseits muss der zu gewährende Schadensersatz – so die zweite Vorgabe des EuGH – den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Dem einzelnen Käufer ist daher stets […], ein Schadensersatz in Höhe von wenigstens 5% und höchstens 15% des gezahlten Kaufpreises zu gewähren.“
Hersteller müssen beweisen, dass sie kein Verschulden trifft
Interessant ist, dass die Hersteller nun Ihrerseits beweisen müssen, dass sie kein Verschulden trifft. Sie müssen also darlegen, dass sie weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt haben und somit nicht haftbar gemacht werden können. Da es bei der Abgasmanipulation zunächst um Betrugssoftware und nicht um Thermofenster ging, könnten die Hersteller sich auf einen so genannten „Verbotsirrtum“ (§ 17, StGB) berufen:
„Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.“
In Zukunft müssen die Landes- und Oberlandesgerichte also nicht nur über Vorsatz sondern auch über Fahrlässigkeit der Hersteller entscheiden.
Dieselskandal: Fazit
Der Bundesgerichtshof macht den Weg frei für tausende neue Klagen zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen. Nachdem die richterlichen Leitlinien nun beschlossen sind, wird die Debatte weiterhin mediale Aufmerksamkeit erhalten. Nicht zuletzt, da die Hersteller versuchen werden, Schadensersatzzahlungen gering zu halten und das Fehlen von Verschulden nachzuweisen.
Sie sind vom Abgasskandal betroffen? Sie möchten Ihre Rechte in Bezug auf Schadensersatzansprüche geltend machen? Expertinnen und Experten mit Schwerpunkt Verbraucherrecht und weiteren Rechtsgebieten in Ihrer Nähe unter anwaltauskunft.de.
Was Urlauber im Auto mit sich führen müssen

Feuerlöscher, Abschleppseil, Verbandskasten, Warndreieck - was darf im Auto nicht fehlen, damit kein Bußgeld droht?
- Datum
- Aktualisiert am
- 03.07.2023
- Autor
- red/dav