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Existenzminimum

Hartz IV: Wie stark darf ein Jobcenter den Regelsatz kürzen?

Wie viel Geld braucht man, um menschenwürdig zu leben? © Quelle: Gelber/gettyimages.de

Die Millionen Hartz-IV-Empfänger im Land dürfte das heutige Urteil des Bundes­so­zi­al­ge­richts interes­sieren. Denn die Richter haben entschieden, wie stark und über welchen Zeitraum Jobcenter den Regelsatz von Hartz-IV-Beziehern kürzen dürfen. Zugleich haben sie darüber geurteilt, ob solche Kürzungen mit dem verfas­sungs­rechtlich garantierten Existenz­minimum vereinbar sind.

Kann man von rund 280 Euro im Monat leben? Mit dieser Frage hat sich heute das Bundes­so­zi­al­gericht (BSG) in Kassel befasst.

Den Richtern lag der Fall eines nieder­sächs­ischen Hartz-IV-Empfängers vor, dessen Regelsatz das zuständige Jobcenter um 30 Prozent pro Monat gekürzt hat. Er erhält also monatlich 121,20 Euro weniger als der Regelsatz für einen Erwachsenen vorsieht. Dieser liegt seit Anfang des Jahres bei 404 Euro. Die Kürzung soll über einen Zeitraum von drei Jahren gehen.

Die Höhe der Kürzung und deren lange Dauer hat das BSG heute bestätigt. Sie stehe mit einem menschen­würdigen Existenz­minimum im Einklang, so die Richter - zumal der Betroffene das Jobcenter betrogen habe (AZ: B 14 AS 20/15 R).

Der Hintergrund des Falles: Der Mann hatte trotz seines Hartz-IV-Bezugs zeitweise ge­ar­bei­tet, sein Einkommen dem Jobcenter aber verschwiegen. Dafür verurteilte ihn das Amtsgericht Osnabrück wegen Betruges. Das Jobcenter verrechnete daraufhin die zu viel gezahlte Grundsi­cherung mit dem Regelsatz des Mannes, so dass dieser monatlich über einen Zeitraum von drei Jahren nur noch rund 280 Euro erhält.

Dagegen wollte der betroffene Hartz-IV-Empfänger gerichtlich vorgehen. Vor dem BSG argumen­tierte er: Der solchen Aufrech­nungen zugrunde liegende § 43 des Sozial­ge­setz­buches II (SGB II) sei verfas­sungs­widrig, weil durch die Anrechnung von 30 Prozent des Regelsatzes über einen langen Zeitraum verfas­sungs­rechtlich garantierte Existenz­minimum dauerhaft unterschritten werde. Seine Klage ist erfolglos geblieben.

Hartz IV und Kürzung des Regelsatzes: Welche Regeln gelten?

Das Grundrecht der Bundes­bürger auf ein menschen­würdiges Existenz­minimum definiert Artikel 1 in Verbindung mit Artikel 20 des Grundge­setzes. Ob Kürzungen des Regelsatzes von Hartz-IV-Empfängern gegen dieses Grundrecht verstoßen, wird immer wieder diskutiert. Vergangenen Sommer etwa kündigte das Sozial­gericht Gotha an, das Bundes­ver­fassungs­gericht anzurufen, um diese Frage klären zu lassen.

„Das vom Grundgesetz garantierte menschen­würdige Existenz­minimum muss durch den Staat jederzeit gewährt werden“, heißt es in einer Presse­mit­teilung des Gerichts. Seiner Ansicht nach ist das bei Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger und den daraus folgenden Leistungs­kür­zungen nicht gegeben.

Sanktionen verhängen Jobcenter etwa dann, wenn ein Hartz-IV-Empfänger Termine versäumt oder Job-Angebote ablehnt. Lesen Sie mehr über das Thema Sanktionen von Hartz-IV-Empfängern.

Wie hoch muss der Regelsatz eines Hartz-IV-Empfängers sein?

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hatte 2010 in einem Grundsatz­urteil klarge­stellt, dass es verfas­sungs­widrig sei, wie der Gesetzgeber die Regelsätze für Kinder und Erwachsene berechnet habe (AZ: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09). Der Gesetzgeber besserte daraufhin nach, seither ist der Hartz-IV-Regelsatz an die Entwicklung der Preise und Nettolöhne gekoppelt.

2014 urteilte das Bundes­ver­fas­sungs­gericht erneut darüber, ob die Regelsätze mit der Verfassung im Einklang stehen. Dieses Mal befanden die Verfas­sungs­richter, dass die Regelsätze für ein menschen­würdiges Existenz­minimum gerade noch ausreichten (AZ: 1 BvL 10/12, BvL 12/12 und BvR 1691/13). Lesen Sie hier, wie hoch die aktuellen Regelsätze sind.

Datum
Aktualisiert am
18.05.2017
Autor
ime
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Themen
Arbeitslos Arbeits­lo­sengeld 2 Hartz IV Verfassung

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