Kann man von rund 280 Euro im Monat leben? Mit dieser Frage hat sich heute das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel befasst.
Den Richtern lag der Fall eines niedersächsischen Hartz-IV-Empfängers vor, dessen Regelsatz das zuständige Jobcenter um 30 Prozent pro Monat gekürzt hat. Er erhält also monatlich 121,20 Euro weniger als der Regelsatz für einen Erwachsenen vorsieht. Dieser liegt seit Anfang des Jahres bei 404 Euro. Die Kürzung soll über einen Zeitraum von drei Jahren gehen.
Die Höhe der Kürzung und deren lange Dauer hat das BSG heute bestätigt. Sie stehe mit einem menschenwürdigen Existenzminimum im Einklang, so die Richter - zumal der Betroffene das Jobcenter betrogen habe (AZ: B 14 AS 20/15 R).
Der Hintergrund des Falles: Der Mann hatte trotz seines Hartz-IV-Bezugs zeitweise gearbeitet, sein Einkommen dem Jobcenter aber verschwiegen. Dafür verurteilte ihn das Amtsgericht Osnabrück wegen Betruges. Das Jobcenter verrechnete daraufhin die zu viel gezahlte Grundsicherung mit dem Regelsatz des Mannes, so dass dieser monatlich über einen Zeitraum von drei Jahren nur noch rund 280 Euro erhält.
Dagegen wollte der betroffene Hartz-IV-Empfänger gerichtlich vorgehen. Vor dem BSG argumentierte er: Der solchen Aufrechnungen zugrunde liegende § 43 des Sozialgesetzbuches II (SGB II) sei verfassungswidrig, weil durch die Anrechnung von 30 Prozent des Regelsatzes über einen langen Zeitraum verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum dauerhaft unterschritten werde. Seine Klage ist erfolglos geblieben.
Hartz IV und Kürzung des Regelsatzes: Welche Regeln gelten?
Das Grundrecht der Bundesbürger auf ein menschenwürdiges Existenzminimum definiert Artikel 1 in Verbindung mit Artikel 20 des Grundgesetzes. Ob Kürzungen des Regelsatzes von Hartz-IV-Empfängern gegen dieses Grundrecht verstoßen, wird immer wieder diskutiert. Vergangenen Sommer etwa kündigte das Sozialgericht Gotha an, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, um diese Frage klären zu lassen.
„Das vom Grundgesetz garantierte menschenwürdige Existenzminimum muss durch den Staat jederzeit gewährt werden“, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts. Seiner Ansicht nach ist das bei Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger und den daraus folgenden Leistungskürzungen nicht gegeben.
Sanktionen verhängen Jobcenter etwa dann, wenn ein Hartz-IV-Empfänger Termine versäumt oder Job-Angebote ablehnt. Lesen Sie mehr über das Thema Sanktionen von Hartz-IV-Empfängern.
Wie hoch muss der Regelsatz eines Hartz-IV-Empfängers sein?
Das Bundesverfassungsgericht hatte 2010 in einem Grundsatzurteil klargestellt, dass es verfassungswidrig sei, wie der Gesetzgeber die Regelsätze für Kinder und Erwachsene berechnet habe (AZ: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09). Der Gesetzgeber besserte daraufhin nach, seither ist der Hartz-IV-Regelsatz an die Entwicklung der Preise und Nettolöhne gekoppelt.
2014 urteilte das Bundesverfassungsgericht erneut darüber, ob die Regelsätze mit der Verfassung im Einklang stehen. Dieses Mal befanden die Verfassungsrichter, dass die Regelsätze für ein menschenwürdiges Existenzminimum gerade noch ausreichten (AZ: 1 BvL 10/12, BvL 12/12 und BvR 1691/13). Lesen Sie hier, wie hoch die aktuellen Regelsätze sind.
- Datum
- Aktualisiert am
- 18.05.2017
- Autor
- ime