Bildung und Teilhabe auch für Kinder mit wenig Geld. Das ist das Ziel des 2011 in Kraft getretenen Bildungs- und Teilhabepakets. Nach den auch als „Bildungspaket“ bekannten gesetzlichen Regeln dürfen auch Kinder, die in einer Hartz IV beziehenden Familie aufwachsen, Nachhilfe in Anspruch nehmen. Das Jobcenter kommt für diese Bildungskosten auf.
Zumindest ist das dann der Fall, wenn die Noten des Kindes so schlecht sind, dass es Gefahr läuft, die Versetzung nicht zu schaffen und die Klasse wiederholen zu müssen. Dann ist ein Jobcenter verpflichtet, die Kosten für die Nachhilfe zu übernehmen oder diese zu bezuschussen.
Wenn die Noten des Schülers aber „befriedigend“ sind und das Kind seine Note „nur“ verbessern will, entfällt der Anspruch auf Nachhilfe. Das hat das Hessische Landessozialgericht am 13. November 2015 klargestellt, wie die Deutsche Anwaltauskunft mitteilt (AZ: L 9 AS 192/14).
Immer mehr Kinder erhalten Hartz IV
In Deutschland erhalten immer mehr Kinder Hartz IV, genauer gesagt Sozialgeld. Sozialgeld ist die soziale Hilfe, die Kinder erhalten, wenn sie in einer sogeannten Bedarfsgemeinschaft leben. Erhielten im Dezember 2015 etwa 1,54 Millionen Kinder Hartz IV, waren es ein Jahr später, im Dezember 2016, ca. 1,6 Millionen. Diese Zahlen hat die Bundesagentur für Arbeit für die Fraktion der Partei Die Linke im Bundestag errechnet. Aus den Zahlen lässt sich auch ablesen, dass die Zahl der Kinder unter 15 Jahren, die länger als vier Jahre von Hartz IV leben, sich von 2013 bis 2016 erhöht hat: von 490 000 auf 522 000 Kinder.
Nachhilfe und Hartz IV: Wann zahlen Jobcenter Nachhilfe für Schüler?
Dem Hessischen Landessozialgericht lag folgender Fall vor: Das Kind besucht die 5. Klasse einer Gesamtschule und bezieht mit seinen Eltern und seinem Bruder Hartz IV. Der Schüler stellte beim Jobcenter einen Antrag auf Leistungen aus dem Bildungspaket in Form von Nachhilfe. Die Lehrerin, die in der Klasse Englisch unterrichtet, hatte dem Kind in diesem Fach eine Note im schwach befriedigenden Bereich, also Note 3, bescheinigt.
Nach Ansicht der Lehrerin war es erforderlich, dass der Schüler pro Woche ein bis zwei Stunden Nachhilfe bekam. Den Antrag auf Nachhilfe lehnte das zuständige Jobcenter im hessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg aber ab, da bei dem Schüler das Erreichen der wesentlichen Lernziele nicht gefährdet sei.
Das Jobcenter habe zu Recht den Antrag des Kindes auf Leistungen aus dem Teilhabepaket abgelehnt, entschied das Gericht. Das Kind habe keinen Anspruch darauf, eine Lernförderung in Englisch bewilligt zu bekommen. Die Nachhilfe sei nicht erforderlich, um die wesentlichen Lernziele zu erreichen.
Wesentliches Lernziel sei die Versetzung in die nächste Klasse, also ein ausreichendes Leistungsniveau. Im Einzelfall kämen neben der Versetzung zwar auch andere Lernziele in Betracht, aber ein solcher Fall liege hier nicht vor, entschied das Gericht.
Hartz IV und Nachhilfe nach Bildungspaket: Lernförderung bei Legasthenie möglich
Andere Lernziele könnten nach Ansicht des Gerichts etwa sein, die Note in Englisch zu verbessern, wenn das Kind Legasthenie habe. Doch abseits etwa einer Lese- und Rechtschreibschwäche begründe der Wunsch, eine befriedigende Note zu erreichen und die Leistungen in einem Fach zu verbessern, keinen Anspruch auf Nachhilfe.
Gleiches gelte nach dem Willen des Gesetzgebers in den Fällen, in denen ein Schüler seine Leistungen verbessern wolle, um eine besseren Schulartempfehlung zu erhalten. Auch das stelle keinen Grund für eine Lernförderung dar, beschied das hessische Gericht.
Auch wenn Nachhilfe in Englisch aus Sicht des Schülers, seiner Eltern und der Schule wünschenswert und sinnvoll erscheine, bestehe kein Anspruch auf Lernförderung wie sie das Bildungspaket vorsehe. Laut Gesetz solle die entsprechende Vorschrift auch für den Bereich der außerschulischen Lernförderung nur den Anspruch auf Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums gewährleisten.
- Datum
- Aktualisiert am
- 24.05.2017
- Autor
- red/dpa