
Die Kernfrage lautet hier, ob es sich um eine unversicherte Vorbereitungshandlung im privaten Umfeld oder tatsächlich schon um eine Tätigkeit handelt, die im unmittelbaren Zusammenhang zur Berufsausübung steht. Klingt komisch, ist aber so! Die Konsequenzen für die Betroffenen sind sehr weitreichend. Denn bei einem Arbeitsunfall ist man weitreichend versichert und kann Entschädigungen verlangen.
Wer als selbständiger Handwerker im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit seine Arbeitsschuhe im privaten Treppenhaus anzieht, kann bei einem Sturz auf die Unfallversicherung zurückgreifen. Dies entschied das Bayerische Landessozialgericht, wie die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.
Unfallversicherungsschutz für selbständigen Handwerker
Der selbständige Schlosser ist freiwillig unfallversichert. Bevor er zu einem Auftraggeber auf eine Baustelle fuhr, lud er das in der Garage verwahrte Werkzeug in sein Auto. Danach kehrte er noch einmal in sein Treppenhaus zurück, um seine Arbeitssicherheitsschuhe anzuziehen. Dabei verlor er das Gleichgewicht, stürzte die Treppe hinunter und verletzte sich an der Wirbelsäule.
Er meinte, es liege ein Arbeitsunfall vor und beantragte Versicherungsschutz und Entschädigung. Die Versicherung sah das anders. Sie meinte, es liege kein Arbeitsunfall vor, weil der Versicherungsschutz auch in Mehrfamilienhäusern erst mit dem Durchschreiten der Außentür beginne. Außerdem liege eine unversicherte Vorbereitungshandlung vor. Der Mann hätte seine Arbeitssicherheitsschuhe genauso gut auf der Baustelle anziehen können.
Gericht: Arbeitsunfall bei Anziehen der Sicherheitsschuhe
Das Bayerische Landessozialgericht gab der Klage statt. Bei der Beurteilung, ob ein Arbeitsunfall vorliege, müsse geprüft werden, ob die konkrete Handlung in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit (also der eigentlichen Arbeit) stehe. Daher komme es in diesem Fall auch gar nicht darauf an, dass der Handwerker seine Sicherheitsschuhe in seinem privaten Treppenhaus angezogen habe.
Zwar wollte das Gericht nicht so weit gehen zu sagen, dass generell das Anziehen der Sicherheitsschuhe im privaten Treppenhaus unfallversichert sei. Die Argumentation des Gerichtes lässt aber vermuten, dass es das so sieht. In diesem Fall mussten die Münchener Richter das aber nicht entscheiden, da der Mann ja bereits sein Werkzeug in das Auto geladen hatte und nur zum Anziehen der Schuhe in sein Treppenhaus zurückging. Für das Gericht zählte dies eindeutig zur beruflichen Tätigkeit.
Es liege auch keine unversicherte Vorbereitungshandlung vor, da gerade solche Sicherheitsschuhe für die Arbeit auf der Baustelle und als Schlosser unerlässlich seien. Durch die Stahlkappe werde der Fuß geschützt. Es komme auch nicht darauf an, wo der Betreffende die Schuhe anziehe. Es könne auch nicht verlangt werden, zunächst private Schuhe anzuziehen, für die tatsächliche Tätigkeit dann wieder die Sicherheitsschuhe und diese dann bei weiteren Wegen wieder auszuziehen (Bayerisches Landessozialgericht am 21. Juli 2015,
AZ: L 3 U 313/12).
Es lag also ein Arbeitsunfall vor und der Mann steht unter dem Schutz der Unfallversicherung. Dieser Fall zeigt, dass es wichtig ist, nicht klein beizugeben. Durch die anwaltliche Vertretung konnte der Mann seine Ansprüche durchsetzen.
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- red/dpa