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Ehegattennotvertretungsrecht

Seit 2023: Vertre­tungsrecht in Gesund­heits­fragen

Ehegattennotvertretungsrecht
Seit dem 1. Januar gilt das gesetzliche Vertretungsrecht. © Canva

Wenn die Partnerin oder der Partner krank ist, trifft die gesunde Person alle Maßnahmen in Bezug auf die Gesund­heits­vorsorge – oder? Was für die Mehrheit der Deutschen völlig selbst­ver­ständlich klingt, ist aus rechtlicher Sicht lange nicht der Fall gewesen. Anwalt­auskunft klärt über die Rechtslage auf, die seit dem 01.01.2023 gilt.

Was ist das gesetzliche Vertre­tungsrecht?

„Niemand kennt mich so gut wie meine bessere Hälfte“ ist eine Anekdote aus der Ehe oder Lebens­part­ner­schaft, die Vielen schon einmal begegnet sein dürfte. Der gemeinsame Lebensweg ist meist Grund genug, im Ernstfall für die andere Person da zu sein. Aus rechtlicher Sicht bestand jedoch bis Ende 2022 kein automa­tisches Vertre­tungsrecht für Ehegatten in Gesund­heits­fragen. Kurzum: Im Notfall durften die Ehepartnerin/der Ehepartner keine Entschei­dungen füreinander treffen.

Ein Beispiel zur Veranschau­lichung: Nach einem Autounfall ist die Betroffene so schwer verletzt, dass sie ins Koma gefallen ist. Ihr Ehepartner regelt alle weiteren Schritte bezüglich Untersu­chungen und Maßnahmen infolge der weiteren Behandlung. Die Vertretung war nur deshalb möglich, weil die Betroffene eine Vorsor­ge­vollmacht für Ihren Ehepartner verfügt hat. Nach der alten Rechtslage hätte ein Betreu­ungs­gericht ansonsten eine Betreuung bestellen müssen.

Die neue Gesetzes­reform berechtigt Ehegatten seit dem 01. Januar 2023 unter anderem, für die betroffene Person

  • In ärztliche Untersuchungen und Eingriffe einzuwilligen oder sie zu untersagen,
  • Behandlungsverträge abzuschließen,
  • Freiheiten kurzweilig einzuschränken (z.B. stationärer Aufenthalt, Medikamentengabe)
  • Ansprüche geltend zu machen (z.B. gegenüber Unfallversicherungen),

sofern sich die betroffene Person aufgrund von Bewusst­lo­sigkeit oder Krankheit nicht selbst um diese Dinge kümmern kann (§ 1358, BGB).

Da insbesondere in Notsitua­tionen schnell gehandelt werden müsse, habe das neue gesetzliche Vertre­tungsrecht den Zweck, „im Rahmen einer plötzlich eingetretenen gesund­heit­lichen Beeinträch­tigung […] die Handlungs­fä­higkeit des zu einer eigenen Entscheidung nicht mehr fähigen Betroffenen sicher­zu­stellen.“, so Prof. Dr. Andreas Jurgeleit, Richter am Bundes­ge­richtshof. Mit der Neuerung solle vermieden werden, dass aufgrund fehlender Vorsor­ge­vollmacht eine Betreuung angeordnet werden müsse. All das kostet Zeit.

Wann gilt das Vertre­tungsrecht?

Das Ehegat­ten­not­ver­tre­tungsrecht unterliegt einigen Einschrän­kungen:

  1. Das Paar muss verheiratet sein. Gut zu wissen: Auch für eingetragene Lebenspartnerschaften gilt das Vertretungsrecht (21, LPartG). Seit dem 01. Oktober 2017 sind eingetragene Lebenspartnerschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Personen durch die „Ehe für Alle“ ersetzt worden. Paare, die bisher in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, können eine Eheschließung vornehmen.
  2. Das Ehepaar muss in einer häuslichen Gemeinschaft stehen. Leben beide Eheleute getrennt voneinander, besteht kein Vertretungsrecht.
  3. Das Notvertretungsrecht gilt, wenn keine Vorsorgevollmacht erteilt wurde, die z.B. eine Person außerhalb der Ehe als Betreuung vorsieht.
  4. Es gilt, wenn nicht bereits ein rechtlicher Betreuer von einem Betreuungsgericht bestellt wurde.
  5. Die Notvertretung ist auf sechs Monate befristet – außer, die in Not geratene Person ist bereits vorher fähig, ihre Gesundheit betreffenden Angelegenheiten wieder selbstständig zu regeln.

Die Vertretung in Gesund­heits­fragen bedeutet in jedem Fall eine große Verant­wortung. Prof. Dr. Jurgeleit: „Der vertretende Ehegatte ist […] befugt, Entschei­dungen über ärztliche Eingriffe zu treffen, deren Durchführung oder Nichtdurch­führung mit der Gefahr einhergehen, dass der vertretene Ehegatte stirbt.

Zwar müsse ein Betreu­ungs­gericht solche ärztlichen Maßnahmen genehmigen, bei deren Durchführung oder Nichtdurch­führung eine Gefahr für das Leben der betroffenen Person droht – die Maßnahme darf jedoch ohne Genehmigung durchgeführt werden, wenn die zeitliche Verzögerung die betroffene Person gefährden würde (§ 1829, BGB).

Die Rolle der Ärztin/des Arztes

Die behandelnden Ärzte sind in der Regel die ersten Ansprech­partner, wenn Ehegatten ihr gesetz­liches Vertre­tungsrecht ausüben. Diese müssen schriftlich bestätigen, dass die zu vertretende Person nicht selbst in der Lage ist, ihre Angele­gen­heiten der Gesund­heitssorge zu regeln. Infolge dessen sind Ärzte von ihrer Schwei­ge­pflicht befreit, um die Vertretung über Diagnosen und Behand­lungs­mög­lich­keiten aufzuklären (§ 1358, BGB). Das Gesetz verpflichtet den vertre­tenden Ehegatten, schriftlich zu versichern, dass das Vertre­tungsrecht ausgeübt werden darf – beziehungsweise, dass keine Gründe bekannt sind, die dagegen sprechen (getrennt leben, etc.). Das Dokument für die Vorlage bei den behandelnden Ärzten finden Sie hier. Zusätzlich erhalten die behandelnden Mediziner Einsicht in das Zentrale Vorsor­ge­re­gister, wenn eine Behandlung diese Auskunft zwingend erforderlich macht (§ 78b BnotO). Im Vorsor­ge­re­gister können Privat­personen auf Antrag Vollmachten in Gesund­heits­an­ge­le­gen­heiten erteilen. So werden Betreu­ungs­ge­richte über Vorsor­ge­re­ge­lungen informiert.

Schutz der Selbst­be­stimmtheit

Die neue Gesetzes­reform ist für Viele ein vernünftiger Schritt, um Rechts­si­cherheit für die Vertretung der Partnerin/des Partners in Gesund­heits­fragen zu haben. Da bei einer Ehe angenommen werden kann, dass eine gegenseitige Vertrau­ensbasis geschaffen wurde, ist eine Vertretung in Notfällen naheliegend. Was aber, wenn die erkrankte oder bewusstlose Person nicht möchte, dass ihr Ehegatte sie vertritt? Welcher rechtliche und faktische Schutz besteht, wenn die eigene Einwil­ligung in Gesund­heits­fragen nichtmehr möglich ist?

So unterschiedlich Ehen geführt werden, sind oftmals auch die Gründe, warum man nicht durch den Ehegatten vertreten werden möchte. In vielen Fällen besprechen sich Eheleute ohnehin über etwaige vorsorgliche Maßnahmen. Das gesetzliche Vertre­tungsrecht besteht nicht, wenn die zu vertretende Person dies ablehnt. Der Widerspruch kann zudem im Zentralen Vorsor­ge­re­gister eingetragen werden (§ 2, VRegV). Das geschieht in der Form, dass die zu vertretende Person dort einen Antrag stellt. Neben dem Widerspruch gegen das Ehegat­ten­not­ver­tre­tungsrecht können dort Vorsor­ge­voll­machten, Betreuungs- und Patien­ten­ver­fü­gungen hinterlegt werden.

Das Problem nach derzeitiger Rechtslage: Der behandelnde Arzt ist nicht verpflichtet, nachzu­forschen, ob das Vertre­tungsrecht vom Ehegatten tatsächlich in Anspruch genommen werden darf. Gerade in einer Notsituation muss er sich darauf verlassen können, dass die vertretende Person korrekte Angaben macht. „Wenn diese Erklärung aber unzutreffend ist, besteht kein gesetz­liches Vertre­tungsrecht und der „Ehegatte“ handelt als Vertreter ohne Vertre­tungsmacht“, so Prof. Dr. Jurgeleit. In unmittelbarer Not habe der Arzt jedoch keine Zeit, das Vorsor­ge­re­gister einzusehen. Handfester sei der Nachweis durch eine beauftragte Betreu­ungs­person, die sich entweder mit einer Bestel­lungs­urkunde oder beglau­bigter Vollmachts­urkunde legitimiert.

Die Kritik an der neuen Gesetzes­reform lautet daher, dass das Recht auf Selbst­be­stimmung (Art. 2, GG) in der Notsituation für die betroffene Person eingeschränkt ist. Nämlich dann, wenn man nicht möchte, dass der Ehegatte oder die Ehegattin die Vertretung übernimmt - dies aber trotzdem passiert.

 

Gesund­heits­fragen sind ein sensibles Thema, Entschei­dungen sollten daher gut abgewogen werden. Sie möchten Ihre Vorsor­ge­an­ge­le­gen­heiten klären oder benötigen rechtlichen Beistand beim Verfassen einer Betreu­ungs­ver­fügung? Zu diesen und weiteren Themen helfen Ihnen Anwältinnen und Anwälte mit Schwerpunkt Betreu­ungsrecht in Ihrer Nähe unter anwalt­auskunft.de.

Datum
Aktualisiert am
31.01.2023
Autor
red/dav
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