Die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine entsprechende eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 28. Oktober 2015 (AZ: 5 U 156/13).
Im zugrundeliegenden Fall war ein fünfjährige Junge mit Schüttelfrost und hohem Fieber in die Klinik eingeliefert worden. Eine Infusionstherapie blieb ohne Erfolg. Am nächsten Morgen informierte eine Krankenschwester den diensthabenden Arzt darüber, dass sich am Körper des Kindes ungewöhnliche Hautverfärbungen zeigten. Die Ärzte vermuteten eine Hirnhautentzündung und begannen sofort mit einer Notfallversorgung. Eine Laboruntersuchung bestätigte den Verdacht.
Am Körper des Kindes traten blauschwarze Haut- und Muskelnekrosen (Gewebeschäden, die durch das Absterben von Zellen entstehen) auf. In der Folge mussten die Ärzte dem Jungen beide Unterschenkel amputieren und zahlreiche Haut- und Muskeltransplantationen durchführen. Er muss bis heute einen Ganzkörperkompressionsanzug sowie eine Kopf- und Gesichtsmaske tragen, um eine wulstige Narbenbildung zu vermeiden.
Hirnhautentzündung zu spät erkannt: Grober Behandlungsfehler
Die Eltern waren der Meinung, die Hirnhautentzündung sei grob fehlerhaft zu spät erkannt worden. Bereits morgens um 4.00 Uhr, als ein Pfleger wegen einer abgelösten Infusionsnadel bei dem Jungen gewesen sei, hätte das Klinikpersonal handeln müssen. Die Hautverfärbungen hätten schon vorgelegen.
Zum Beweis legten die Eltern zwei Handyfotos vor, die die Mutter aufgenommen hatte. Das Krankenhaus wies die Vorwürfe von sich und bestritt, dass die Fotos den Zustand des Jungen in der Nacht zeigten.
Schadensersatzklage erfolgreich
Die Klage auf Schadensersatz war in erster und zweiter Instanz erfolgreich. Die Richter zeigten sich von einem groben Behandlungsfehler des Pflegers überzeugt. Dieser hätte in der Nacht bereits deswegen einen Arzt benachrichtigen müssen, weil sich die Infusionsnadel gelöst hatte und die Therapie dadurch unterbrochen worden sei. Der jetzige Gesundheitszustand des Kindes sei auf die verzögerte Notfallversorgung zurückzuführen.
Handyfoto als Beweis für Behandlungsfehler zulässig
Auch bewies die Untersuchung durch einen Sachverständigen, dass die Fotos tatsächlich in der besagten Nacht aufgenommen worden waren. Es stehe damit fest, dass der Junge bereits an den Hautverfärbungen gelitten habe, als der Pfleger da gewesen sei, so die Richter. Über die Höhe des Schmerzensgelds und der Schadensersatzansprüche hat nun das Landgericht Aurich zu entscheiden.
Quelle: www.dav-medizinrecht.de
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- dpa/red