Der Patient muss sich nicht in die Hände des Zahnarztes begeben, dem er nicht mehr vertraut. Das Arzt-Patienten-Verhältnis kann derart gestört sein, dass eine Nachbesserung ausscheidet. Auch die Art des Behandlungsfehlers kann bereits eine Nacherfüllung ausschließen. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Jena, wie die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.
Ein Zahnarztbesuch mit Folgen
Die Patientin ließ sich ein Inlay und eine Krone einsetzen. Kurz danach musste sie sich nachts wegen Schmerzen in eine zahnärztliche Notbehandlung begeben. An beiden behandelten Zähnen wurde Karies festgestellt, sowohl unter dem Inlay als auch am Kronenrand. Ihren Zahnarzt suchte die Patientin daraufhin nicht mehr auf. Sie verlangte Schadensersatz und Schmerzensgeld von ihm.
Das Landgericht stellte zwar die Behandlungsfehler fest, verweigerte der Frau aber Schmerzensgeld und Schadensersatz. Es begründete die Entscheidung damit, dass die Frau zunächst bei dem Zahnarzt eine Nacherfüllung hätte verlangen müssen.
Hartnäckigkeit zahlt sich aus – Erfolg in der zweiten Instanz
Der Argumentation des Landgerichts folgte das OLG nicht. Das allgemeine Prinzip der Nacherfüllung könne nicht auf diesen Fall übertragen werden. Der Befund sei falsch erhoben worden, dies sei der Behandlungsfehler. Der Arzt hätte vor Einsatz des Zahnersatzes den Karies feststellen müssen. Diese Diagnose könne nicht „nachgeholt“ werden. Zudem hätte die Patientin den Behandlungsvertrag allein schon dadurch gekündigt, dass sie weitere Termine nicht wahrgenommen habe. Mit Vertragskündigung entfiele aber die Verpflichtung für die Patientin, dem Arzt die Möglichkeit der Nacherfüllung zu gewähren. Daher habe sie grundsätzlich Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Entscheidung mit großer Bedeutung
Mit dieser Entscheidung können Patienten dem Nachbesserungsangebot des Arztes entgegentreten, wenn die Mangel-Ursache eines Zahnersatzes ein Behandlungsfehler ist. Vielen Patienten erscheint ein solches Angebot unzumutbar.
Der Fall zeigt gut, dass man eine Entscheidung der ersten Instanz nicht unbedingt hinnehmen muss.
Oberlandesgericht Jena am 29. Mai 2012 (AZ: 4 U 549/11)
Quelle: www.dav-medizinrecht.de
- Datum
- Aktualisiert am
- 16.10.2013