Das Mädchen war in der 32. Schwangerschaftswoche mit multiplen Krankheitssymptomen geboren worden. Es wurde deshalb anhaltend stationär in einem Herzzentrum, dann in einer kinderchirurgischen Klinik behandelt. Wegen wiederholter Darmpassagestörungen wurde das Kind dann in eine kinderchirurgische Klinik zur diagnostischen operativen Biopsie verlegt. Zweck war der Ausschluss der Krankheit Morbus Hirschsprung.
Bei dem ärztlichen Aufklärungsgespräch zuvor war nur die Mutter anwesend. Sie unterzeichnete auch den anästhesistischen Aufklärungsbogen. Bei der Biopsie kam es während der Narkoseeinleitung zu Schwierigkeiten bei der Intubation und Beatmung des Kindes. Nach der Operation wurde das Kind auf die pädiatrische Intensivstation verlegt, später auf die Kinderintensivstation. Anschließend war das Kind fast durchgehend in Kliniken, bevor es mit zweieinhalb Jahren starb.
Einwilligung auch des Vaters erforderlich?
Die Eltern klagten, weil sie meinten, Behandlungsfehler erkannt zu haben. Sie waren auch der Meinung, vor dem Eingriff nicht hinreichend über Risiken und Behandlungsalternativen aufgeklärt worden zu sein. Zudem habe der Vater selbst keine Einwilligung erteilt, obwohl dies zwingend erforderlich gewesen sei.
Ihre Klage blieb jedoch auch in der Berufungsinstanz erfolglos. Unter anderem nahm das Gericht zu der fehlenden Einwilligung des Vaters Stellung. Grundsätzlich, so die Richter, müssten beide sorgeberechtigten Eltern einem ärztlichen Eingriff bei ihrem minderjährigen Kind zustimmen. Erscheine nur ein Elternteil mit dem Kind, dürfe der Arzt allerdings in einigen Ausnahmefällen darauf vertrauen, dass der abwesende Elternteil den anderen zur Einwilligung ermächtigt habe.
Routinefälle: Ein Elternteil kann Einwilligung für beide erteilen
Routinefälle seien eine solche Ausnahme. Hier dürfe der Arzt darauf vertrauen, dass der anwesende Elternteil ermächtigt sei, die Einwilligung in die ärztliche Behandlung für den abwesenden Elternteil mitzuerteilen. Das gelte, solange ihm keine „entgegenstehenden Umstände“ bekannt seien.
In anderen Fällen, in denen es um ärztliche Eingriffe schwererer Art mit nicht unbedeutenden Risiken geht, müsse sich der Arzt vergewissern, ob der erschienene Elternteil die Ermächtigung des anderen habe und wie weit diese reiche. Er dürfe aber, solange dem nichts entgegenstehe, auf eine wahrheitsgemäße Auskunft des erschienenen Elternteils vertrauen.
Bei schwierigen und weit reichenden Entscheidungen über die Behandlung des Kindes, etwa bei einer risikoreichen Herzoperation, liege es nicht nahe, dass der anwesende Elternteil auch im Namen des anderen einwilligen dürfe. In diesem Fall müsse sich der Arzt „die Gewissheit verschaffen, dass der nicht erschienene Elternteil mit der vorgesehenen Behandlung des Kindes einverstanden“ sei.
Arzt muss sich nach Einwilligung des anderen Elternteils erkundigen
Bei der geplanten Biopsie habe es sich um einen ärztlichen Eingriff schwerer Art mit nicht unbedeutenden Risiken gehandelt. Der Sachverständige habe diese als leichten bis mittelgradigen Eingriff mit normalen Anästhesierisiken bewertet. Er habe auch die Frühgeburtlichkeit ausdrücklich nicht als Risiko erhöhend angesehen.
Es sei daher ausreichend gewesen, dass der Arzt sich bei der Mutter erkundigt habe, ob der Vater einwillige. Das habe er sich durch ihre Unterschrift auf dem Aufklärungsbogen, der einen entsprechenden Hinweis enthalte, bestätigen lassen.
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