
Zehntausende Wintersportfans verletzen sich jedes Jahr. Meist geschieht das ohne Fremdeinwirkung, teilweise aber auch durch Zusammenstöße. Anders aber als im Straßenverkehr gibt es für das richtige Verhalten auf der Piste zumindest in Deutschland keinen gesetzlichen Rahmen.
In Deutschland: Verhaltensregeln statt Gesetz
Dr. Thomas Summerer sieht darin kein Problem. Der Rechtsanwalt ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sportrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) und sagt: „Man muss nicht für jeden Lebensbereich ein spezielles Gesetz verabschieden." Der Sport könne seine eigenen Regeln aufstellen – und tut es auch. Für das Verhalten auf Skipisten hat der Internationale Skiverband (FIS) zehn Regeln aufgestellt.
Unter anderem appelliert die FIS an die Umsicht der Ski- und Snowboardfahrerinnen und –fahrer:
- Niemand darf sich so verhalten, dass man dadurch andere Fahrer gefährdet und schädigt.
- Grundsätzlich darf von allen Seiten überholt werden, allerdings mit ausreichend Abstand zu den anderen Fahrern.
- Der von hinten kommende Sportler muss seine Fahrspur so wählen, dass andere Fahrer nicht gefährdet werden.
Die Empfehlungen des Skiverbandes sind zwar keine Gesetze im eigentlichen Sinn, die Gerichte berücksichtigen sie aber durchaus bei ihren Entscheidungen.
Das „Verkehrsverhalten" auf der Piste war in Deutschland schon mehrfach Gegenstand gerichtlicher Verfahren. So entschied bereits 2006 das Landgericht Ravensburg gemäß der FIS-Empfehlungen, dass stets derjenige Skifahrer Vorfahrt hat, der weiter vorn, also talwärts, am Hang fährt. Der von hinten kommende Fahrer habe entsprechend Rücksicht darauf zu nehmen (Az.: 4 O 185/05).
Das Oberlandesgericht Hamm bezeichnete in einem Urteil aus dem Jahr 2008 die FIS-Regeln als „maßgebliches Verkehrsrecht" und stellte damit klar: Die dort festgeschriebenen Regeln sind rechtlich bindend (Az.: I-13 U 81/08).
Nach Skiunfällen: Streitigkeiten mit Versicherungen vor Gericht
Neben der Schulfrage befassen sich Gerichte häufig auch mit Unfällen auf der Piste aus anderem Grund. Unlängst hat sich etwa das Hessische Landessozialgericht der Frage angenommen, inwiefern ein Skiunfall während einer Tagung ein Arbeitsunfall ist (Entscheidung vom 20. Juli 2015, AZ: L 9 U 69/14).
Hierbei verlangte ein 49-jähriger Mann einen Sturz beim Ski fahren als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Berufsgenossenschaft lehnte das ab, da sich der Unfall zwar auf der Tagung, doch während der Freizeitaktivitäten ereignete – und diese seien nicht gesetzlich unfallversichert.
Das Gericht gab der Genossenschaft Recht, da das Skifahren in keinem inneren oder sachlichen Zusammenhang mit der Tagung gestanden habe und zudem nicht Teil des Tagungsprogramms gewesen sei. Demnach sei der Freizeitbereich davon klar abgegrenzt gewesen.
Nach einem Unfall: Ruhe bewahren und Zeugen suchen
Sportrechtsexperte Summerer erklärt: „Auch auf der Skipiste gilt der allgemeine Haftungsmaßstab, an dem orientieren sich die Gerichte bei der Rechtsprechung." Das Bürgerliche Gesetzbuch legt fest: „Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt." Diese erforderliche Sorgfalt wiederum werde auf der Piste durch die FIS-Regeln konkretisiert, so Summerer.
Eine Regel, wie man sich im Falle eines Unfalls auf der Piste verhalten soll gibt es dagegen nicht. DAV-Experte Summerer hat dennoch einen Ratschlag: „Man sollte Ruhe bewahren und nach Zeugen Ausschau halten, die den Unfall gesehen haben." Das sei wichtig, um später bei einem möglichen Streit keine Beweisschwierigkeiten zu haben.
- Datum
- Aktualisiert am
- 25.01.2016
- Autor
- ndm