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- Seite 1 – Berühren von Backwaren = Kaufvertrag?
- Seite 2 – Wann kann der Supermarkt Schadensersatz verlangen?
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„Eltern haften für Ihre Kinder“, „für Garderobe keine Haftung“ – täglich sind wir umgeben von scheinbar unanfechtbaren rechtliche Behauptungen. Selbst die Brötchentheke im Supermarkt führt uns die vermeintliche juristische Konsequenz unseres Handelns vor Augen.
Die Plexiglas-Boxen mit Backwaren haben vielerorts die früher übliche Bäckereifiliale im Supermarkt ersetzt. Das Selbstbedienungsregal spart Personal und braucht wenig Platz. Hygienisch ist die Selbstbedienung jedoch nicht ganz unproblematisch. Wer möchte schon in ein Croissant beißen, das schon durch mehrere Hände gegangen ist? Die Supermärkte versuchen deshalb, Ware und Kunden möglichst lange getrennt zu halten: Sie stellen Zangen und Greifer bereit, mit denen Käufer die Ware aus dem Regal fischen sollen. Doch leider halten sich nicht alle Kunden an diese keimreduzierende Schutzmaßnahme.
Deshalb motivieren manche Supermärkte die Kundschaft zusätzlich mit einem kleinen Aufkleber auf den Backwaren-Boxen. Aufschrift: Berührung der Ware verpflichtet zum Kauf. Das klingt vernünftig, verbindlich und offiziell. Aber ist ein solcher Aufkleber wirklich rechtlich wirksam?
„Man könnte annehmen, dass mit dem Berühren der Backwaren schon ein Kaufvertrag abgeschlossen wird“, sagt die Rechtsanwältin Caren Hertfelder vom Deutschen Anwaltverein (DAV). Voraussetzung dafür sei aber, dass es ein eindeutiges Angebot und eine ebenso eindeutige Annahme dieses Angebots gebe. Beides sei aber fragwürdig.
„Es ist eher anzunehmen, dass das Bereitstellen der Backwaren ein unverbindliches Angebot ist und der Kunde auch erst dann eine klare Willenserklärung abgibt, wenn er die Ware an der Kasse vorlegt“, sagt Caren Hertfelder. Ähnlich verhält es sich mit anderen Waren, die Selbstbedienungs-Supermärkte anbieten: Nur weil jemand ein Tube Zahnpasta oder eine Gurke berührt, schließt er noch keinen Kaufvertrag ab.
Durch den Aufkleber am Backwaren-Regal und das Berühren der Backware wurde also noch kein Kaufvertrag geschlossen. Was dann? „Den Satz könnte man auch als eine Allgemeine Geschäftsbedingung auffassen, die dazu dient, einen etwaigen Schaden des Supermarkt-Betreibers abzuwenden“, sagt die Rechtsanwältin Caren Hertfelder.
Demnach würde sich der Kunde mit dem Berühren der Ware verpflichten, diese im Anschluss zu kaufen. Solche Klauseln seien allerdings unwirksam. In einem ähnlichen Fall untersagte das Oberlandesgericht Düsseldorf einem Einkaufsmarkt, ein Schild mit der Aufschrift „Das Aufreißen der Verpackung verpflichtet zum Kauf der Ware“ zu verwenden (AZ: I-6 U 45/00). Begründung: Dem Kunden werde damit die Möglichkeit genommen nachzuweisen, dass der tatsächlich entstandene Schaden geringer ist als der Kaufpreis.
Die „Verpflichtung zum Kauf“ ist rechtlich also äußert fragwürdig. Vor Gericht hätte ein solcher Satz – sollte es jemals wegen eines verunreinigten Brotes oder Brötchens zu einem Prozess kommen – wohl kaum Bestand. Darf man deshalb ungestraft mit schmutzigen Fingern im Backwarenregal herumwühlen? Eher nicht.
„Sollte man Backwaren tatsächlich dadurch unverkäuflich machen, dass man sie berührt, könnte der Supermarkt Schadensersatz verlangen“, sagt die Stuttgarter Anwältin Caren Hertfelder. Abgesehen davon, dass jemand diesen Vorgang beobachten und dokumentieren müsste, gibt es beim Thema Schadensersatz noch eine andere Hürde: Der konkrete Vermögensschaden muss im Einzelfall nachgewiesen werden.
„Der Markt müsste in diesem Fall belegen können, dass genau jenes Brötchen verkauft worden wäre, wenn der Kunde es nicht berührt hätte.“ Gerade bei der Massenware aus der Plastikbox dürfte das schwierig werden.
Wer versehentlich eine Semmel oder eine Zimtschnecke berührt, verpflichtet sich trotz einschüchternder Aufkleber zunächst einmal zu gar nichts und wird vermutlich auch nicht vor Gericht gezerrt. Selbstverständlich empfiehlt es sich trotzdem, mit unverpackter Ware so umzugehen, wie man es auch von anderen Kunden erwartet.
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