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Recht oder falsch?!

„Berührung der Ware verpflichtet zum Kauf“?

Soll schmutzige Hände fernhalten: Aufkleber im Supermarkt. © Quelle: DAV

Aufkleber an Backwaren-Regalen nehmen Kunden beim bloßen Berühren einer Semmel in die Pflicht. Kann das denn rechtens sein?

„Eltern haften für Ihre Kinder“, „für Garderobe keine Haftung“ – täglich sind wir umgeben von scheinbar unanfechtbaren rechtliche Behaup­tungen. Selbst die Brötchentheke im Supermarkt führt uns die vermeintliche juristische Konsequenz unseres Handelns vor Augen.

Die Plexiglas-Boxen mit Backwaren haben vielerorts die früher übliche Bäckerei­filiale im Supermarkt ersetzt. Das Selbst­be­die­nungsregal spart Personal und braucht wenig Platz. Hygienisch ist die Selbst­be­dienung jedoch nicht ganz unproble­matisch. Wer möchte schon in ein Croissant beißen, das schon durch mehrere Hände gegangen ist? Die Supermärkte versuchen deshalb, Ware und Kunden möglichst lange getrennt zu halten: Sie stellen Zangen und Greifer bereit, mit denen Käufer die Ware aus dem Regal fischen sollen. Doch leider halten sich nicht alle Kunden an diese keimre­du­zierende Schutz­maßnahme.

Deshalb motivieren manche Supermärkte die Kundschaft zusätzlich mit einem kleinen Aufkleber auf den Backwaren-Boxen. Aufschrift: Berührung der Ware verpflichtet zum Kauf. Das klingt vernünftig, verbindlich und offiziell. Aber ist ein solcher Aufkleber wirklich rechtlich wirksam?

Kaufvertrag?

„Man könnte annehmen, dass mit dem Berühren der Backwaren schon ein Kaufvertrag abgeschlossen wird“, sagt die Rechts­an­wältin Caren Hertfelder vom Deutschen Anwalt­verein (DAV). Voraus­setzung dafür sei aber, dass es ein eindeutiges Angebot und eine ebenso eindeutige Annahme dieses Angebots gebe. Beides sei aber fragwürdig.

„Es ist eher anzunehmen, dass das Bereit­stellen der Backwaren ein unverbind­liches Angebot ist und der Kunde auch erst dann eine klare Willens­er­klärung abgibt, wenn er die Ware an der Kasse vorlegt“, sagt Caren Hertfelder. Ähnlich verhält es sich mit anderen Waren, die Selbst­be­dienungs-Supermärkte anbieten: Nur weil jemand ein Tube Zahnpasta oder eine Gurke berührt, schließt er noch keinen Kaufvertrag ab.

Allgemeine Geschäfts­be­din­gungen?

Durch den Aufkleber am Backwaren-Regal und das Berühren der Backware wurde also noch kein Kaufvertrag geschlossen. Was dann? „Den Satz könnte man auch als eine Allgemeine Geschäfts­be­dingung auffassen, die dazu dient, einen etwaigen Schaden des Supermarkt-Betreibers abzuwenden“, sagt die Rechts­an­wältin Caren Hertfelder.

Demnach würde sich der Kunde mit dem Berühren der Ware verpflichten, diese im Anschluss zu kaufen. Solche Klauseln seien allerdings unwirksam. In einem ähnlichen Fall untersagte das Oberlan­des­gericht Düsseldorf einem Einkaufsmarkt, ein Schild mit der Aufschrift „Das Aufreißen der Verpackung verpflichtet zum Kauf der Ware“ zu verwenden (AZ: I-6 U 45/00). Begründung: Dem Kunden werde damit die Möglichkeit genommen nachzu­weisen, dass der tatsächlich entstandene Schaden geringer ist als der Kaufpreis.

Schadens­ersatz?

Die „Verpflichtung zum Kauf“ ist rechtlich also äußert fragwürdig. Vor Gericht hätte ein solcher Satz – sollte es jemals wegen eines verunrei­nigten Brotes oder Brötchens zu einem Prozess kommen – wohl kaum Bestand. Darf man deshalb ungestraft mit schmutzigen Fingern im Backwa­renregal herumwühlen? Eher nicht.

„Sollte man Backwaren tatsächlich dadurch unverkäuflich machen, dass man sie berührt, könnte der Supermarkt Schadens­ersatz verlangen“, sagt die Stuttgarter Anwältin Caren Hertfelder. Abgesehen davon, dass jemand diesen Vorgang beobachten und dokumen­tieren müsste,  gibt es beim Thema Schadens­ersatz noch eine andere Hürde: Der konkrete Vermögens­schaden muss im Einzelfall nachge­wiesen werden.

„Der Markt müsste in diesem Fall belegen können, dass genau jenes Brötchen verkauft worden wäre, wenn der Kunde es nicht berührt hätte.“ Gerade bei der Massenware aus der Plastikbox dürfte das schwierig werden.

Fazit

Wer versehentlich eine Semmel oder eine Zimtschnecke berührt, verpflichtet sich trotz einschüch­ternder Aufkleber zunächst einmal zu gar nichts und wird vermutlich auch nicht vor Gericht gezerrt. Selbst­ver­ständlich empfiehlt es sich trotzdem, mit unverpackter Ware so umzugehen, wie man es auch von anderen Kunden erwartet.

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Datum
Aktualisiert am
11.11.2014
Autor
pst
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Themen
Handel Kaufen Recht oder falsch?! Verbraucher

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