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Sicherheit

Bürger­wehren: Welche Rechte und Befugnisse haben sie?

Was dürfen Mitglieder von Bürgerwehren und was ist ihnen nicht erlaubt? © Quelle: Fuse/gettyimages.de

Nach den Übergriffen auf Frauen in Köln haben sich in vielen Orten Bürger­wehren gegründet. Allein in Nieder­sachsen gibt es 31. Doch Bürger­wehren sind umstritten. Die Deutsche Anwalt­auskunft zeigt, was Bürger­wehren rechtlich tun dürfen und was ihnen verboten ist.

Kulmbach liegt im Süden Deutschlands. Eine Bürgerwehr gibt es dort nicht, dafür aber eine Sicher­heitswacht, in der sich Bürger der Stadt organi­sieren können. Die örtliche Polizei weiß nicht nur über die Sicher­heitswacht Bescheid, sie beauftragt sie sogar, an bestimmten Orten Streife zu laufen und nach dem Rechten zu sehen. Dafür stattet die Polizei die Mitglieder der Sicher­heitswacht mit besonderen Uniformen, Funkgeräten und Pfefferspray aus.

Sicherlich könnte auch dieses Modell seine Kritiker finden, doch zumindest steht die ehrenamtliche Arbeit der Kulmbacher Bürger unter der Kontrolle der Polizei. Dabei beauftragt die Polizei die Sicher­heitswacht nicht nur, sondern sucht auch deren Mitglieder aus und schult diese, Vorbestrafte fallen bei der Auswahl für die Sicher­heitswacht in der Regel durch.  

Anders sieht es demgegenüber bei den Bürger­wehren aus, die sich besonders seit den sexuellen Übergriffen auf Frauen in Köln in vielen Orten gegründet haben: Selten kooperieren die Bürger­wehren mit der örtlichen Polizei, arbeiten oft sogar gegen sie. Meist binden Bürger­wehren die Polizei­kräfte vor Ort, denn diese sehen sich gezwungen, die Streifengänge der patrouil­lie­renden Bürger zu beobachten, um so zumindest eine Ahnung von deren Treiben zu bekommen.

Mehr Hilfspolizei gegen Einbrecher?

Aktuell debattiert das Land über einen Vorschlag von Thomas de Maizière: Der Bundes­in­nen­mi­nister will mehr Hilfspolizei gegen die immer höhere Zahl von Wohnungs­ein­brüchen einsetzen. Doch der Koaliti­ons­partner SPD kritisiert diese Pläne stark, ebenso wie beispielsweise die Gewerk­schaft der Polizei (GdP). Ihr zu Folge würde ein stärkerer Einsatz sogenannter Wachpo­li­zisten den hohen Qualitäts­standard der deutschen Polizei empfindlich senken. Der Vorschlag sei daher alles andere als ein zukunfts­wei­sendes Modell. „Wir warnen die Politik vor schnellen und billigen Lösungen. Wenn jetzt übereilt Wachpo­li­zisten eingestellt, in einem Crashkurs in nur wenigen Wochen ausgebildet werden und danach über zahlreiche tiefgreifende Befugnisse verfügen, ist das Flickwerk an einer verschlissenen Personaldecke auf Kosten der inneren Sicherheit“, sagte der stellver­tretende GdP-Bundes­vor­sitzende Jörg Radek am Donnerstag in Hilden.

Eine wirkliche Kontrolle über die Bürger­wehren hat die Polizei nicht, und eben das besorgt viele Menschen. „Bürger­wehren stellen Parallel­strukturen im Bereich Sicherheit dar. Sie fordern das Gewalt­monopol des Staates heraus oder widersetzen sich dem sogar“, sagt der Düssel­dorfer Rechts­anwalt Robert Hotstegs, Fachanwalt für Verwal­tungsrecht und Mitglied im Deutschen Anwalt­verein (DAV).

Welche Rechte haben Bürger­wehren?

Auch wenn Bürger­wehren sich selbst damit beauftragen, auf den Straßen nach dem Rechten zu sehen - eine juristische Bedeutung hat das nicht. Bürger­wehren haben keine besonderen Befugnisse oder Sonder­rechte. Sie haben nur die Rechte, die auch anderen Bürgern zur Verfügung stehen. Deshalb muss man etwa der Auffor­derung einer Bürgerwehr, ihr zu sagen, wohin man unterwegs ist oder ihr den Ausweis zu zeigen, nicht nachkommen.

Zu den Rechten jeden Bürgers zählt das Jedermann-Festnah­merecht, das § 127 der Strafpro­zess­ordnung unter dem Titel „Vorläufige Festnahme“ definiert. § 229 des Bürger­lichen Gesetz­buches (BGB) nennt „Selbsthilfe“, diese umfasst auch ein Festnah­merecht für Jedermann.

Mit diesem Recht legiti­mieren Bürger­wehren ihr Tun. Aus dem Jedermann-Festnah­merecht folgt, dass man einen Menschen, den man auf frischer Tat bei einer kriminellen Handlung ertappt, festhalten darf bis die Polizei eintrifft. „Wichtig ist dabei aber, dass man einen Täter in dem Moment erwischen muss, in dem er die Straftat begeht“, erklärt Rechts­anwalt Robert Hotstegs. „Auf bloßen Verdacht hin oder gar vorbeugend darf man niemanden festhalten.“

Wer jemanden wegen einer nur vermuteten Straftat festhält, kann sich selbst strafbar machen. Denn dies könnte unter Nötigung oder Freiheits­be­raubung fallen, wobei Straftaten, die man in einer Gruppe oder gemein­schaftlich begeht, zudem härter sanktioniert werden.

„Das Jedermann-Festnah­merecht umfasst nicht das Recht, sich Gewalt gegenüber einem Festge­nommenen zu erlauben“, sagt Rechts­anwalt Hotstegs. „Dies könnte unter den Straftat­bestand der Körper­ver­letzung fallen.“

Bürger­wehren: Dürfen sie Waffen bei sich tragen?

Mitglieder von Bürger­wehren dürfen nur die Waffen bei sich tragen, die auch andere Bürger legal dabei haben können: Schreck­schuss­waffen, die man als Inhaber des Kleinen Waffen­scheins erwerben darf, und Pfefferspray zur Tierabwehr. Knüppel, Messer, Baseball­schläger oder sonstige Gegenstände, die man als Waffe benutzen könnte, dürfen Bürger wie auch Mitglieder von Bürger­wehren nach dem Waffen­gesetz nicht mit sich führen.

Dieses Verbot unterstreicht auch § 127 des Strafge­setz­buches, wonach man keine bewaffneten Gruppen gründen darf.

Diese Rechtslage gilt aber nur, wenn Bürger­wehren ihre Streifengänge nicht als Versammlung anmelden müssen, was meist der Fall sein wird. „Wer eine Patrouille als Versammlung anmelden muss, darf überhaupt keine Waffen bei sich tragen, denn das würde gegen das Versamm­lungsrecht verstoßen“, sagt der Fachanwalt für Verwal­tungsrecht, Robert Hotstegs.

Bürger­wehren und Versamm­lungsrecht – welche Regeln gelten?

Beim Thema Bürgerwehr und Versamm­lungsrecht gilt zunächst: Das Grundgesetz erlaubt in Artikel 8, Absatz 1 jedem Bundes­bürger, sich „ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Finden diese Versamm­lungen nicht in Innenräumen, sondern draußen statt, kann dieses Recht nach dem Versamm­lungs­gesetz des Bundes eingeschränkt sein. Seit 2006 dürfen die Bundes­länder das Bundesrecht durch eigene Versamm­lungs­gesetze ersetzen. Hiervon hat etwa Bayern Gebrauch gemacht.

Versamm­lungen, die unter freiem Himmel stattfinden und nicht zufällig sind, muss man mindestens 48 Stunden vor deren Beginn anmelden, wenn sie dem politischen Meinungs- und Willens­bil­dungs­prozess dienen. Wer etwa auf einer Patrouille Info-Zettel verteilen oder bestimmte Parolen skandieren will, muss sie anmelden. Das gilt übrigens unabhängig davon, ob die Teilneh­merzahl gering ist und nur etwa drei Leute Streife laufen.   

Wer darf eine Uniform tragen?

Viele Mitglieder von Bürger­wehren tragen Warnwesten, um sich kenntlich zu machen. Das aber könnte gegen das Uniform­verbot verstoßen, welches § 3 des Versamm­lungs­rechts regelt. Das Uniform­verbot verbietet es, Uniformen oder diesen ähnliche Kleidungs­stücke „als Ausdruck einer gemeinsamen politischen“ Meinung zu tragen. Um als ein solcher Ausdruck zu gelten, könnte bereits die Aufschrift „Bürgerwehr“ ausreichen, möglicherweise sogar nur die einheitliche Warnwesten-Bekleidung.

Wie weit Bürger sich unifor­mieren dürfen, beschäftigt in jedem Fall die Gerichte: Im Dezember 2015 entschied beispielsweise das Landgericht Wuppertal, dass die hochum­strittene sogenannte „Scharia-Polizei“ mit ihren Warnwesten nicht gegen das Versamm­lungs­gesetz verstoßen und sich nicht strafbar gemacht habe. Die selbst­er­nannte „Scharia-Polizei“ war 2014 durch Wuppertal gelaufen und hatte junge Leute aufgefordert, islamische Religi­ons­gesetze einzuhalten.

Der Vorfall zeigt, dass auch das Uniform­verbot verfolgt wird. Und dies bindet wiederum Polizei­kräfte, die die Bürger­wehren an anderer Stelle vermissen.

Datum
Aktualisiert am
17.06.2016
Autor
ime
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Themen
Bürgerwehr Notwehr Pfefferspray Polizei Sicher­heits­dienst

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