Kulmbach liegt im Süden Deutschlands. Eine Bürgerwehr gibt es dort nicht, dafür aber eine Sicherheitswacht, in der sich Bürger der Stadt organisieren können. Die örtliche Polizei weiß nicht nur über die Sicherheitswacht Bescheid, sie beauftragt sie sogar, an bestimmten Orten Streife zu laufen und nach dem Rechten zu sehen. Dafür stattet die Polizei die Mitglieder der Sicherheitswacht mit besonderen Uniformen, Funkgeräten und Pfefferspray aus.
Sicherlich könnte auch dieses Modell seine Kritiker finden, doch zumindest steht die ehrenamtliche Arbeit der Kulmbacher Bürger unter der Kontrolle der Polizei. Dabei beauftragt die Polizei die Sicherheitswacht nicht nur, sondern sucht auch deren Mitglieder aus und schult diese, Vorbestrafte fallen bei der Auswahl für die Sicherheitswacht in der Regel durch.
Anders sieht es demgegenüber bei den Bürgerwehren aus, die sich besonders seit den sexuellen Übergriffen auf Frauen in Köln in vielen Orten gegründet haben: Selten kooperieren die Bürgerwehren mit der örtlichen Polizei, arbeiten oft sogar gegen sie. Meist binden Bürgerwehren die Polizeikräfte vor Ort, denn diese sehen sich gezwungen, die Streifengänge der patrouillierenden Bürger zu beobachten, um so zumindest eine Ahnung von deren Treiben zu bekommen.
Mehr Hilfspolizei gegen Einbrecher?
Aktuell debattiert das Land über einen Vorschlag von Thomas de Maizière: Der Bundesinnenminister will mehr Hilfspolizei gegen die immer höhere Zahl von Wohnungseinbrüchen einsetzen. Doch der Koalitionspartner SPD kritisiert diese Pläne stark, ebenso wie beispielsweise die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Ihr zu Folge würde ein stärkerer Einsatz sogenannter Wachpolizisten den hohen Qualitätsstandard der deutschen Polizei empfindlich senken. Der Vorschlag sei daher alles andere als ein zukunftsweisendes Modell. „Wir warnen die Politik vor schnellen und billigen Lösungen. Wenn jetzt übereilt Wachpolizisten eingestellt, in einem Crashkurs in nur wenigen Wochen ausgebildet werden und danach über zahlreiche tiefgreifende Befugnisse verfügen, ist das Flickwerk an einer verschlissenen Personaldecke auf Kosten der inneren Sicherheit“, sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Jörg Radek am Donnerstag in Hilden.
Eine wirkliche Kontrolle über die Bürgerwehren hat die Polizei nicht, und eben das besorgt viele Menschen. „Bürgerwehren stellen Parallelstrukturen im Bereich Sicherheit dar. Sie fordern das Gewaltmonopol des Staates heraus oder widersetzen sich dem sogar“, sagt der Düsseldorfer Rechtsanwalt Robert Hotstegs, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Mitglied im Deutschen Anwaltverein (DAV).
Welche Rechte haben Bürgerwehren?
Auch wenn Bürgerwehren sich selbst damit beauftragen, auf den Straßen nach dem Rechten zu sehen - eine juristische Bedeutung hat das nicht. Bürgerwehren haben keine besonderen Befugnisse oder Sonderrechte. Sie haben nur die Rechte, die auch anderen Bürgern zur Verfügung stehen. Deshalb muss man etwa der Aufforderung einer Bürgerwehr, ihr zu sagen, wohin man unterwegs ist oder ihr den Ausweis zu zeigen, nicht nachkommen.
Zu den Rechten jeden Bürgers zählt das Jedermann-Festnahmerecht, das § 127 der Strafprozessordnung unter dem Titel „Vorläufige Festnahme“ definiert. § 229 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nennt „Selbsthilfe“, diese umfasst auch ein Festnahmerecht für Jedermann.
Mit diesem Recht legitimieren Bürgerwehren ihr Tun. Aus dem Jedermann-Festnahmerecht folgt, dass man einen Menschen, den man auf frischer Tat bei einer kriminellen Handlung ertappt, festhalten darf bis die Polizei eintrifft. „Wichtig ist dabei aber, dass man einen Täter in dem Moment erwischen muss, in dem er die Straftat begeht“, erklärt Rechtsanwalt Robert Hotstegs. „Auf bloßen Verdacht hin oder gar vorbeugend darf man niemanden festhalten.“
Wer jemanden wegen einer nur vermuteten Straftat festhält, kann sich selbst strafbar machen. Denn dies könnte unter Nötigung oder Freiheitsberaubung fallen, wobei Straftaten, die man in einer Gruppe oder gemeinschaftlich begeht, zudem härter sanktioniert werden.
„Das Jedermann-Festnahmerecht umfasst nicht das Recht, sich Gewalt gegenüber einem Festgenommenen zu erlauben“, sagt Rechtsanwalt Hotstegs. „Dies könnte unter den Straftatbestand der Körperverletzung fallen.“
Bürgerwehren: Dürfen sie Waffen bei sich tragen?
Mitglieder von Bürgerwehren dürfen nur die Waffen bei sich tragen, die auch andere Bürger legal dabei haben können: Schreckschusswaffen, die man als Inhaber des Kleinen Waffenscheins erwerben darf, und Pfefferspray zur Tierabwehr. Knüppel, Messer, Baseballschläger oder sonstige Gegenstände, die man als Waffe benutzen könnte, dürfen Bürger wie auch Mitglieder von Bürgerwehren nach dem Waffengesetz nicht mit sich führen.
Dieses Verbot unterstreicht auch § 127 des Strafgesetzbuches, wonach man keine bewaffneten Gruppen gründen darf.
Diese Rechtslage gilt aber nur, wenn Bürgerwehren ihre Streifengänge nicht als Versammlung anmelden müssen, was meist der Fall sein wird. „Wer eine Patrouille als Versammlung anmelden muss, darf überhaupt keine Waffen bei sich tragen, denn das würde gegen das Versammlungsrecht verstoßen“, sagt der Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Robert Hotstegs.
Bürgerwehren und Versammlungsrecht – welche Regeln gelten?
Beim Thema Bürgerwehr und Versammlungsrecht gilt zunächst: Das Grundgesetz erlaubt in Artikel 8, Absatz 1 jedem Bundesbürger, sich „ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Finden diese Versammlungen nicht in Innenräumen, sondern draußen statt, kann dieses Recht nach dem Versammlungsgesetz des Bundes eingeschränkt sein. Seit 2006 dürfen die Bundesländer das Bundesrecht durch eigene Versammlungsgesetze ersetzen. Hiervon hat etwa Bayern Gebrauch gemacht.
Versammlungen, die unter freiem Himmel stattfinden und nicht zufällig sind, muss man mindestens 48 Stunden vor deren Beginn anmelden, wenn sie dem politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess dienen. Wer etwa auf einer Patrouille Info-Zettel verteilen oder bestimmte Parolen skandieren will, muss sie anmelden. Das gilt übrigens unabhängig davon, ob die Teilnehmerzahl gering ist und nur etwa drei Leute Streife laufen.
Wer darf eine Uniform tragen?
Viele Mitglieder von Bürgerwehren tragen Warnwesten, um sich kenntlich zu machen. Das aber könnte gegen das Uniformverbot verstoßen, welches § 3 des Versammlungsrechts regelt. Das Uniformverbot verbietet es, Uniformen oder diesen ähnliche Kleidungsstücke „als Ausdruck einer gemeinsamen politischen“ Meinung zu tragen. Um als ein solcher Ausdruck zu gelten, könnte bereits die Aufschrift „Bürgerwehr“ ausreichen, möglicherweise sogar nur die einheitliche Warnwesten-Bekleidung.
Wie weit Bürger sich uniformieren dürfen, beschäftigt in jedem Fall die Gerichte: Im Dezember 2015 entschied beispielsweise das Landgericht Wuppertal, dass die hochumstrittene sogenannte „Scharia-Polizei“ mit ihren Warnwesten nicht gegen das Versammlungsgesetz verstoßen und sich nicht strafbar gemacht habe. Die selbsternannte „Scharia-Polizei“ war 2014 durch Wuppertal gelaufen und hatte junge Leute aufgefordert, islamische Religionsgesetze einzuhalten.
Der Vorfall zeigt, dass auch das Uniformverbot verfolgt wird. Und dies bindet wiederum Polizeikräfte, die die Bürgerwehren an anderer Stelle vermissen.
- Datum
- Aktualisiert am
- 17.06.2016
- Autor
- ime