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Plädoyer

Rassis­tische Pöbeleien zu dulden ist falsches Signal an die Hetzer

Sollte Facebook rassistische Posts löschen? Ja, sagt Marcel Keienborg. © Quelle: Marcel Keienborg

Medien­be­richten zufolge ist am 30.09.2015 ein 26-Jähriger vom Amtsgericht Wismar „zu fünf Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe von 300 Euro“ verurteilt worden. Nur einen Tag vorher habe er „in einem Sozialen Netzwerk“ angekündigt, ein Flücht­lingsheim anzuzünden. Das Amtsgericht Wismar habe ihn demnach der „Belohnung und Billigung von Straftaten“ für schuldig befunden.

Es ist zu begrüßen, dass die Justiz in diesem Fall konsequent durchge­griffen hat. Denn leider gibt es viele derartige Kommentare. Und das genannte Beispiel zeigt, dass materiell-rechtlich durchaus eine strafrechtliche Relevanz vorliegt. Dass trotzdem viele Verfahren im Sande verlaufen, wird eher praktische Gründe haben. Im Zweifel liegt es daran, dass die Verfasser ein Pseudonym verwenden und ihre wahre Identität nicht ermittelt werden kann.

Strafrechtlich relevante Kommentare auf Facebook sollten gelöscht werden

Wenn Bundes­jus­tiz­mi­nister Heiko Maas vor diesem Hintergrund die Löschung strafrechtlich relevanter Kommentare von Facebook fordert, mag man darin zwar einen Akt der Hilflo­sigkeit sehen können – kommt doch deutlich das Eingeständnis zum Ausdruck, dass die Strafver­fol­gungs­be­hörden, deren Kompetenzen größtenteils an der Staats­grenze enden, gegenüber weltweit agierenden Konzernen wie Google oder Facebook nur sehr begrenzt handlungsfähig sind.

Richtig ist die Forderung von Herrn Maas dennoch. Denn es würde ein fatales Signal an die Hetzer senden, wenn man ihre Pöbeleien nur deswegen duldete, weil ihre Verfolgung praktisch kaum möglich ist.

Gemein­schafts­standards werden kaum eingehalten

Nicht zuletzt geht es jedoch auch darum, das Unternehmen selbst beim Wort zu nehmen. Facebook-Sprecherin Tina Kulow ließ am 11.08.2015 verlauten: „Inhalte wie Hassrede, Aufruf zur Gewalt oder Gewalt­ver­herr­lichung verstoßen jedoch gegen die Gemein­schafts­standards von Facebook und werden umgehend gelöscht.“ Dieser Ankündigung lässt Facebook leider noch zu selten Taten folgen.

Ich habe bisher einmal ein Posting auf Facebook gemeldet. Das Ergebnis entspricht aber genau den unzähligen Berichten: Kurz und knapp wurde mir lediglich mitgeteilt, dass kein Verstoß gegen Gemein­schafts­standards vorliege. Vollkommen ist die Farce, wenn ausgerechnet Beiträge, die sich um Aufklärung bemühen, gesperrt werden, wie gerade erst mit dem Video „Asylschma­rotzer“ geschehen.

Das Video der Liberalen Flücht­lingshilfe stellt fremden­feindliche Facebook-Posts und Bilder aus syrischen Kriegs­ge­bieten einander gegenüber, um die Menschen­feind­lichkeit dieser Kommentare zu unterstreichen.

Auch, wenn dieses Video zwischen­zeitlich wieder entsperrt worden ist: Der Vorgang zeigt, dass bei der Umsetzung der eigenen „Gemein­schafts­standards“ durch das Unternehmen einiges im Argen liegt. Dies zu kritisieren ist richtig.

Freie Meinungs­äu­ßerung darf nicht ehrver­letzend sein

Das Recht auf freie Meinungs­äu­ßerung wird durch Artirkel 5 Grundgesetz (GG) hingegen mit Bedacht gerade nicht schran­kenlos gewährt. Es findet seine Schranken etwa in den allgemeinen Gesetzen und dem Recht der persön­lichen Ehre (Artikel 5 Absatz 2 GG).

Jene Hasskom­mentare sind häufig besonders ehrver­letzend, das zuvor erwähnte Video enthält hierfür einige Beispiele. Es ist zwar richtig, dass es ohne Meinungs­freiheit keine Demokratie geben kann. Das Recht auf freie Meinungs­äu­ßerung, wie es durch das Grundgesetz konzep­tioniert ist, erfordert es aber gerade nicht, dass jedwede beleidigende, ehrver­letzende oder menschen­ver­achtende Äußerung geduldet wird.

Und dass Facebook auch beim besten Willen nicht in der Lage sein wird, qua Löschfunktion Rassismus, Antise­mi­tismus und sonstige Abscheu­lich­keiten zu besiegen, ist unbestritten. Facebook könnte es den Hetzern aber wenigstens etwas erschweren, solche zu verbreiten. Und schließlich dürfte es auch dem Schutz der Betroffenen dienen, sie der Hetze nicht mehr als unbedingt nötig auszusetzen. Denn auch Flüchtlinge benutzen bisweilen Facebook.

Prof. Niko Härting ist hingegen der Meinung, dass man rassis­tische Kommentare nicht löschen sollte. Lesen Sie hier sein Plädoyer.

Datum
Aktualisiert am
12.10.2015
Autor
Marcel Keienborg
Bewertungen
567
Themen
Diskri­mierung Facebook Internet Plädoyer Rassismus

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