
„Eine Erbengemeinschaft ist ein Club, in dem man sich die Mitgliedschaft nicht ausgesucht hat“, bringt Prof. Dr. Andreas Frieser, Fachanwalt für Erbrecht und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) den Konflikt auf den Punkt. Zu der Trauer über den Tod eines Angehörigen komme dann womöglich noch der Streit mit den anderen Miterben darüber, wie mit dem Erbe verfahren werden soll.
…bis dass die Auseinandersetzung uns scheidet
Eine Erbengemeinschaft besteht solange, bis das Erbe aufgeteilt beziehungsweise – im juristischen Fachjargon – auseinandergesetzt wird. Hat ein Erblasser kein Testament gemacht, kann das Erbe sofort unter den Miterben aufgeteilt werden. Soll das Erbe laut Testament zunächst nicht aufgeteilt werden, ohne dass der Erblasser einen konkreten Zeitraum festgelegt hat, darf die Erbmasse 30 Jahre lang nicht auseinandergesetzt werden.
„Erblasser können im Testament auch ein längeres sogenanntes Auseinandersetzungsverbot festsetzen“, informiert Anwalt Prof. Frieser. Dies müsse keine in Jahren bemessene Frist, sondern könne auch an ein Ereignis gebunden sein. So könnten Erblasser zum Beispiel verfügen, dass eine Immobilie bis zum Tod des jüngsten Kindes nicht verkauft werden dürfe. „Das kann sinnvoll sein, wenn dieses Kind im Haus wohnt oder seine Interessen aus anderen Gründen besonders geschützt werden sollen“, erklärt der Erbrechtsexperte.
Verfügung versus Verwaltung
Solange das Erbe nicht auseinandergesetzt ist, gilt: In allen Entscheidungen, die mit Blick auf das Erbe getroffen werden, müssen sich die Miterben zumindest mehrheitlich einig sein. Bei einigen Dingen ist auch eine einstimmige Entscheidung nötig. Entscheidend ist, ob es sich um eine Verwaltung oder eine Verfügung handelt.
Für Fragen, die die Verwaltung betreffen, genügt meist ein Mehrheitsbeschluss. Vorausgesetzt, es geht nicht um eine völlige Umgestaltung des betroffenen Nachlassgegenstandes. Die Verwaltung umfasst alle Maßnahmen laufender Geschäfte. Das heißt, alle Handlungen, die dazu beitragen, das Vermögen zu erhalten.
Anders bei Verfügungen: „Verfügungen sind mit einer Rechtsänderung verbunden – hierzu bedarf es der Zustimmung aller Miterben“, erklärt Rechtsanwalt Frieser. Wie der Erbrechtsexperte weiter erläutert, gelte das unter anderem, wenn ein Grundstück oder eine Immobilie verkauft werden soll.
Im Fall unserer Beispielfamilie würde das bedeuten: Wenn die Frau und die beiden Kinder gemeinsam ein Haus geerbt haben, müssen sie es regelmäßig renovieren und sanieren. Wenn nun die Fenster saniert werden sollen, braucht es keine einstimmige Beschlussfassung, um eine Sanierung in Auftrag zu geben. Es genügt, wenn eines der Kinder und die Mutter dafür sind und sich auf das Angebot eines Handwerksbetriebs einigen können.
Möchte nun einer der Miterben das Haus verkaufen, zum Beispiel weil die Mutter einen Platz im Pflegeheim und dafür Geld braucht, müssen damit alle einverstanden sein. Das gilt auch bei einer Belastung des Hauses. Wichtig: Wer nicht damit einverstanden ist, muss seinen Entschluss nicht begründen. Es besteht keine Verpflichtung, zu den Motiven Auskunft zu geben.
Verwaltung kann Verfügung schlagen
Verwaltung und Verfügung sind im Gesetz zwar klar voneinander abgegrenzt. Dennoch sind Fälle denkbar, in denen sich Verfügung und ordnungsgemäße Verwaltung überschneiden. So gelten Kündigungen von Verträgen, die die Erbengemeinschaft abgeschlossen hat, zwar in der Regel als Verfügungen.
Einen Vertrag zu kündigen, kann aber auch unter ordnungsgemäße Verwaltung fallen – mit entsprechenden Folgen für die erforderliche Zustimmung. So hat das Oberlandesgericht Brandenburg kürzlich entschieden, dass Bankkonten mit der Mehrheit einer Erbengemeinschaft gekündigt werden können, wenn das Geld auf einem anderen Konto zinsgünstiger anlegt werden kann.
„Jeder Miterbe ist verpflichtet, ordnungsgemäßen Maßnahmen zur Verwaltung des Erbes zuzustimmen – auch gegen den Willen einiger anderer Miterben“, informiert der Rechtsanwalt. Das besage § 2038 des Bürgerlichen Gesetzbuches. In Ausnahmefällen könne sogar der Verkauf eines Hauses als Verwaltungsmaßnahme durchgehen, wenn die Erbengemeinschaft mehrere Häuser verwaltet und den Verkaufserlös in die Instandhaltung der anderen Häuser investieren möchte.
Drei Miterben, drei Meinungen?
Es wird klar: Einigkeit in einer Erbengemeinschaft kann den Umgang mit dem Erbe sehr erleichtern. In der Praxis gibt es jedoch häufig so viele Meinungen wie Miterben. Das ist nicht verwunderlich. Zum einen geht es um ein hochemotionales Thema und sachliche Diskussionen sind häufig durch Trauer erschwert. Zum anderen sind vor allem bei großen Vermögenswerten viele Interessen im Spiel. Streit ist dann vorprogrammiert.
In unserem Beispiel wäre folgender Fall denkbar: Die Mutter möchte das Haus sofort verkaufen, weil der Umzug ins Pflegeheim eilt. Der Sohn möchte das Haus auch verkaufen, aber noch etwas warten, weil er sich eine Preissteigerung erhofft. Und die Tochter möchte es aus emotionalen Gründen im Familienbesitz behalten. In diesem Fall muss das Haus versteigert werden, was lange dauern kann.
Erbengemeinschaft: heilsamer Einigungsdruck
Erbrechtsexperte Frieser sagt: „Die schwierigen Auseinandersetzungsregeln des Gesetzes sollen einen sogenannten heilsamen Einigungsdruck erzeugen.“ Solange sich die Miterben nicht geeinigt hätten, könne man mit dem Erbe schließlich nichts anfangen. Problematisch werde es aber, wenn sich der Streit um das Erbe lange hinzieht. Oft dauert es solange, dass einzelne Miterben versterben. Dann vergrößere sich die Erbengemeinschaft um deren Erben und damit die Anzahl potenziell anderer Meinungen.
Sie haben geerbt und können sich mit den anderen Miterben nicht einigen? Ein Rechtsanwalt kann helfen, Lösungswege aufzuzeigen, die richtigen Entscheidungen zu treffen – und wichtige Fristen einzuhalten. Mit unserer Anwaltssuche finden Sie Ihre Rechtsanwältin oder Ihren Rechtsanwalt für Erbrecht in Ihrer Nähe.
- Datum
- Aktualisiert am
- 24.02.2016
- Autor
- vhe