Meni Naftali hat sich gewehrt: Der ehemalige Hausmeister hat im vergangenen Jahr seinen früheren Arbeitgeber, den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, wegen schlechter Behandlung verklagt. Vor kurzem gab ein Gericht Naftali Recht, sein früherer Arbeitgeber Netanjahu muss ihm eine Entschädigung von umgerechnet 39.000 Euro zahlen.
Vor Gericht hatte Naftali geschildert, wie herablassend besonders Netanjahus Frau Sara ihn und andere Angestellte behandelt habe. Beleidigungen und Wutausbrüche seien an der Tagesordnung gewesen, Überstunden nicht bezahlt worden.
Definition: Mobbing und Bossing
Ob die Jerusalemer Richter die Behandlung Naftalis als Mobbing definiert haben, lässt sich den Medienberichten über den Fall nicht entnehmen. Dennoch werden viele Menschen in der entwürdigenden Behandlung Naftalis und seiner Kollegen Mobbing erkennen. Begrifflich muss man hier aber unterscheiden, denn „Mobbing“ bezeichnet die Schikanen unter Arbeitskollegen. Für das Mobbing, das manche Arbeitgeber ihren Beschäftigten antun, hat sich demgegenüber das Wort Bossing etabliert.
Rechtlich gesehen gibt es zwischen Bossing und Mobbing keinen Unterschied, gesetzlich bestimmt sind beide Formen der Schikane nicht. In der Praxis hat sich aber eine Definition herausgebildet: „Die Arbeitsgerichte bestimmen Mobbing als zielgerichtete systematische und länger andauernde Anfeindung und Schikane einer Person“, erklärt die Kölner Rechtsanwältin Dr. Nathalie Oberthür von der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). „Der Unterschied zwischen Bossing und Mobbing ist nur, dass das Bossing vom Vorgesetzten ausgeht oder er sich zumindest daran beteiligt.“
Von Bossing betroffen: Wie sollte man vorgehen?
Im Bossing kann sich vieles offenbaren: Die psychischen Macken eines Arbeitgebers, aber auch das Durchsetzen handfester materieller Interessen, wenn beispielsweise ein Chef Bossing gezielt einsetzt, um einen unliebsamen Arbeitnehmer loszuwerden.
Bossing kann sich sowohl auf der Arbeits- als auch auf der sozialen Ebene abspielen, etwa als dauernde, unsachliche Kritik an der Arbeit eines Beschäftigten oder wenn der Chef einen Angestellten permanent vor dem Team verspottet.
Dabei ist aber nicht nur das Bossing als solches problematisch, sondern auch die Tatsache, dass der Chef wegen seiner Machtposition so viele Möglichkeiten hat, einen Beschäftigten zu drangsalieren und zu verletzen. Umgekehrt erschwert das Machtgefälle, sich als Betroffener gegen die Dauer-Schikanen am Arbeitsplatz zu wehren. Doch unmöglich ist es nicht.
Wer glaubt, von seinem Arbeitgeber gemobbt zu werden, sollte zunächst außerrechtliche Mittel nutzen, die auf der zwischenmenschlichen, „weichen“ Ebene ansetzen, um gegen das Bossing vorzugehen. Wer in einem Unternehmen arbeitet, in dem ein Betriebsrat tätig ist, sollte sich an diesen wenden und sich mit ihm beraten. Eine offizielle Beschwerde ermöglicht es dem Betriebsrat, sich aktiv für den Arbeitnehmer einzusetzen.
Denkbar ist auch, als Betroffener das direkte Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen und ihm sachlich den Eindruck der Situation zu schildern. Je nach Sachlage könnte man dem Chef in dem Gespräch vorschlagen, eine Mediation einzuschalten, um den Konflikt zu entschärfen.
Wer mit einem solchen Vorschlag oder ganz allgemein seinem Gesprächsangebot beim Chef auf taube Ohren stößt, kann sich privat etwa von einem auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen.
Opfer von Mobbing oder Bossing: Beweise sichern
In jedem Fall sollten Betroffene Beweise für das Bossing sammeln und die Schikanen dokumentieren, beispielsweise in einem Tagebuch. Denn die Beweislast für das Mobbing durch den Chef – wie auch durch Kollegen – liegt immer bei den Betroffenen. Diese sollten in dem Tagebuch daher akribisch notieren, was ihnen wann an Schikanen am Arbeitsplatz widerfahren ist und wer dies als Zeuge bestätigen kann. Auch Fotos können dabei unter Umständen hilfreich sein.
„Wenn diese Mittel nicht erfolgreich sind und das Mobbing weitergeht, kann man sich überlegen, ob man sich versetzen lässt“, sagt die Rechtsanwältin Dr. Nathalie Oberthür. „Auch einen Arbeitsplatzwechsel sollte man in Betracht ziehen, insbesondere dann, wenn die Schikanen einem so zusetzen, dass man davon krank wird.“
Welche rechtlichen Mittel gibt es gegen Mobbing oder Bossing?
Wer gegen das Bossing am Arbeitsplatz klagen und vor Gericht ein Schmerzensgeld erstreiten will, sollte bedenken, dass eine Klage gegen Bossing die angespannte Situation am Arbeitsplatz noch weiter verschärfen kann.
Außerdem haben zumindest deutsche Arbeitsgerichte die Hürden für Klagen gegen Bossing oder auch Mobbing unter Kollegen sehr hoch gesetzt. Das erklärt sich so: Es gibt natürlich Fälle von „echtem“ Bossing, die sogar strafrechtlich relevant sein können. Zwar sind Mobbing oder Bossing keine eigenen Straftatbestände, sie können aber über andere Tatbestände wie Beleidung, Nötigung oder Körperverletzung gefasst werden.
Doch neben „echtem“ Bossing gibt es viele Fälle, die in einem Graubereich angesiedelt sind. „Was sich subjektiv wie Mobbing anfühlt, kann objektiv betrachtet einfach ein Konflikt zwischen Beschäftigtem und Arbeitgeber sein, der in unterschiedlichen Ansichten über Arbeitsleistungen oder Arbeitsaufgaben begründet ist“, sagt Dr. Oberthür. „Es stellt sich oft die Frage, was Bossing ist und wo es beginnt: Wird ein Arbeitnehmer gemobbt, wenn der Chef seine morgendliche Begrüßung nicht erwidern? Ist es Bossing, wenn der Chef unfreundlich ist?“
Problematisch ist Bossing, weil es sich in einem oft schwer fassbaren zwischenmenschlichen Bereich abspielt und Menschen auf bestimmte Handlungen unterschiedlich empfindsam reagieren. „Das Arbeitsrecht kann nur eindeutig rechtswidriges Verhalten regeln. Mobbing oder auch Bossing können dagegen sehr subtil sein. Das Arbeitsrecht kann sie daher oft kaum greifen“, sagt Dr. Oberthür, „Das gilt selbst dann, wenn einem Arbeitnehmer die schwierige Aufgabe gelingt, die behaupteten Mobbing-Sachverhalte vor Gericht zu beweisen.“
- Datum
- Aktualisiert am
- 18.05.2017
- Autor
- ime