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Urteil der Woche

Kindergeld

+++ Kindergeld für sich selbst: Geht das? +++

Kind auf Wiese

(DAV). Kindergeld wird normalerweise an Eltern gezahlt, um ihre Kinder finanziell zu unterstützen. Doch was die wenigsten wissen: Auch Volljährige können unter bestimmten Voraussetzungen Kindergeld für sich selbst beantragen. Voraussetzung ist unter anderem, dass sie Vollwaise sind oder den Aufenthaltsort ihrer Eltern nicht kennen. Was passiert aber, wenn der Aufenthaltsort der Eltern tatsächlich unbekannt ist, der Antragsteller aber keine ausreichenden Nachforschungen angestellt hat?

Eine Person hat keinen Anspruch auf Kindergeld für sich selbst, wenn sie den Aufenthaltsort ihrer Eltern nicht kennt, aber durch zumutbare Nachforschungen in Erfahrung bringen könnte. Dies gilt auch, wenn die Person von Familienangehörigen über den Tod der Eltern informiert wurde, aber keine weiteren Nachforschungen angestellt hat. Das Rechtsportal anwaltauskunft.de informiert über das Urteil des Sozialgerichts (SG) München vom 01. August 2024 (AZ: S 22 KG 5/22).

Flüchtling begehrt Kindergeld für sich selbst

Der Fall des 1997 geborenen Klägers ist geprägt von den Umständen seiner Flucht aus Afghanistan. Im Jahr 2015 kam er allein nach Deutschland, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Doch die Ungewissheit über den Verbleib seiner Familie blieb. Während er 2016 noch die Adresse seiner Mutter nennen konnte, erfuhr er 2017 von deren Tod durch seine Schwester, die ihm die Schuld darangab und den Kontakt abbrach.

Der Kampf um Kindergeld

Im Oktober 2021 beantragte der Kläger für sich selbst Kindergeld zur Finanzierung seiner Ausbildung zum Arzthelfer. Die Familienkasse lehnte dies ab, da er keine Bemühungen nachweisen konnte, den Aufenthaltsort seiner Mutter zu ermitteln. Er hätte sich bei Verwandten, Behörden oder Hilfsorganisationen erkundigen müssen.

Das Gericht wies die Klage zurück. Es entschied, der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt, dass er den Aufenthaltsort seiner Mutter nicht habe ermitteln können. Die Richter bemängelten, dass er keine Einzelheiten zum angeblichen Tod seiner Mutter nennen konnte und keine zumutbaren Nachforschungen angestellt hatte.

Der Beschwerdeführer, ein 1997 geborener Afghane, war 2015 allein nach Deutschland geflohen. Bei einer behördlichen Anhörung im Jahr 2016 konnte er noch eine Adresse seiner Mutter in Afghanistan nennen. Ein Jahr später gab er an, zuletzt Kontakt zu einer seiner in Afghanistan lebenden Schwestern gehabt zu haben. Diese habe ihm damals mitgeteilt, dass ihre Mutter gewaltsam zu Tode gekommen sei und ihm sogar eine Mitschuld darangegeben, woraufhin sie den Kontakt zu ihm abgebrochen habe.

Im Jahr 2021 beantragte der Kläger für sich selbst Kindergeld für den Zeitraum März 2021 bis September 2022, in dem er eine Ausbildung zum Arzthelfer absolvierte. Die zuständige Familienkasse lehnte den Antrag ab, weil er keine ausreichenden Nachweise über den Aufenthaltsort oder den Tod seiner Mutter vorgelegt habe. Seine Klage blieb erfolglos.

Urteil: Unkenntnis über Aufenthaltsort reicht nicht aus

Das SG München entschied gegen den Kläger. Um Kindergeld für sich selbst zu erhalten, muss man entweder Vollwaise sein oder den Aufenthaltsort der Eltern nicht kennen. Der Kläger konnte zwar nachweisen, dass sein Vater verstorben war, der behauptete Tod seiner Mutter blieb jedoch unbestätigt.

Der Beschwerdeführer habe nicht ausreichend nachgewiesen, dass er den Aufenthaltsort seiner Mutter nicht kennen könne. Die Richter bemängelten, dass er keine Einzelheiten zum angeblichen Tod seiner Mutter nennen konnte und keine zumutbaren Nachforschungen angestellt hatte.

Entscheidend war, dass der Beschwerdeführer keine genauen Angaben zu dem Telefonat machen konnte, in dem ihm die Todesnachricht überbracht wurde. Er konnte weder den Namen des Anrufers noch das genaue Datum oder die Telefonnummer mit Sicherheit nennen. Daher war es dem Gericht nicht möglich, die Angaben zu überprüfen.

Nach Ansicht des Gerichts hätte der Beschwerdeführer verschiedene Möglichkeiten gehabt, sich Informationen zu beschaffen. So hätte er über seine Schwester Nachforschungen anstellen, das afghanische Konsulat oder humanitäre Organisationen wie das Rote Kreuz um Hilfe bitten oder Online-Suchdienste nutzen können.

Das Gericht stellte fest, dass eine "missbräuchliche Unkenntnis" einer positiven Kenntnis gleichsteht. Das bedeutet: Wer theoretisch einfache Möglichkeiten hat, den Aufenthaltsort seiner Eltern zu ermitteln, diese aber nicht nutzt, kann sich nicht auf Unkenntnis berufen.

Datum
Aktualisiert am
31.03.2025
Autor
red/dav
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