Wer von seiner Wohnung zu einer Dienstversammlung fährt, steht auch unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung. Ein solcher Wegeunfall liegt auch dann vor, wenn sich der Betroffene verspätet. Erst bei einer Verspätung von mehr als zwei Stunden kann man von einer Unterbrechung des Arbeitsweges ausgehen. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Landessozialgerichts Hessen.
Unfall auf dem Weg zur Arbeitsstelle
Die Altenpflegerin lebt mit ihrem Mann etwa 55 Kilometer von ihrer Arbeitsstelle entfernt. Zusätzlich hat sie eine weitere kleinere Wohnung, die etwa fünf Kilometer vom Altenheim entfernt ist. Diese nutzt sie insbesondere bei Nachtdienst, um den Arbeitsweg zu verkürzen.
An einem Tag, an dem die Frau zum Nachtdienst eingeteilt war, war eine Dienstversammlung mit Anwesenheitspflicht für 13:00 Uhr angesetzt. Für die zur Nachtschicht eingeteilte Frau bestand die Anwesenheitspflicht ab 14:00 Uhr. Sie hatte angekündigt, zu der Dienstbesprechung zu kommen, sich aber verspätet. Gegen 15.20 Uhr befuhr sie dann eine Bundesstraße, wo sie bei starkem Regen und schlechter Sicht im Überholverbot auf die Gegenfahrbahn kam und mit einem anderen Kraftfahrzeug frontal zusammenstieß. Hierbei erlitt sie unter anderem verschiedene Frakturen im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie Skalpierungsverletzungen und eine Hirnkontusion. Die Frau wurde mit dem Notarztwagen in die Universitätsklinik gebracht. Im Notarztprotokoll wurde bei ihr unter anderem eine Amnesie vermerkt. Bei Aufnahme in die Universitätsklinik bestand kein Verdacht auf Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinfluss. Etwa zum Zeitpunkt des Unfalles endete auch die Dienstversammlung.
Die gesetzliche Unfallversicherung lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab.
Gericht: Auch bei Verspätung liegt ein Arbeitsunfall vor
In der zweiten Instanz beim Landessozialgericht hatte die Frau mit ihrer Klage Erfolg. Das Gericht kam zu der Ansicht, dass es sich um ein Arbeitsunfall handelt. Es sei insbesondere klar gewesen, dass die Frau zum Altenpflegeheim habe fahren wollen, um auch an der Dienstversammlung teilzunehmen. Man könne auch nicht annehmen, dass sie den Dienstweg unterbrochen habe, etwa wegen des starken Regens. Dafür spreche auch nicht, dass sie zu spät gekommen sei. Fest stehe, dass die Mitarbeiterin erst ab 14.00 Uhr bei der Dienstversammlung anwesend sein musste und nicht bereits um 13.00 Uhr, da sie an dem Unfalltag Nachtschicht gehabt hätte. Für Mitarbeiter der Nachtschicht beginne die Anwesenheitspflicht erst um 14.00 Uhr. Eine Unterbrechung des Arbeitsweges könne nur angenommen werden, wenn sie sich mehr als zwei Stunden verspätet hätte. Dies sei hier nicht der Fall.
Wegeunfall auch bei Fahrt von der Familienwohnung
Dabei stellte das Gericht klar, dass nicht nur der Weg von der Wohnung in der Nähe der Arbeitsstätte versichert ist, sondern auch von der Familienwohnung. Denn auch das Zurücklegen des Weges von und zu der ständigen Familienwohnung sei eine versicherte Tätigkeit.
Landessozialgericht Hessen am 29. April 2014 (AZ: L 3 U 110/11)
Quelle: www.dav-sozialrecht.de
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