Im zugrundeliegenden Fall musste das Oberlandesgericht Hamm entschieden, ob das Alter einer aus Guinea eingereisten jungen Frau, deren Vormund das Jugendamt war, auch mit Hilfe einer Röntgenuntersuchung bestimmt werden durfte. Dies bestätigte das Gericht. Voraussetzung für eine solche Untersuchung ist aber, dass das anwaltlich vertretene Mündel – also der unter Vormundschaft stehende Minderjährige – mit der ärztlichen Untersuchung einverstanden ist, informiert die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Minderjährig oder volljährig?
Das Mündel, eine junge Frau aus Guinea, reiste im Februar 2012 nach Deutschland ein und wurde vom Jugendamt Dortmund in Obhut genommen. Diesem gegenüber gab sie an, im April 1997 in Mamaoun (Guinea) geboren worden zu sein. Im Februar 2012 sei sie 14-jährig ohne Begleitung mit dem Flugzeug an unbekannter Stelle ins Bundesgebiet eingereist. Daraufhin ordnete das Amtsgericht die Vormundschaft an und bestellte das Jugendamt zum Vormund.
Wenige Monate später teilte die zentrale Ausländerbehörde mit, die junge Frau sei bereits vor ihrer Einreise nach Deutschland in Belgien registriert worden. Dort hatte sie einen Pass mit dem Geburtsdatum 1989 vorgelegt, ebenfalls sei eine Eheschließung vermerkt worden. Daraufhin wurde ein gerichtliches Verfahren eingeleitet, um die Vormundschaft aufzuheben. Dort gab die Frau an, dass die in Belgien vorgelegten Papiere falsch seien. Sie seien nur hergestellt worden, um sie vor einer Zwangsverheiratung durch ihren Vater zu schützen.
Im gerichtlichen Verfahren stimmte die Frau einer ärztlichen Untersuchung zum Zwecke ihrer Altersbestimmung zu. Das Amtsgericht beschloss daraufhin, ein Sachverständigengutachten zum Alter der Frau einzuholen. Es stellte auch klar, dass im Rahmen der Begutachtung auch Röntgenbilder gefertigt werden könnten. Bei der rechtsmedizinischen Begutachtung wurde das Alter der Frau anhand der angefertigten Röntgenbilder dann auf mindestens 19,5 Jahre festgelegt.
Das Amtsgericht Dortmund stellte daraufhin die Volljährigkeit fest und hob die Vormundschaft auf. Gegen diese Aufhebung wehrte sich die Betroffene. Sie meinte, dass das rechtsmedizinische Gutachten nicht verwertet werden dürfe, weil sie unter Verstoß gegen die Röntgenverordnung geröntgt worden sei.
Im Vormundschaftsverfahren reicht die Einwilligung in die Untersuchung
Das Oberlandesgericht hat die vom Amtsgericht Dortmund angeordnete Aufhebung der Vormundschaft bestätigt: Die Frau sei nach dem maßgeblichen guineischen Recht spätestens mit Ablauf des 31. Oktober 2014 21 Jahre alt und damit volljährig geworden. Das ergebe sich aus dem rechtsmedizinischen Gutachten zur Altersbestimmung, das auch mit Blick auf die Befunde der Röntgenuntersuchungen verwertbar sei.
Zwar dürfe Röntgenstrahlung am Menschen nur in Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde, in der medizinischen Forschung oder in sonstigen durch das Gesetz vorgesehenen Fällen angewendet werden. Dass sie auch zur Altersbestimmung angewendet werde, sehe das Gesetz nicht vor. Die Regelung der Röntgenverordnung diene aber allein dem Schutz des zu Untersuchenden. Daraus folge, dass dieser auch in eine Röntgenuntersuchung zur Altersbestimmung einwilligen könne.
Eine solche Einwilligung habe die Frau gegeben. Der ärztlichen Untersuchung habe sie ausdrücklich zugestimmt und die in diesem Rahmen angeordnete Röntgenuntersuchung ohne weiteren Kommentar zugelassen. Bei dieser Sachlage waren für das Gericht keine Anhaltspunkte für eine Zwangslage der Frau bei ihrer Einwilligung in die Röntgenuntersuchung sichtbar. Deren Ergebnisse seien somit gerichtlich verwertbar.
Oberlandesgericht Hamm am 30. Januar 2015 (AZ: 6 UF 155/13)
Quelle: www.dav-familienrecht.de
- Datum
- Aktualisiert am
- 28.08.2015