Das Oberlandesgericht in Hamm hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem auf einem Rastplatz an einer Autobahn zwei Lkw kollidiert waren. Dabei hat es entschieden, dass hier ausnahmsweise das ein- oder ausfahrende Fahrzeug hätte warten müssen. Dies ist aber nur dann der Fall – so die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) –, wenn die Fahrspur zwischen den Parkplätzen Straßencharakter hat und vorrangig der Zu- und Abfahrt von Fahrzeugen dient.
Zusammenstoß an Autobahnrastplatz
Ein Lkw befuhr auf einem Autobahnrastplatz den zur Autobahnauffahrt führenden Zufahrtsweg. An diesen grenzten 18 schräg angeordnete Lkw-Stellplätze, von denen die Einfahrt in den Zufahrtsweg möglich ist. Auf dem letzten Stellplatz rangierte der Lastzug einer Transportfirma. Er stieß mit dem Lastzug auf dem Zufahrtsweg zusammen, als dieser an ihm vorbeifuhr. Die Haftpflichtversicherung der Transportfirma regulierte den Schaden zunächst auf Grundlage einer 50-prozentigen Haftungsquote. Die Gegenseite meinte jedoch, sie könne 100 Prozent ihres Schadens ersetzt bekommen.
Vorfahrtsregel auch auf Parkplätzen möglich
Mit Erfolg. Nach dem das Landgericht Paderborn noch anders entschieden hatte, verurteilten die Hammer Richter den Fahrer des rangierenden Lkw zu vollständigem Schadensersatz.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts sind auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen die Regeln der StVO anzuwenden. Parkplätze dienten zwar dem ruhenden Verkehr. Deswegen treffe der Ein- oder Ausparkende in der Regel nicht auf fließenden Verkehr, sondern auf Benutzer der Parkplatzfahrbahn. Im Verhältnis dieser Verkehrsteilnehmer gelte kein Vertrauensgrundsatz zugunsten eines "fließenden" Verkehrs gegenüber einem dann wartepflichtigen Ein- oder Ausfahrenden.
Etwas anderes könne allerdings anzunehmen sein, wenn die zwischen den Parkplätzen angelegten Fahrspuren eindeutig Straßencharakter hätten und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergebe, dass sie nicht dem Suchen von Parkplätzen, sondern der Zu- und Abfahrt dienten. Entscheidend sei also in diesem Fall, dass der Zufahrtsweg weniger für die Parkplatzsuche bestimmt sei, sondern für die Ausfahrt. Dies könnte auch bei normalen, öffentlich zugänglichen Parkplätzen zutreffen.
Dem fließenden Verkehr auf der Zufahrtsstraße habe das parkende Fahrzeug deswegen Vorrang einzuräumen. Den Charakter einer derartig bevorrechtigten Zufahrtsstraße habe der Zufahrtsweg, auf dem die beiden Lastzüge kollidiert seien. Der rangierende Lkw sei deswegen gegenüber dem Lastzug auf dem Zufahrtsweg wartepflichtig gewesen. Da sich ein Verschulden von dessen Fahrer nicht feststellen lasse, sei es angesichts des schwerwiegenden Verschuldens des anderen Fahrers gerechtfertigt, dass allein der Fahrer des rangierenden Fahrzeugs hafte.
Oberlandesgericht Hamm am 29. August 2014 (AZ: 9 U 25/14)
Quelle: www.verkehrsrecht.de
- Datum
- Aktualisiert am
- 15.10.2014