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Verkehrs­op­ferhilfe: Wann sie bei unbekannten Unfall­gegnern wirklich zahlt

(DAV). Die Verkehrs­op­ferhilfe e.V. ist eine wichtige Institution, die oft in den Schlag­zeilen steht, insbesondere nach tragischen Ereignissen wie Amokfahrten. Doch ihre Aufgaben gehen darüber hinaus. Weniger bekannt ist, dass sie gemäß § 12 Abs. 1 PflVG auch dann einspringt, wenn ein Schaden durch ein nicht ermittelbares oder nicht versichertes Fahrzeug verursacht wurde oder der Versicherer des Schädigers insolvent ist. Diese Schutz­funktion ist essenziell, da Geschädigte sonst oft ohne Entschä­digung blieben. Doch wie weit reicht diese Hilfe wirklich?

Die Arbeits­ge­mein­schaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) informiert über ein Urteil des Landge­richts Berlin II vom 11. Januar 2024 (AZ: 44 O 282/22), das die Voraus­set­zungen für einen Anspruch gegen die Verkehrs­op­ferhilfe e.V. nach einer Schädigung durch ein nicht ermittelbares Fahrzeug betrifft. Das Gericht wies die Klage eines Mannes auf Schmer­zensgeld und materiellen Schadens­ersatz ab, nachdem dieser in der Nähe einer hohen Mauer mit erheblichem Alkoholpegel und schweren Verlet­zungen aufgefunden worden war und behauptete, von einem unbekannten Fahrzeug angefahren worden zu sein.

Sturz oder Unfall mit Fahrer­flucht?

Im konkreten Fall klagte ein Mann gegen die Verkehrs­op­ferhilfe e.V. auf Zahlung von Schmer­zensgeld in Höhe von mindestens 200.000 Euro sowie auf Ersatz materieller Schäden.

Der Kläger war nach einem Besuch der Allgäuer Festwochen nachts neben einer hohen Steinmauer aufgefunden worden. Er wies schwere Verlet­zungen auf und hatte einen hohen Blutal­ko­holwert (2,33 Promille). Seine Aussage war, von einem unbekannten Fahrzeug angefahren worden zu sein. Sowohl die Verkehrs­op­ferhilfe als auch die vorab angerufene Schieds­stelle lehnten die Ansprüche ab.

Auch das Landgericht Berlin wies die Klage ab. Es fehle der Beweis, dass ein Fahrzeug den Unfall verursacht habe. Vielmehr sprächen die Verlet­zungen und die Alkoho­li­sierung des Klägers für einen Sturz von der Mauer.

Beweislast liegt beim Geschä­digten – und die Hürden sind hoch 

Ein zentrales Problem: Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass seine Verlet­zungen durch ein unbekanntes Fahrzeug verursacht wurden. Das Gericht wendete den sogenannten Streng­beweis an (§ 286 ZPO) und betonte, dass eine bloße Vermutung oder Schilderung des Geschehens nicht ausreiche. Spuren am Unfallort oder glaubhafte Zeugen­aussagen hätten gefehlt.

Die unabhängige Gutachterin kam zu dem Schluss, dass das Verlet­zungs­muster nicht zu einem Verkehrs­unfall passt – sondern zu einem Sturz aus größerer Höhe. Damit scheiterte der Kläger bereits an der grundle­genden Voraus­setzung für einen Anspruch gegen die Verkehrs­op­ferhilfe.

Wann zahlt die Verkehrs­op­ferhilfe – und wann nicht?


Die Verkehrs­op­ferhilfe e.V. ist eine Auffang­ein­richtung für Situationen, in denen der eigentliche Schädiger nicht greifbar ist – etwa bei Fahrer­flucht oder nicht versicherten Fahrzeugen. Voraus­setzung für eine Leistung ist aber, dass eindeutig feststeht, dass ein Fahrzeug beteiligt war.

Hinzu kommt: Für ein Schmer­zensgeld ist bei nicht ermittelbaren Fahrzeugen eine „besonders schwere Verletzung“ erforderlich. Das ist laut Gesetz nur bei massiven Dauerschäden wie Querschnitts­lähmung oder dem Verlust von Sinnes­organen der Fall. Normale Knochen­brüche reichen nicht aus – auch nicht bei kompli­zierter Heilung.

 

Fazit: Die Verkehrs­op­ferhilfe hilft – aber nur unter klaren Bedingungen

Das Urteil des Landge­richts Berlin zeigt deutlich: Wer Leistungen von der Verkehrs­op­ferhilfe e.V. beansprucht, muss gerichtsfest beweisen, dass tatsächlich ein nicht ermittelbares Fahrzeug den Schaden verursacht hat. Und selbst dann sind für ein Schmer­zensgeld besonders hohe gesund­heitliche Anforde­rungen zu erfüllen.

Checkliste: Voraus­set­zungen für Ansprüche gegen die Verkehrs­op­ferhilfe e.V.

  • Unfall durch nicht ermittelbares oder nicht versichertes Fahrzeug
  • klare Beweise für die Fahrzeugbeteiligung (z. B. Zeugen, Spuren)
  • Anrufung der Schiedsstelle vor Klageerhebung zwingend
  • Schmerzensgeld nur bei besonders schwerer Verletzung (z. B. Querschnittslähmung)
  • für Sachschäden genügt eine erhebliche Verletzung
  • kein Anspruch, wenn andere Stellen (z. B. Krankenkasse) zahlen

Quelle: www.verkehrsrecht.de

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