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Urteil: Fettlei­bigkeit kann in der EU Behinderung im Beruf sein

Wer sehr viel wiegt, kann im Job eingeschränkt sein. Ein Urteil spricht Betroffenen nun besonderen Schutz zu.

Starkes Übergewicht kann nach einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) als Behinderung im Beruf gelten. Dies wäre der Fall, wenn jemand durch sein Gewicht auf die Dauer körperlich, geistig oder psychisch so stark beeinträchtigt ist, dass er nicht gleich­be­rechtigt mit anderen seinen Beruf ausüben kann. Dann greife auch der im EU-Recht verankerte Schutz vor Diskri­mi­nierung, entschieden die Richter in Luxemburg. Dies gilt unabhängig davon, ob der Betreffende möglicherweise selbst zu der Behinderung beigetragen hat. In Deutschland gilt bereits eine ähnliche Regelung.

Im konkreten Fall geht es um einen stark überge­wichtigen Tagesvater aus Dänemark, dem nach 15 Jahren von der Gemeinde gekündigt worden war. Während dieser Zeit wog er nie weniger als 160 Kilogramm. Er beteiligte sich an Abnehm- und Fitness­pro­grammen der Gemeinde Billund, nahm aber dennoch immer wieder zu. Die Leitung des Betreu­ungs­dienstes besuchte ihn mehrmals und erkundigte sich nach seinen Abnehm-Versuchen.

Als die Gemeinde dem Mann 2010 kündigte, hieß es zur Begründung, der Bedarf an Kinder­be­treuung gehe zurück. Bei einem anschlie­ßenden Gespräch kam sein Übergewicht zwar zur Sprache. Die Gemeinde erklärte aber, dies sei nicht der Grund für die Kündigung gewesen. Der Tagesvater sah sich aber diskri­miniert und zog vor Gericht.

Über diesen Fall muss ein dänisches Gericht endgültig entscheiden. Die Richter dort baten allerdings den EuGH um Hilfe bei der Auslegung von EU-Recht.

Die europäischen Richter stellten klar, dass Fettlei­bigkeit zwar laut EU-Recht kein Diskri­mi­nie­rungsgrund ist. Allerdings kann Übergewicht unter bestimmten Umständen eine Behinderung sein - und behinderte Menschen haben in Europa ein Recht darauf, vor Diskri­mi­nierung geschützt zu werden. Arbeitgeber müssen Vorkeh­rungen treffen, um Behinderten die Teilnahme am Berufsleben zu ermöglichen - es sei denn, dies würde zu einer unverhält­nis­mäßigen Belastung des Arbeit­gebers führen.

Das Bundes­mi­nis­terium für Arbeit und Soziales in Berlin erklärte auf Anfrage, der Grad der Behinderung werde «durch das Ausmaß der Beeinträch­tigung der Teilhabe in allen Lebens­be­reichen bestimmt». Wodurch eine Gesund­heits­störung oder Behinderung verursacht werde, sei unwichtig. «Führt zum Beispiel eine ausgeprägte Fettlei­bigkeit bei einem Betroffenen zu Funkti­ons­ein­schrän­kungen mit Beeinträch­tigung der Teilhabe am Leben in der Gesell­schaft, so kann in Deutschland eine Behinderung anerkannt werden», hieß es.

Europäischer Gerichtshof am 18. Dezember 2014 (AZ: C-354/13)

Rechts­gebiete
Arbeitsrecht Versiche­rungsrecht

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