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Umzug kann Hartz-IV-Empfänger mit Depression nicht zugemutet werden

(DAV). Wer Hartz-IV-Leistungen bezieht, ist unter Umständen verpflichtet, in eine günstigere Wohnung umzuziehen. Höhere Mieten als die in den Leistungen vorgesehenen muss die zuständige Behörde nicht übernehmen. Dies ist der Grundsatz. Etwas anderes kann aber gelten, wenn ein Umzug beispielsweise aus gesund­heit­lichen Gründen nicht zugemutet werden kann.

In solchen Fällen kann der Grundsi­che­rungs­träger verpflichtet sein, höhere Kosten für die Unterkunft zu tragen. Wenn beispielsweise durch einen Umzug eine Depression so verstärkt werden könnte, dass ein Selbstmord droht, ist ein Umzug unzumutbar. Die höheren Kosten muss der Grundsi­che­rungs­träger dann übernehmen, entschied das Bayerische Landes­so­zi­al­gericht.

Auch Eigentums­wohnung muss günstig sein

Die allein­stehende Frau bezieht seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts. Sie lebt in ihrer Eigentums­wohnung mit einer Wohnfläche von rund 45 Quadrat­metern. Zins und Tilgung für die Wohnung lagen ab 2008 zwischen rund 620 und 900 Euro. Die zuständige Behörde forderte die Frau 2007 auf, ihre Kosten für die Unterkunft zu senken und entspre­chende Nachweise monatlich vorzulegen. Andernfalls werde ab Mai 2008 nur noch die angemessene Miete berück­sichtigt. Sie könne die Kosten nicht senken, erklärte die Frau. Wegen des Zuschnitts der Wohnung könne sie auch nicht unterver­mieten. Ein Verkauf sei nicht möglich, da dann bis zu 40.000 Euro Schulden übrig blieben. Daraufhin senkte die Behörde wie angekündigt die bewilligten Kosten für die Unterkunft und zahlte nur noch 450 Euro. Hiergegen wehrte sich die Frau und führte gesund­heitliche Gründe an.

Gericht: Krankheit rechtfertigt Ausnahme

In zweiter Instanz bekam sie Recht. Die bei ihr vorlie­genden gesund­heit­lichen Beschwerden rechtfer­tigten ausnahmsweise die weitere Übernahme der unange­messenen Kosten der Unterkunft. Der Frau sei ein Wohnungs­wechsel nicht zuzumuten, so das Gericht. Die Klägerin leide an Depres­sionen. Ein Umzug sei für sie mit solchen Belastungen verbunden, dass die Gefahr der Verstärkung ihrer Erkrankung mit deutlicher Selbst­mord­gefahr zu befürchten sei. Aufgrund der persön­lichen Vorgeschichte habe die Wohnung eine besondere Bedeutung. Bei Verlust sei die Gefahr von Sinnlo­sig­keits­ge­danken und Verzweiflung mit Tendenz zu Impuls­hand­lungen gegeben. Im Falle eines Auszuges sei in jedem Fall die Verstärkung der depressiven Symptomatik und mit einer überdurch­schnittlich hohen Wahrschein­lichkeit auch ein Selbst­mord­versuch zu erwarten. Eine Verrin­gerung der gesund­heit­lichen Einschrän­kungen könnten durch eine intensive Psycho­therapie, eine kontinu­ierliche psychia­trische Behandlung und eine verbesserte Einstellung des Blutdrucks erreicht werden. Für den Zeitbedarf einer psycho­the­ra­peu­tischen Besserung sei ein Zeitraum von zwei Jahren realistisch.

Anwalt­auskunft: Nicht alles hinnehmen

Für die Deutsche Anwalt­auskunft zeigt dieser Fall klar, dass man nicht alles hinnehmen muss. Mit anwalt­licher Hilfe kann man Behörden Paroli bieten und muss Bescheide nicht einfach hinnehmen.

Bayerisches Landes­so­zi­al­gericht am 27. September 2012 (AZ: L 8 AS 646/10)

Rechts­gebiete
Sozial­hil­ferecht Sozialrecht

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